Die Juso und Daniel Vasella: eine Liebesgeschichte

Den grössten Erfolg können die Juso bereits vor der Abstimmung über die 1:12-Initiative im November feiern: Sie werden von ihren Gegnern plötzlich ernst genommen. Danken dürfen sie Daniel Vasella.

Der Chef gibt Rückenwind. (Bild: Livio Marc Stöckli)

Den grössten Erfolg können die Juso bereits vor der Abstimmung über die 1:12-Initiative im November feiern: Sie werden von ihren Gegnern plötzlich ernst genommen. Danken dürfen sie Daniel Vasella.

Es dauerte keinen halben Tag, bis die Zentrale reagiert hatte: «Daniel Vasellas neuer, bescheidener Lohn für seine Beratung bei Novartis: 3125.- (pro Stunde).» Die Website aufgehübscht, eine Medienmitteilung verschickt («Die Abzockerei hat eine neue Eskalationsstufe erreicht») und schon ist man Thema eines Leitartikels in der NZZ – mit dem geringstmöglichen Aufwand holten die Jungsozialisten aus der Meldung von Novartis, dass ihr ehemaliger CEO Daniel Vasella pro Beratertag 25’000 Dollar erhält, den grösstmöglichen Ertrag heraus.

Die Juso haben sich im Verlauf der vergangenen Jahre richtiggehend auf Vasella eingeschossen: Sie lieferten sich mit dem ehemaligen Novartis-Verwaltungsratspräsident einen Gerichtsprozess, besuchten ihn vor seinem Wegzug in die USA in seinem Haus in Risch (ZG), und warfen bei der letzten Generalversammlung von Novartis mit Vasella-Masken verkleidet falsche Nötli ins Publikum. Das Medienecho war jeweils gross. Das ist nichts Neues für die Juso: Schon immer hatte die Jungpartei ein Gespür für die Funktionsweise der Medien – und vor allem für jene der grossen Gratismedien, wie der ehemalige Juso-Präsident Cédric Wermuth bei früheren Gelegenheiten offen zugab.

Es bleibt nicht bei Schlagzeilen

Dennoch hat der Wirbel rund um die 1:12-Initiative eine neue Komponente: Für einmal bleibt es nicht bei Schlagzeilen. Für einmal vertreten die Juso nicht ein Minderheitenanliegen, sondern eine Vorlage, die erstens realistische Chancen hat, von der Bevölkerung angenommen zu werden und die zweitens das Potenzial besitzt, den Wirtschaftsstandort Schweiz ziemlich durcheinander zu wirbeln. Entsprechend ernst reagiert die Gegenseite: Schon jetzt melden sich verschiedenste Manager, um vor den Gefahren der Initiative zu warnen; bei der Beratung im Ständerat wurden dunkle Bedrohungsszenarien gemalt und bei der Economiesuisse wurde gar die Führungsetage ausgetauscht: Ein erneutes Debakel wie bei der Abzocker-Initiative soll unbedingt verhindert werden.

Profiteure der Aufregung sind die Juso: In den letzten zwei Jahren verzeichnete die Partei ein Mitgliederzuwachs von knapp 30 Prozent (Heute sind es 3500 Mitglieder) und allein in den letzten zwei Monaten haben sich laut Juso-Präsident David Roth 1000 Freiwillige von ausserhalb der Partei gemeldet, die sich aktiv bei der Kampagne im Spätherbst beteiligen möchten. «Es ist ganz einfach: Wir müssen in unserem Land darüber reden, ob das Volk der Wirtschaft Regeln machen darf», sagt Roth.

Bei den anderen Jungparteien ist die Lage nicht gleich rosig: «Es ist in der Tat so: Der Zeitgeist und die aktuelle Strömung spielen den Juso momentan in die Hände. Es ist keine gute Zeit für liberale Ideen», sagt Maurus Zeier, Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz. Zeier kann den Wirbel um das Beraterhonorar von Vasella nicht nachvollziehen. «Novartis ist ein privates Unternehmen. Den Staat hat nicht zu interessieren, wieviel das Unternehmen seinen Mitarbeitern bezahlt.» Im Moment herrsche in der Bevölkerung eine allgemeine Stimmung, die Vorhaben wie die Abzocker-Initiative oder die 1:12-Initiative ermögliche. «Wir kämpfen gegen diesen Konsens an», sagt Zeier, «es darf nicht sein, dass aus kurzfristigen Stimmungen langfristige Schäden entstehen.»

Ein erster Sieg für die Bürgerlichen

Unterstützt werden Zeier und seine zwischen 3000 und 4000 Jungfreisinnigen (eine genaue Zählung existiert nicht) von der jungen SVP, der grössten Jugendpartei der Schweiz mit 6500 Mitgliedern. Bei der Gegenkampagne im Herbst liegt der Lead bei der SVP, die Jungpartei werde dabei aber kräftig mithelfen, sagt deren Präsident Erich Hess und tönt dabei sehr ähnlich wie der Jungfreisinnige Zeier: «Den Staat geht es nichts an, wieviel Geld die Firmen ihren Mitarbeitern zahlen.»

Einen ersten Sieg hat die bürgerliche Seite bereits vor der Abstimmung errungen. Nicht ganz unerwartet hat der Bundesrat den Abstimmungstermin von 1:12 vom September auf den November dieses Jahres verschoben. Es soll möglichst viel Zeit zwischen der Annahme der Abzocker-Initiative und der Juso-Vorlage liegen. Im Moment kümmert das die Juso allerdings wenig: Solange die Empörungsmaschinerie von der Wirtschaft selber in Gang gehalten wird, haben die jungen Linken kein Problem.

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