Die Krise könnte sich bald wieder verschärfen – Präsident Tsipras ist unter Druck

Keine drei Monate nach seiner Wiederwahl steckt der griechische Premier bereits wieder in grossen Schwierigkeiten. Mit der Umsetzung der Reformen ist er weit im Rückstand, seine Mehrheit bröckelt.

Alexis Tsipras braucht Hilfe. Seine Mehrheit im Parlament bröckelt, die versprochenen Änderungen in Griechenland werden entsprechend schwierig.

(Bild: ALKIS KONSTANTINIDIS)

Keine drei Monate nach seiner unerwartet klaren Wiederwahl steckt der griechische Premier Alexis Tsipras schon wieder in grossen Schwierigkeiten. Den Sparhaushalt 2016 hat die Regierung zwar am vergangenen Sonntag durchs Parlament gebracht. Aber zurücklehnen kann sich Tsipras nicht.

Die parlamentarische Mehrheit der Koalition, die er Ende September mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen erneuerte, ist auf 153 der 300 Parlamentsmandate geschrumpft. Das ist kein üppiges Polster, wenn man an die schwierigen Abstimmungen denkt, die in nächster Zeit anstehen.

Bis Ende dieser Woche soll das Parlament ein weiteres, innerhalb der Regierungsparteien umstrittenes Reformpaket verabschieden. Spätestens Mitte Januar kommt es für Tsipras zum Schwur: Dann muss die immer wieder aufgeschobene Rentenreform durchs Parlament. Ob der Premier dafür in der eigenen Koalition eine Mehrheit findet, ist fraglich.

Neue Gelder bewilligt, ohne das Bedingungen erfüllt waren

Weiter verzögern kann Tsipras die Sanierung der desolaten Rentenfinanzen nicht. Ohnehin ist er mit den Reformschritten, die Griechenland im vergangenen Sommer als Gegenleistung für die neuen Milliardenkredite versprechen musste, weit in Rückstand geraten. Die erste Überprüfung durch die Vertreter der Geldgeber sollte eigentlich bereits im Oktober abgeschlossen sein. Dazu kam es nicht, weil Tsipras Ende September Neuwahlen veranstaltete. Dann war von November, später von Dezember die Rede. Inzwischen geht man in Brüssel davon aus, dass die Prüfung erst im Februar abgeschlossen werden kann.

Die an dem Rettungsprogramm beteiligten Institutionen – die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank, der Internationale Währungsfonds IWF und der Euro-Stabilitätsmechanismus ESM, der die Hilfskredite bereitstellt – haben bisher eine erstaunliche Langmut an den Tag gelegt. Die Milliarden für die Rekapitalisierung der griechischen Banken wurden bewilligt, obwohl die Athener Regierung längst nicht alle vereinbarten Bedingungen erfüllt hatte.

Die Entwicklung sieht nach gezielter Obstruktion aus

Aber jetzt wird es eng. Es hakt bei einigen wichtigen Reformen. Die Gründe für die Verzögerungen liegen teils in mangelnder Kompetenz der beteiligten Minister und ihrer Stäbe, teils in politischen Widerständen. Man erinnere sich: Tsipras hatte schon bei der Einigung auf das Rettungspaket im Sommer erklärt, die Geldgeber hätten ihm ein Programm aufgezwungen, an das er nicht glaube.

Beispiel Privatisierungen: Die versprochene Reform der griechischen Treuhandbehörde kommt nicht voran, weil das Thema Privatisierungen dem Linksbündnis Syriza ideologisch völlig gegen den Strich geht. Unter immer neuen Vorwänden verschleppt die Regierung auch die Privatisierung der Hafengesellschaft von Piräus. Das sieht nach gezielter Obstruktion aus.

Die verpasste Chance nach den Neuwahlen

Offenbar setzt Tsipras darauf, dass die Geldgeber weiterhin fünf gerade sein lassen. Der desolate Zustand der Opposition bestärkt ihn ausserdem in dem Selbstbewusstsein, dass es keine Alternative zu seiner Regierung gibt. Aber das ist ein Spiel mit dem Feuer. Denn wenn im Februar die Prüfung nicht abgeschlossen ist und die nächste Rate der Hilfskredite nicht ausgezahlt werden kann, könnte Griechenland schon im März wieder in akute Zahlungsschwierigkeiten geraten.

Die Zeit drängt auch aus einem anderen Grund. Erst wenn die Inspekteure grünes Licht geben, können die Verhandlungen über Schuldenerleichterungen beginnen. Und die wiederum sind Voraussetzung für eine weitere Teilnahme des IWF an der Griechenlandrettung. Die Zahlungen des IWF aus dem vorangegangenen Programm laufen im März aus. Verabschiedet sich der Fonds danach aus Griechenland, wäre es in Ländern wie Deutschland und Finnland sehr schwierig, eine weitere Fortsetzung des Hilfsprogramms politisch zu rechtfertigen – zumal vor dem Hintergrund der ständigen Verzögerungen in Athen.

Die Chance, seine Regierung nach den Neuwahlen vom September auf eine breitere parlamentarische Basis zu stellen und so die Reformen zu beschleunigen, hat Tsipras leider nicht genutzt. Auch deshalb könnte die Griechenlandkrise in den nächsten Wochen neu aufbrechen.

Nächster Artikel