Die Königs-Frage

In diesen Tagen wurde die Debatte über die Monarchie wieder akut. Ist sie überflüssig? Nicht unbedingt.

Mit oder ohne Krone? Nach der überraschenden Abdankung von Juan Carlos I. haben in über 60 spanischen Städten Tausende Menschen die Abschaffung der Monarchie gefordert. (Bild: Susana Vera/Reuters)

In diesen Tagen wurde die Debatte über die Monarchie wieder akut. Ist sie überflüssig? Nicht unbedingt.

Braucht es noch einen König? ­Diese Frage raubte in den vergangenen Tagen vielen Spa­nierinnen und Spaniern den Schlaf. Und sie wurde europaweit in vielen Medien diskutiert. Auch in Ländern, die keinen Monarchen haben – wie etwa in der Schweiz.

Gut, wir hatten im fernen Mittelalter Ludwig Pfyffer, den «Söldnerkönig». Oder ­später Alfred Escher, den «Eisenbahn­könig». Wir küren alle drei Jahre einen Schwingerkönig – und vielleicht im WM-Jahr 2014 ein paar Fussballkönige. Auch wir Mitglieder der «ältesten Demokratie der Welt» sind vom Königtum angetan – allerdings nur solange es uns im Alltag nicht direkt betrifft.

Als die britische Königin Elisabeth II. 1980 in die Grün 80 nach Basel kam, eine nach ihr benannten Rose taufte und schliesslich noch der Rütliwiese einen Besuch abstattete, brachte das viele, sonst eher bodenständige Eidgenossen ziemlich aus dem Häuschen.

Demokratische Reflexe

Weniger euphorisiert uns, wenn die mittlerweile dienstälteste Monarchin mit ihren 88 Jahren mit der dänischen Kollegin Margrethe II., dem norwegischen Kollegen Harald V. sowie normalen Staatschefs die «Omaha Beach» in der Normandie besucht, um des 70. Jahrestags des D-Days zu gedenken. Und schon gar nicht interessiert uns, wenn die Frage der Weiterführung oder Abschaffung der Monarchie im Lande der Briten einmal mehr besonders lebhaft diskutiert wird.

Mit der überraschenden Abdankung von Juan Carlos I. ist diese Frage nun aber in Spanien zum Tagesthema geworden – und sie wird viel emotionaler geführt, als wir es uns im Norden gewöhnt sind. In über 60 spanischen Städten strömten in den vergangenen Tagen Tausende von Menschen zusammen, um die Abschaffung der Monarchie zu fordern. In Madrid, dem Hort der «königtreuen» Spanier, sollen es bis zu 20’000 Menschen gewesen sein.

Auch die spanischen Sozialisten sind für den Erhalt des Königshauses.

Eine ernsthafte Infragestellung der royalistischen Besetzung der spanischen Staatsspitze ist dies freilich nicht. Auch wenn sogar  konservative europäische Zeitungen die Monarchie-Frage durchaus kritisch kommentiert haben. Etwa auch die NZZ, in der dieser erstaunliche Satz zu lesen war: «Fast alle Könige und Königinnen der Welt sind vollkommen überflüssig» – um danach freilich anzumerken, dass der 1975 ins Amt gekommene König aus dem Haus der Bourbonen viel Sinnvolles für das Land getan habe.

Dieser Meinung ist auch das spanische Parlament, das am 11. Juni mit 299 zu 19 Stimmen (bei 23 Enthaltungen) die Verfassung derart «modernisiert» hat, dass auch unter heutigen Verhältnissen eine dynastische Nachfolge rechtens ist. Dass die Konservativen die Monarchie unterstützen, ergibt sich aus deren Grundeinstellung. Erstaunen mag jedoch, dass auch die spanischen Sozialisten deutlich für den Erhalt des Königshauses sind.

Monarchie als Job, der zu erledigen ist

Das Undemokratischste an Thronfolgen ist: Man kann nicht – wie beispielsweise in Frankreich direkt oder in Deutschland indirekt – wählen und mitentscheiden, wer Staatschef sein soll. Ansonsten sind die heutigen konstitutionellen Monarchien voll ausgebaute Demokratien. Auch in Spanien steht den Antiroyalisten, wenigstens theoretisch, ein demokratisches Instrumentarium zur Abschaffung der Monarchie zur Verfügung. Sie könnten eine solche Forderung einbringen, Regierung und Parlament müssen jedoch zustimmen, dass ein vom König (!) ausgerufenes Referendum über die Abschaffung des Königtums abgehalten werden kann.

Dass auch ohne politische Referenden immer wieder Debatten über die Weiterführung oder Abschaffung der Monarchie geführt werden, liegt in der Natur der Sache. Das Hauptargument lautet meistens, dass die Monarchie «unzeitgemäss» sei. Und als Nebenargument wird ins Feld geführt, dass das Königtum zu teuer sei. Möglicherweise ist das Kostenbewusstsein gegenüber Königshäusern höher entwickelt als im Fall von bürgerlichen Präsidentschaften (man denke nur daran, was der Staatsbetrieb des kleinen «roi soleil» Nicolas Sarkosy im Pariser Elysée gekostet hat).

Wenn unter «unzeitgemäss» verstanden wird, dass ein auf Privilegien und Exklusivität beruhendes Regime nicht mehr den Haltungen moderner und aufgeklärter Menschen entspricht, dann muss man festhalten, dass dem – ob leider oder erfreulicherweise – nicht so ist. Wie im Privatleben eine Zunahme an Ritualisierungs- und Festfreudigkeit zu beobachten ist, nimmt auch in der Welt der Politik der Hang zu symbolischer Repräsentation zu – von den Papstbesuchen bis hin zu den G-7- oder EU-28-Treffen. Da passen Könige einfach ganz gut hinein. Das Monarchische wird allerdings nicht bedingungslos gutgeheissen, wird doch erwartet, dass der Monarch oder die Monarchin «gut» ist, das heisst, dass er/sie die als «Job» verstandene Funktion gut erfüllt.

Das Königshaus hat die Funktion, das Klatschbedürfnis von der Regierung abzulenken.

Bezeichnend ist das in der jüngsten Debatte gefallene Diktum, dass der künftige König nach der formellen Zustimmung des Parlaments auch noch die informelle Zuneigung des Volkes brauche, wie der alte König sich diese ja auch zuerst habe erwerben müssen. Interessant ist auch der Fingerzeig, dass die Differenz zwischen den «Blaublütlern» und den «Normalsterblichen» (die ja auf jeden Fall erhalten bleiben muss) geringer geworden sei. Oder das inzwischen tolerierte (moderne) Heiratsverhalten mancher Monarchen: In Norwegen durfte eine bürgerliche alleinerziehende Mutter, selbst ein Scheidungskind, königliche Landesmutter werden; die schwedische Thronfolgerin Viktoria heiratete ihren bürgerlichen Fitnesstrainer, und der spanische Felipe ehelichte eine bürgerliche geschiedene Fernsehjournalistin.

Neben der verlangten unbedingten Seriosität des jeweiligen königlichen Oberhaupts dürfen, ja sollen sich die übrigen Mitglieder der bunten royalistischen Internationale durchaus ein wenig skandalös (also normal) verhalten. Das sorgt für Unterhaltung. Selbst unter republikanisch gesinnten Briten kursiert das Bonmot, dass Windsors & Co. die wichtige Funktion hätten, das ewig bestehende Klatschbedürfnis der Bevölkerung von der Regierung, also von der eigentlichen Politik, abzulenken.

Das königliche Pflichtenheft

Geht man davon aus, dass Repräsentation im Inland und Präsenz im Ausland wichtige Aufgaben sind, dann sind die monarchischen Figuren daran zu messen, wie sie das machen. Hier macht Spaniens Felipe eine Topfigur. In der spanischen Presse wurde der Leserschaft vorgerechnet, dass der künftige König allein 2012 insgesamt 253 offizielle Termine absolviert habe, davon 96 im Ausland – alles in allem also fast doppelt so viele wie der noch amtierende König in der gleichen Zeit. Im Zürcher «Tages-Anzeiger» fanden sich ähnliche Angaben, aber in Gesamtzahlen: 1516 offizielle Anlässe, 679 Reden, 73 Auslandbesuche – dies, um zu zeigen, dass der «Infant» bestens auf seinen Job vorbereitet sei.

Und König Juan Carlos I.? Über ihn sagt man, dass er nach der Franco-Diktatur in der Phase der «Transición» das Land in die Demokratie überführt und damit eine historische Leistung erbracht habe. Auch beim Operetten-Putsch von ein paar Offizieren im Jahr 1981 habe er mit seinem klaren Bekenntnis zur Demokratie dem Land einen wichtigen Dienst erwiesen. Weniger gut spielte er seine Rolle in den jüngsten Jahren der Wirtschaftskrise, wo er vor allem mit seiner «Elefanten-Safari» und angeblichen Liebschaften Schlagzeilen machte.

Jetzt sei Zeit für einen Wechsel, meinen Spaniens Meinungsmacher, Zeit für eine neue «Transición». Erwartet wird, dass der neue König den nationalen Zusammenhalt stärkt. Dafür gibt es einigen Bedarf angesichts der riesigen wirtschaftlichen Probleme und Autonomiebewegungen, die Spanien zu zerreissen drohen.

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