Die Kandidaten im Fokus: Stabilität gegen Freiheit und Menschenrechte

Mit Ex-Armeechef Sisi und dem Vertreter des linken Volkstrends Sabahi treten nur zwei Kandidaten um das Amt des ägyptischen Präsidenten an. Sisi steht für Sicherheit und Stabilität. Sein Kontrahent kämpft für einen zivilen Staat und hat sich den Forderungen der Revolution von 2011 verschrieben. Eine Analyse.

Ägypten hat bis einschliesslich 28. Mai einen neuen Präsidenten gewählt – einen Tag länger als geplant, um die tiefe Wahlbeteiligung zu erhöhen. (Bild: ABDALLAH DALSH)

Mit Ex-Armeechef Sisi und dem Vertreter des linken Volkstrends Sabahi treten nur zwei Kandidaten um das Amt des ägyptischen Präsidenten an. Sisi, Ende Mai hoher Favorit, steht für Sicherheit und Stabilität. Sein Kontrahent kämpft für einen zivilen Staat und hat sich den Forderungen der Revolution von 2011 verschrieben.

Feldmarschall Abdelfattah al-Sisi brauche gar kein Wahlprogramm, weil er dem Ruf des Volkes gefolgt sei, um das Land aus der Krise zu führen, hatte einer der bekanntesten Journalisten Ägyptens kürzlich festgellt. Vor dem Urnengang vom 26. und 27. Mai hat Sisi tatsächlich noch keine geschriebene Plattform vorgelegt. In zwei grossen TV-Interviews liess er sich von den Moderatoren seine Positionen zu den verschiedensten Themen abfragen. Ein klares, politisches Profil war dabei nicht ersichtlich.

Der ehemalige Armeechef und Verteidigungsminister, der «Staatskandidat», wie ihn der Politologe Amr al-Shobaki bezeichnete, hat keine politische Gruppierung hinter sich und will für alle gesellschaftlichen Strömungen wählbar sein will, weshalb viele seiner Positionen vage bleiben müssen. Mehr als deutlich war seine Haltung gegenüber den Muslimbrüdern, auf deren Entmachtung mit dem Sturz von Präsident Mohammed Morsi im vergangenen Sommer, seine Popularität massgeblich beruht. In seiner Amtszeit werde es keinen Platz für die Muslimbrüder geben, erklärte er kategorisch.



A volunteer leaves the headquarters of former Egyptian army chief Abdel Fattah al-Sisi near his poster in El Gamaliya district, where he spent his childhood, in the old Islamic area of Cairo May 9, 2014. As the Egyptian state presses its crackdown on the

Hat sich einen neuen Hut aufgesetzt: Der ehemalige Armeechef Sisi tritt nun staatsmännisch auf. (Bild: AMR ABDALLAH DALSH)

Keine Gnade für Muslimbrüder

In diesem Punkt wollte ihm Herausforderer Hamdin Sabahi nicht nachstehen. Der Politprofi und Mann der Revolution kündigte an, das Verbot gegen die Muslimbrüder aufrecht zu erhalten. Sie würden als politische Organisation und als Partei nicht weiterbestehen. Sabahi verwies dabei auf die neue Verfassung, die Parteien auf religiöser Basis verbietet. Er versprach aber auch, es werde keine Jagd auf friedliche Islamisten geben.

Egypt's leftist presidential candidate Hamdeen Sabahi shakes hands with supporters before a rally in Banha, northwest of Cairo May 7, 2014. Egyptians will vote in presidential elections on May 26 and 27.  REUTERS/Mohamed Abd El Ghany (EGYPT - Tags: POLITI

Die Ideen des legendären Präsidenten der 1950er- und 1960er-Jahren, der das Land unter staatlichem Diktat – sozialistisch und säkular geprägt – entwickelte und modernisierte, scheinen auch bei Sisi durch. Soziale Aspekte spielen eine grosse Rolle und auch er setzt vor allem auf einen starken Staat, wenn er verspricht, die Probleme Ägyptens innerhalb von zwei Jahren zu lösen. Er baut darauf, dass er seinen Erfolg aus der Armee auf dem Gebiet der öffentlichen Vorhaben auch auf andere Bereiche übertragen kann und dabei die Unterstützung von Ägyptern im Ausland und von befreundeten Staaten erhält, um mit mehr Investitionen zu helfen, Stabilität und Sicherheit wieder herzustellen. Sabahi will die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben forcieren, um die Wirtschaft in Gang zu bringen und dringend benötigte, neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Die Diskussion um die Aussenpolitik wird von zwei Themen beherrscht. Die Stellung zu Amerika und Israel sowie die Haltung zum umstrittenen Nil-Staudamm, den Äthiopien gegenwärtig baut . Sabahi hatte die Camp David-Verträge immer abgelehnt; verspricht aber jetzt, alle internationalen Verträge einzuhalten, wenn er Präsident werden sollte. Auch mit amerikanischer Militärhilfe erklärt er sich einverstanden, zivile amerikanische Entwicklungshilfe lehnt er dagegen ab. Mit Äthiopien setzt er wie Sisi auf eine diplomatische Lösung. Der verspricht sogar nach Israel zu reisen, wenn die israelische Regierung Zugeständnisse zur Lösung des Palästinenserkonfliktes machen sollte.

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