Das Problem der SVP mit Mitgliedern am rechten Rand erhält mit den sozialen Medien eine neue Dimension.
Um herauszufinden, mit wem Sebastian Frehner auf Facebook befreundet ist, muss man altmodisch vorgehen – und ihn selber fragen. Der Basler SVP-Nationalrat hat die Privatsphäreneinstellungen auf seiner Seite so streng eingestellt, dass selbst die eigenen Freunde nicht erkennen können, wie viele und vor allem welche Freunde Frehner hat.
Das ist gewollt so. «Ich will mich aus dem Fokus nehmen», sagt Frehner, «denn es hat ganz sicher ein paar komische Typen unter meinen mehr als tausend Freunden, und die soll man nicht sehen.»
Frehner hat eine Grundsatzentscheidung getroffen: Die durchschnittlich fünf Anfragen, die er pro Tag erhält, nimmt er alle an. Er will niemanden beleidigen. Dafür nimmt er in Kauf, auch zwielichtige Gestalten auf seiner Freundesliste zu haben. Gestalten wie Beat Mosimann aus einem Dorf im Solothurner Mittelland beispielsweise. Mosimann ist Betreiber einer Sicherheitsfirma, ist Mitglied der SVP Amtei Bucheggberg-Wasseramt und hat auf seinem Facebook-Profil nationale und lokale SVP-Prominenz versammelt. Zu seinen über 700 Freunden zählen neben Sebastian Frehner Natalie Rickli, Thomas Matter, Pirmin Schwander, Toni Brunner, Christoph Mörgeli, Yvette Estermann, Thomas Fuchs, Joël Thüring, Eduard Rutschmann oder Heinrich Ueberwasser.
«Replikation minimieren»
Diesen Freunden weiss Mosimann etwas zu erzählen. Über «Scheinasylanten», die als «Invasionstruppen» die Schweiz stürmen wollen. Über seine Vision von nach Geschlechtern getrennten «Internierungslagern» für Flüchtlinge, weil das die «Replikation minimiere». Über «stark pigmentierte» Eingebürgerte. Über Türken, die man als «Schädlinge» behandeln solle. Oder über die «Unterwanderung der Finanzwelt durch den Juden».
Er postet diesen rassistischen Müll mit Vorliebe auf seiner Facebook-Seite. Aber auch gerne anderswo. Auf den bekannten News-Portalen, auf Blogs, in irgendwelchen Foren. Und das immer mit seinem vollen Namen, Wohnort und Parteizugehörigkeit.
«Ich vertrete meine persönliche Meinung. Nicht jene der Partei», sagt Mosimann der TagesWoche und verweist während des Gesprächs mehrmals auf die Antirassismusstrafnorm, die er penibel beachte. «Ich formuliere meine Beiträge so, dass es relativ schwer sein dürfte, mich zu belangen.» Dennoch sei er schon öfters gerügt worden für seine Wortwahl, von Facebook-Freunden, nicht von Parteikollegen. In der Amtei-Partei habe man so viel zu tun, da könne man nicht jeden einzelnen Facebook-Beitrag jedes Mitglieds lesen. Was Hans Marti, Präsident der SVP Amtei Bucheggberg-Wasseramt, bestätigt. «Er ist Mitglied bei uns. Aber von seinen Facebook-Aktivitäten ist mir nichts bekannt.»
Ein Leben in Scherben
Ans Licht gebracht hat den Fall von Mosimann ein anonymer Twitterer, der am Dienstag unter dem Pseudonym «svp_leaks» damit begann, systematisch Screenshots von Entgleisungen des Inhabers einer Sicherheitsfirma zu verbreiten (siehe unten).
Die widerlichen Äusserungen des Solothurner SVP-Mannes waren die nahtlose Fortsetzung des Twitter-Skandals vom Beginn der Woche. Nachdem ein Zürcher Quartierpolitiker getwittert hatte «Vielleicht brauchen wir wieder eine Kristallnacht … diesmal für Moscheen», zersprang die Welt des SVP-Mitglieds, der schon früher durch unflätige Äusserungen auf seinem Blog und seinem Twitter-Account aufgefallen war, in tausend Stücke. Job weg, Partei weg, Strafanzeige, Rücktritt aus der Schulpflege und als medialer Höhepunkt die öffentliche Busse während einer live übertragenen Medienkonferenz vom Mittwoch.
Nur einen Tag später wartete die «Wochenzeitung» (WOZ) mit dem nächsten SVP-Mann und der nächsten Entgleisung auf. Bereits vor zwei Wochen hatte die WOZ enthüllt, dass der Thurgauer SVP-Kantonsparlamentarier und Hildebrand-Briefträger Hermann Lei kurzzeitig Inhaber der Internetdomain adolf-hitler.ch gewesen war. Gestern nun zeichnete die Zeitung nach, wie die Inhalte der Seite kurz nach der ersten Enthüllung verändert und in Richtung «Aufklärung» gedreht wurden.
(Rechtsanwalt Herman Lei und Remo Massat, Schlagwort AG, protestierten nach Erscheinen dieses Artikels gegen die Darstellung der TagesWoche: «Hermann Lei war als Gründungsanwalt der Schlagwort AG fäschlicherweise bei Switch als Ansprechperson der Schlagwort AG als Halterin der Webseite www.adolf-hitler.ch eingetragen. Die Webseite beinhaltete seit ihrer Lancierung zudem ausschliesslich aufklärerische Informationen, keinesfalls rechtsradikale Inhalte. Soweit der Artikel in der TagesWoche Gegenteiliges direkt oder indirekt vermittelt und damit Hermann Lei oder Schlagwort AG und deren Verwaltungsrat Remo Massat einem rechtsradikalen Umfeld zuordnet, sind diese Aussagen falsch.»)
Unflätiges via soziale Medien
Eine Woche, drei SVP-Politiker, drei üble Entgleisungen. Es ist wenig erstaunlich, dass in einer nationalkonservativen Partei, die einen Drittel aller Wähler repräsentiert und die am rechten Rand jegliche Splittergruppierungen aufgesogen hat, Mitglieder mit extrem rechtem Gedankentum zu finden sind.
Stillschweigend werden die extremen Elemente ignoriert, laut wird ein Umfeld geschaffen, in dem solche Mitglieder gedeihen und werken können. Wie Beat Mosimann etwa. Übertritt jemand aber offensichtlich eine Grenze wie der Zürcher SVP-Mann mit seinem «Kristallnacht-Tweet», reagiert die Partei immer gleich und immer gleich entschlossen. Mit Ausschluss, der Beteuerung, mit rechtsextremem Gedankengut nichts zu tun zu haben und der Erinnerung daran, dass es die SVP mit ihrer schieren Grösse sei, die im rechten Spektrum eine noch rechtere Partei verhindere.
Das ist kein neuer Diskurs, das Thema begleitet uns seit dem Aufstieg der SVP in den 1990er-Jahren. Das neue Element der drei Beispiele aus dieser Woche ist die veränderte und grössere Öffentlichkeit. Haben einfache SVP-Schulpfleger und SVP-Quartierpolitiker und SVP-Vorstandsbeisitzer früher in der Anonymität des Stammtisches ihre extremen Ansichten zum Besten gegeben, tun sie das jetzt in den sozialen Medien, via Twitter, Facebook oder in Blogs – und damit in aller Öffentlichkeit.
Eine Öffentlichkeit, die Sebastian Frehner mit seinen rigiden Privatsphäreneinstellungen auf Facebook aussen vor lässt. Zu viel Zeit koste es, sich mit allen «Amoks» auseinanderzusetzen. Aber, sagt Frehner, «wenn einer wirklich ein Sauhund ist, dann lösche ich ihn».
Update Freitag, 29.6.12, 19:30 Uhr: Beat Mosimann will laut eigenen Aussagen aus der SVP austreten. Ein Austritt sei ihm von der Partei «nahegelegt» worden, wie er auf seiner Facebook-Seite schreibt (via @svp_leaks)
Update Sonntag, 1.7.12, 09:00 Uhr: Laut «Sonntag» war Beat Mosimann in einem Jahr für eine Kantonsratskandidatur vorgesehen. Die von Mosimann in seinem Abschieds-Post nicht näher definierte «Parteispitze» soll aus Nationalrat Walter Wobmann bestanden habe. Dieser habe ihm, so berichtet der «Sonntag», den Rücktritt nahe gelegt.
Weitere Screenshots von Beat Mosimanns Facebook-Seite (alle via @svp_leaks)
(Bild: Screenshot Facebook (via @svp_leaks))
(Bild: Screenshot Facebook (via @svp_leaks))
(Bild: Screenshot Facebook (via @svp_leaks))
(Bild: Screenshot Facebook (via @svp_leaks))
(Bild: Screenshot Facebook (via @svp_leaks))
Quellen
Das Facebook-Profil von Sebastian Frehner.
Das Facebook-Profil von Beat Mosimann.
Twitter-Profil von @svp_leaks
Die WOZ über den Halter von www.adolf-hitler.ch
Eine Chronologie von «Twittergate» – zusammengestellt vom Journalisten Konrad Weber.
Artikel im «Sonntag»
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 29.06.12
Der Artikel wurde am 9.7.2012 ergänzt um eine Reaktion des Rechtsanwalts und Thurgauer SVP-Kantonsparlamentariers Hermann Lei.
8.8.2014: Auf Wunsch des Betroffenen wurde der Name des Zürcher SVP-Mitglieds entfernt.