Die Juso verlieren gegen Luther, Adam Smith und die Milchkühe unserer Bauern

Grosse Worte im Ständerat. Und ein klares Ergebnis. Die 1:12-Initiative der Juso rasselt durch. Nun ist die Bevölkerung am Zug.

Da jubelten sie noch. Die Juso bei der Einreichung ihrer 1:12-Initiative. Im Parlament fand die Idee der Jungsozialisten kein Gehör. (Bild: Keystone)

Grosse Worte im Ständerat. Und ein klares Ergebnis. Die 1:12-Initiative der Juso rasselt durch. Nun ist die Bevölkerung am Zug.

Einen hab ich noch!

Wir gestehen es neidlos: Diese Damen und Herren Ständeräte sind ziemlich belesen. Oder kennen sich mindestens bestens aus mit den gängigen Seiten im Internet (diese beispielsweise, oder auch jene). Auf jeden Fall glich die Beratung der 1:12-Initiative der Juso über weite Strecken eher einer Vortragsreihe besonders beflissener Studenten der Ökonomie als einer Debatte unter Parlamentariern. Karin Keller-Sutter (FDP, SG) beispielsweise hat beim Aufräumen übers Wochenende zufällig ein Buch von Adam Smith in die Hände bekommen, woraus sie natürlich zitieren musste. Pirmin Bischof (CVP, SO) hielt sich an Thomas von Aquin, Martin Luthers Sendbrief an die Kaufleute von 1524, die Kapitalismus-Theorie von Max Weber und garnierte das ganze mit etwas Calvin. Anita Fetz (SP, BS) hatte Marion Gräfin Dönhoff und Joseph Schumpeter im Angebot («Der Kapitalismus ist eine gute Gesellschaftsform, aber er neigt dazu, sich zu zerstören»), Paul Rechsteiner (SP, SG) die beiden Nobelpreisgewinner Joe Stiglitz und Paul Krugman und Roberto Zanetti (SP, SO) schliesslich den «Pater Föhn» (womit er seinen Ratskollegen Peter Föhn meinte).

In all dieser Zitatehuberei war ein Votum wie jenes von Pankraz Freitag (FDP, GL) schon fast so etwas wie eine Wohltat: Man solle doch aufhören, auf den Unternehmen der Schweiz so herumzuhacken, sagte Freitag. Das würde ein Bauer auch nicht mit seinen Kühen machen – sonst würden die schon lange keine Milch mehr geben.

Ja, die Debatte war intensiv. Und sie stand unter speziellen Vorzeichen. Nach dem Ja zur Abzocker-Initiative hat der Vorschlag der Juso, die Gehälter in Schweizer Firmen in einem Verhältnis von 1:12 zu regeln (der Chef darf nur 12 Mal mehr verdienen als sein günstigster Mitarbeiter), plötzlich Chancen in der Bevölkerung. Viele bürgerliche Votanten wiesen denn auch auf die veränderten Voraussetzungen hin – gingen aber nicht weiter darauf ein. Das gängigste Argument: Bei der Abzocker-Initiative würden die Eigentümer (die Aktionäre) über den Lohn bestimmen, bei der 1:12-Initiative sei es der Staat. Was für die bürgerlichen Ständeräte ein viel zu grosser Eingriff in das Wirtschaftssystem bedeuten würde. Die 1:12-Initiative sei …

  • schädlich für den Schweizer Werkplatz.
  • würde Unternehmen aus der Schweiz vertreiben.
  • gefährde die liberale Wirtschaftsordnung und damit das Erfolgsmodell Schweiz. 

Auf der Gegenseite wurde intensiver versucht, die veränderten Vorzeichen in der Bevölkerung nach dem Ja zur Abzocker-Initiative hervorzustreichen. Die Argumente von SP und Grünen:

  • Bis in die 90er-Jahre habe in allen Firmen das Lohnverhältnis von 1:12 bestanden.
  • Bei einem Mindestlohn von 4000 Franken betrage das höchste Gehalt (inklusive 13. Monatslohn) über 600’000 Franken – was mehr als genug sei.
  • Die soziale Gerechtigkeit könne mit der Initiative hergestellt werden.
  • Eine extreme Einkommenskonzentration sei schlecht für den sozialen Zusammenhalt und die Demokratie.

Minder ist dagegen

Mit Spannung war das Votum von Thomas Minder erwartet worden. Der geistige Vater der Abzocker-Initiative hatte vor der Debatte angeregt, der 1:12-Initiative einen indirekten Gegenvorschlag entgegenzustellen. Um das an diesem Vormittag immer wieder beschworene «Gefühl» in der Bevölkerung aufzunehmen, jenes Gefühl, das der Abzocker-Initiative von Minder einen Ja-Anteil von beinahe 68 Prozent eingebracht hatte. Aber von einem Gegenvorschlag wollten weder Bundesrat noch die beiden Kammern etwas wissen – was Minder in seinem Votum bedauerte. Dennoch sei er gegen die Initiative. Minder ist die Verhältnis 1:12 zu starr. Wichtiger noch: Die Initiative der Juso lasse zu viele Hintertüren offen. Firmen könnten ohne Weiteres ihre günstigsten Arbeitskräfte auslagern oder die teuersten Manager über ein Konto im Ausland laufen lassen. «So formuliert nützt die Initiative wenig.»

Und damit war es endgültig gelaufen. Bundesrat Johann Schneider-Ammann begründete zum Schluss noch einmal wortreich (und in grösseren Teilen unzusammenhängend, dafür ohne Zitat eines berühmten Ökonomen), warum die Initiative dem Werkplatz schade, Ständeratspräsident Filippo Lombardi schritt zur Abstimmung und der Ständerat versenkte die 1:12-Initiative im ersten Anlauf und ohne Abstimmungswiederholung mit 26 zu 10 Stimmen bei zwei Enthaltungen (von Seiten der Grünliberalen).

Der Nationalrat hatte die Initiative bereits im letzten Jahr mit 110 zu 59 Stimmen abgelehnt. Damit ist nun die Bevölkerung am Zug. Im Herbst wird darüber abgestimmt.

Nächster Artikel