Die Schlacht ist geschlagen und Rot-Grün hat sie verloren: Die Bürgerlichen haben mit Unterstützung der Mitte-Parteien den Zugang zum Schweizer Bürgerrecht erschwert.
Entscheidend waren die Tennis-Freunde von Markus Lehmann. Der Basler CVP-Nationalrat trifft sich jeden Samstag zum gepflegten Tennis-Plausch mit Bekannten aus verschiedenen regionalen KMU. «Sie sollten mal hören, was die mir da erzählen», sagte Lehmann am Dienstag. «An der Basis herrscht ein grosser Unmut, was die Ausländer betrifft. Darauf müssen wir reagieren.»
Die Schlacht für Rot-Grün war schon vor der gut siebenstündigen Debatte verloren. Denn bereits nach der Beratung der Staatspolitischen Kommission war klar, dass sich die Mitte-Parteien an Leuten wie den Tennis-Freunden von Markus Lehmann orientieren und sämtlichen Verschärfungen im revidierten Bürgerrechtsgesetz zustimmen würden.
Verschärfungen sind en vogue
Und genau so kam es. Abgesehen von ein paar der extremeren Ideen der SVP (die Offenlegung der Religionszugehörigkeit beispielsweise oder die Einbürgerung auf Probe) verabschiedete der Nationalrat exakt jene Verschärfungen, die sich die bürgerliche Mehrheit in der Staatspolitischen Kommission ausgedacht hatte. Der Grund? Man kann es simpel und böse sagen: Verschärfungen jeglicher Art sind in der Ausländerpolitik sehr en vogue. Wir hatten das Minarett-Verbot, wir hatten die Asyl-Debatte und jetzt haben wir ein neues Bürgerrecht, das nach Berechnungen der Eidgenössischen Kommission für Migrationsfragen bis zu 5500 Einbürgerungen pro Jahr verhindert.
Die entscheidenden Verschärfungen im Detail:
- Neu braucht es eine Niederlassungsbewilligung (C-Ausweis), um ein Einbürgerungsgesuch zu stellen.
- Ein Gesuchsteller muss mindestens zehn Jahre in der Schweiz gelebt haben.
- Die Zeit als vorläufig Aufgenommener (F-Ausweis) wird bei einem Gesuch nicht mehr angerechnet.
- Die doppelte Anrechenbarkeit der Jahre als ausländischer Jugendlicher (zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr) fällt künftig weg.
- Ausländer in eingetragenen Partnerschaften dürfen nicht von einer erleichterten Einbürgerung profitieren.
Die Detailberatung verlief sachlich – auch weil die Resultate erwartbar waren. Die ideologische Auseinandersetzung fand in der Eintretensdebatte am Mittwochmorgen statt. Balthasar Glättli (Grüne, ZH) bezeichnete die «Schweizermacherei» und die Suche nach dem «richtigen Schweizer» als absurd. Er fühle sich an das 19. Jahrhundert erinnert und an die damalige Losung: «Die Juden sind unser Unglück». Heute heisse das Motto: «Die Fremden sind unser Unglück.» Das liess die SVP natürlich nicht auf sich sitzen, empfahl Glättli (in der Person von Hans Fehr) ein paar Geschichtsstunden und warnte ihrerseits vor «Masseneinbürgerungen» und der «Helvetisierung» von kriminellen Ausländern.
Symbolpolitik
Bundesrätin Simonetta Sommaruga versuchte die Wogen zu glätten und die Debatte auf eine sachlichere Ebene zu bringen. Für die Linke sei der Schweizer Pass ein Symbol für die weltoffene und solidarische Schweiz. Für die Rechte sei der Schweizer Pass ein Symbol für den Zugang zu einem Privileg. Und dieser Zugang solle möglichst wenigen ermöglicht werden. Beide Herangehensweisen seien falsch: «Der Bundesrat ist der Meinung, dass sich das Bürgerrecht nicht für Symbolpolitik eignet.»
Sommaruga musste im Verlauf des Tages beobachten, dass sich das Bürgerrecht sehr wohl für Symbolpolitik eignet. Die Justizministerin wehrte sich gegen die Abschaffung der doppelten Anrechenbarkeit der Aufenthaltsdauer für Jugendliche («Da treffen Sie die Falschen») und gegen die Abschaffung der Anrechenbarkeit der Jahre als Ausländer mit F-Ausweis («Da sind Sie nicht konsequent.»). Vergeblich.
Die Tennis-Freunde von Markus Lehmann werden am heutigen Tag ihre Freude gehabt haben. Das Geschäft geht nun an den Ständerat, in der Schlussabstimmung wird sich die SVP der Stimme enthalten (weil die Verschärfungen zu wenig weit gehen), ein Referendum von linker Seite ist gewiss, die Ausländerdebatte bleibt uns erhalten.
Wir haben in einem Liveblog über die Debatte berichtet.