Die Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen hat in Bundesbern kaum Befürworter. Die Initianten aus Basel gehen derweil in die Offensive.
Unscheinbar, unaufgeregt, unnachgiebig – so trat Daniel Häni in Erscheinung, als er am Montagabend sein neues Buch vorstellte mit dem Titel: «Was fehlt, wenn alles da ist?» (zusammen mit Philip Kovce als Co-Autor). Häni macht keine Show, kein Theater. Sachlich erklärt er, was ihn bewegt.
Das sind in erster Linie alle Fragen rund um diese Idee, die seit Jahren im Zentrum Basels im «unternehmen mitte» gärt: das bedingungslose Grundeinkommen. Das neue Buch sei als «Nahrung für die Debatte» geschrieben, so Häni.
Der Co-Leiter des «unternehmen mitte» beschäftigt sich seit den 1990er-Jahren mit dem Grundeinkommen, das nun reif sei wie ein Apfel, der vom Baum fällt. Sein neues Werk sei ein «Frage-Buch», er und Kovce werfen darin Fragen auf, die die Leserinnen und Leser anregen sollen. Denn: «Gute Fragen sind die besten Antworten», heisst es auf Seite 10.
«Wer bestimmt, wenn jeder selbst bestimmt?»
Und so beschäftigen sich die beiden weniger mit der Frage, wie das Grundeinkommen konkret aussehen könnte, als vielmehr damit, was die Idee Grundeinkommen für die Menschen bedeutet: «Wer bestimmt, wenn jeder selbst bestimmt?» oder «Wie frei sind wir, wenn wir niemanden mehr zwingen?»
Die Idee des Grundeinkommens ist einfach erklärt: Jede Bürgerin, jeder Bürger erhält einen Beitrag vom Staat, den er oder sie für die Lebensexistenz braucht – ohne jegliche Bedingung. Das Geld kommt nicht auf den Lohn obendrauf, der Beitrag soll einen Teil des Lohns ersetzen. Für die meisten würde sich deshalb finanziell nichts ändern. Diejenigen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen, erhalten in etwa ihren gleichen Lohn, diejenigen, die nicht arbeiten, erhalten den existenzsichernden Teil der Sozialhilfe ohne Auflagen.
Grundeinkommen erst richtig verstehen
Wie das alles finanziert werden soll, haben Ökonomen ausführlich beschrieben. Einige sagen: Es funktioniert. Andere meinen: unmöglich. Häni und Kovce schreiben: «Das Grundeinkommen muss nicht bezahlt, sondern verstanden werden.»
«Die Leute greifen zu schnell zum Taschenrechner», so Häni. Dabei müsse man das Grundeinkommen zuerst richtig verstehen, bevor man konkrete Kalkulationen anstellen könne.
Hirngespinst oder Vision?
In Bundesbern ist Grundeinkommen noch ein Fremdwort. Die meisten Politiker betrachten das Grundeinkommen eher als Hirngespinst denn als Vision. Am Mittwoch und Donnerstag berät der Nationalrat die «Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen», welche Häni mitinitiierte. Die Frage im Parlament wird sein, ob die Initiative dort mehr als zehn Befürworter findet.
Öffentlich bekunden lediglich die Basler SP-Nationalrätin Silvia Schenker und der SP-Nationalrat Cédric Wermuth (AG) Sympathien für die Initiative. Bei der Abstimmung könnten es mehr werden, die der Bevölkerung ein Ja empfehlen. Die Befürworter bleiben im Parlament jedoch krasse Aussenseiter.
In der SP tut sich beim Grundeinkommen derweil ein Graben auf. Gewerkschafter lehnen die Idee ab, da sie das Recht auf Arbeit untergrabe. Ein gewerkschaftliches Ziel ist es denn, Vollbeschäftigung zu erreichen. Und genau von dieser Vorstellung wollen die Grundeinkommen-Befürworter abrücken.
Mehrheit in der SP dagegen
Ein Dauerbrenner unter Politikern ist zudem die Frage, bei welchem Betrag das Grundeinkommen fixiert werden sollte. Die Angst ist gross, dass die Initiative zu einer Senkung der Sozialleistungen führt. Die Mehrheit der SP konzentriert sich deshalb darauf, die Lücken in den Sozialwerken zu schliessen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Silvia Schenker befürwortet das Grundeinkommen, weil sie Defizite im Sozialwesen sieht: «Es gibt Menschen, die keine reelle Chance auf Erwerbsarbeit haben. Diese Menschen haben das Gefühl, sie gehören nicht dazu, weil sich unsere Gesellschaft so stark über Arbeit definiert.»
Wie man mit Menschen umgehen soll, die auf dem Arbeitsmarkt chancenlos sind, darauf habe ihre Partei keine Antwort gefunden. Das Grundeinkommen würde diesen «Fehler» beheben.
Abstimmung im Herbst 2016
Häni sagt, er habe durchaus Verständnis für die Position der SP. Insbesondere deshalb, weil die Linke im Parlament zurzeit in der Minderheit sei und befürchte, bei einer möglichen Ausgestaltung des Grundeinkommens nicht entscheidend mitbestimmen zu können.
Dazu würde es frühestens Ende 2016 kommen, nachdem die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über das bedingungslose Grundeinkommen abgestimmt haben. Denn dann müssten National- und Ständerat nach einem allfälligen Ja den Verfassungstext in Gesetzesform giessen – eine noch umstrittenere Debatte als jetzt wäre programmiert.
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Die Debatte im Nationalrat war zwar lang, der Ausgang allerdings deutlich: Nur 14 Nationalräte unterstützen die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen