Die göttlichen Walliser, eine verrückte Amerikanerin und der Dalai Lama

Auf Einladung von Nationalratspräsidentin Maya Graf besuchte «Seine Heiligkeit», der Dalai Lama, zum ersten Mal das Bundeshaus. Einen Termin mit dem Bundesrat hatte der spirituelle Führer der Tibeter nicht. Die Landesregierung wollte wohl das Freihandelsabkommen mit China nicht gefährden.

«Seine Heiligkeit» im Nationalratssaal. (Bild: Keystone)

Auf Einladung von Nationalratspräsidentin Maya Graf besuchte «Seine Heiligkeit», der Dalai Lama, zum ersten Mal das Bundeshaus. Einen Termin mit dem Bundesrat hatte der spirituelle Führer der Tibeter nicht. Die Landesregierung wollte wohl das Freihandelsabkommen mit China nicht gefährden.

Bekanntermassen ist SP-Nationalrat Eric Nussbaumer dem Göttlichen nicht abgeneigt, aber alles hat seine Grenzen. «So. Das war genügend Spiritualität für heute, ich brauch jetzt eine Pizza.» Geschickt schlängelt sich Nussbaumer an der grossen Entourage die Treppe hinunter, durch die Drehtür, an einer renitenten Amerikanerin vorbei (zu ihr später mehr) und über den Bundesplatz – ab Richtung Pizzeria.

Den paar hundert Anhängern des Dalai Lama auf dem Bundesplatz steht der Appetit mehr auf geistige Nahrung. Seit Stunden stehen die Fans auf dem Platz und seit gefühlten Tagen singen sie die immer gleichen Zeilen:

Kurz nach 13 Uhr wird das Mantra unterbrochen und macht Jubel Platz. Der Dalai Lama ist da! Nicht zum ersten Mal (er hat die tibetische Exil-Gemeinde in der Schweiz schon über 30 Mal besucht), aber zum ersten Mal im Bundeshaus. Nationalratspräsidentin Maya Graf (Grüne, BL) engagiert sich seit Jahren in der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Tibet und hat das spirituelle Oberhaupt der Tibeter nach Bern eingeladen. Dieses lächelt, winkt, bindet Schals (hier ein Video von «Blick»-Reporter Christof Vuille) und verabschiedet sich dann in ein Sitzungszimmer, wo verschiedene Parlamentarier warten. Und diese sind offensichtlich beeindruckt:

 

Nicht dabei ist ein Mitglied der Landesregierung. Man habe die recht häufigen Besuche des Dalai Lama nicht unnötig politisieren wollen, begründete Aussenminister Didier Burkhalter laut «Blick» den Verzicht auf ein Treffen. Im Klartext: Man will das anstehende Freihandelsabkommen mit China nicht gefährden.

Eine Haltung, für die anscheinend auch der Dalai Lama Verständnis hat. Man solle dem Freihandelsabkommen zustimmen und sich die Chinesen zum Freund machen, soll er den Parlamentariern heute hinter verschlossenen Türen erzählt haben. «Und als Freunde können wir sie dann auf die Menschenrechtssituation in Tibet aufmerksam machen», erzählt ein Nationalrat, der beim Treffen dabei war.

Beim Treffen mit den Bundeshausmedien verzichtet der Dalai Lama auf Politik (anders als im Interview mit der «Schweiz am Sonntag»). Und redet stattdessen zuerst mit der etwas sonderbar wirkenden Amerikanerin im violetten Kleid, die am Mittag bereits versuchte, sich ins Bundeshaus zu schleichen und mit einer kurzen Sitzblockade die Polizei ärgerte. Ins Medienzentrum schafft es die Amerikanerin dann irgendwie und darf dem Dalai Lama sagen: «I have a grandson», einen Enkel also.

Der Dalai Lama lächelt (aber das macht er ja immer), verneigt sich und hört aufmerksam den anwesenden Parlamentariern zu. Stefan Müller Altermatt (CVP, SO) beispielsweise, der auf einen erneuten Besuch des Dalai Lama hofft. Oder dem etwas müde wirkende Oskar Freysinger, der in sich eine besonders grosse Solidarität mit dem tibetischen Volk verspürt, die Solidarität eines Berglers zum nächsten Bergler. «Wir sind, rein geografisch, dem Göttlichen etwas näher.»

Näher wohl als die meisten Journalisten (und Eric Nussbaumer in der Pizzeria), denen der Dalai Lama nun ins Gewissen redet. Eine lange Nase brauche es, eine Elefantennase, um hinter den Dingen zu schnüffeln und die Wahrheit zu finden.


Ausserdem solle man die Leute bilden, stets aufrecht sein und die Wahrheit sagen.

Eigentlich ganz einfach.

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