Die Medien machen es sich zu leicht mit Pegida

Unser Autor hat sich die Plakate der islamkritischen Pegida-Bewegung genau angesehen. Er kommt zum Schluss: Die Medien transportieren Stimmungen statt Fakten. Und das «Charlie Hebdo»-Attentat heizt die Stimmung weiter auf.

Participants hold a banner during a demonstration called by anti-immigration group PEGIDA, a German abbreviation for "Patriotic Europeans against the Islamization of the West", in Dresden December 22, 2014. Several thousands opponents of Germany's policy towards asylum seekers and Islam are expected to attend the protest in the eastern German town on Monday. The text reads: 'No more lies to us anymore! We are the people!' REUTERS/Hannibal Hanschke (GERMANY - Tags: CIVIL UNREST POLITICS) (Bild: Reuters/Hannibal Hanschke)

Unser Autor hat sich die Plakate der «Patrioten Europas gegen Islamisierung des Abendlandes» (Pegida) genau angesehen. Er kommt zum Schluss: Die Medien machen es sich zu einfach. Sie transportieren Stimmungen statt Fakten. Und das «Charlie Hebdo»-Attentat heizt die Stimmung weiter auf.

Diese Analyse enthält vier Teile, Sie können direkt zu einzelnen Teilen springen. Die Lesezeit des gesamten Artikels beträgt rund 15 Minuten: I – Was auf den Plakaten steht / II – Schlüsse aus den Aussagen / III – Was Pegida fordert / IV – Muss man das ernst nehmen? / V – Nachtrag – Der Anschlag auf «Charlie Hebdo»

I

Das Grossplakat, in Dresden jeweils am Montagabend als «Motto» den Pegida-Demonstrationszügen vorangetragen, lautet wie folgt: GEWALTFREI UND VEREINT GEGEN GLAUBENS- & STELLVERTRETERKRIEGE AUF DEUTSCHEM BODEN. PEGIDA [Quelle ist die Google-Bildsuche, auch für alle folgenden Zitate von Demonstrationsplakaten].

Auffallend ist, dass auch auf zahlreichen weiteren der mitgetragenen, oft handgemalten Plakaten der Begriff «gewaltfrei» steht. Die Anwesenheit dieses Begriffs ist vermutlich auf zwei Gründe zurückzuführen.

Der erste Grund: Man deklariert sich selber als «gewaltfrei», um damit klar zu machen, dass, wer nicht «man selber» ist, mindestens gewaltbereit sei. Weil man gegen den Islam antritt, ist der Islam gewalttätig, mindestens gewaltbereit, weil er das Gegenteil von einem selbst verkörpert, der oder die man schliesslich das «christliche Abendland» ist.

Der zweite Grund: In einem Interview mit «Bild» hat Bachmann als Leitmotiv der Demonstration der «Patrioten Europas gegen Islamisierung des Abendlandes» (Pegida) erklärt: «Wir hören erst auf, wenn die Asylpolitik sich ändert.» Bachmann und seine Mitorganisatoren wissen natürlich, dass solcherlei Rechtspopulisten-Zielsetzung mindestens nahe verwandt ist mit Neonaziparolen. Neonazis aber sind (auch in öffentlichen Auftritten) bereit, wenn sie sich stark genug «fühlen», Gewalt gegen Andersdenkende anzuwenden – was bis zu Mord geht, wie man nicht erst seit dem NSU-Prozess weiss. Also betont man erst einmal die eigene «Gewaltlosigkeit», um inhaltliche Gemeinsamkeiten zu verschleiern.

Was danach auf mitgetragenen Plakaten mitten aus dem «Demonstrationsvolk» folgt, tönt dann so:

  • «FÜR DIE ERHALTUNG UNSERER KULTUR»
  • «Für die Zukunft unserer Kinder!»
  • «Lass Deine Wurzeln Nicht Verdorren»

Meistens etwas weiter hinten in der Demonstration mitgeführt findet sich ein weiteres «offizielles» Plakat: «GEGEN RELIGIÖSEN [sic!] FANATISMUS UND JEDE ART VON RADIKALISMUS GEMEINSAM OHNE GEWALT PEGIDA.» Rundherum in der Masse der Demonstranten wird dann «individuell» formuliert, was «man will». Etwa:

  • «Gegen Zwangs-Islamisierung!»
  • «Heimatschutz statt Islamisierung»
  • «Keine Sharia in Europa!»
  • «Gegen Zwangs-Islamisierung!»
  • «Der Islam ist aggressiv!»
  • «Alibaba und die 40 Dealer. Ausweisung sofort!»
  • «Volk sei wachsam!
    2014 = 40 Dealer
    2015 = 400 Dealer
    Wehret den Anfängen!»

Eine zweite Parolengruppe gibt vor, sich «um Deutschland» zu sorgen:

  • «Für die Zukunft unserer Kinder!»
  • «Für die Erhaltung unserer Kultur!»
  • «Sachsen bleibt Deutsch!»

Dann aber bekommen die Politiker und die Medien ihr Fett ab!

  • «Unsere Heimat! Unser Recht! Gegen die SIEDLUNGSPOLITIK der Bundesregierung! Wir sind das Volk!»
  • «!Wacht auf! Die Hand, die einen füttert, beisst man nicht. !Wir sind das Volk!»
  • «Parteien Gute Nacht. Bürger an die Macht. Volksentscheid im Grundgesetz.»
  • «Schluss mit der Enteignung durch die EBZ.»
  • «Asylrecht ist kein Einwanderungsrecht! Stoppt die staatliche Rechtsbeugung!»

Bekannt geworden ist die Medienfeindlichkeit, welche vielen Pegida-Demonstranten als eigentliches Bekenntnis über die Lippen kommt:

  • «(Irre) Leitmedien demaskieren! Für Meinungsfreiheit!»
    «Lügen Presse
    Lügensystem
    Skandal»
  • «Gemeinsam für Meinungsfreiheit.
    Recht auf freie Rede
    Pressefreiheit. Gemeinsam und ohne Gewalt. Pegida.»

Schliesslich gibt es jene, welche ihr individuelles Glaubensbekenntnis öffentlich machen:

  • «Ich bin ein Mischpoke
    habe aber
    Rückgrat!
    Herr Özdemir»
    «Hallo Dresden! Grüsse aus Würzburg.
    Wir machen mit.»
    «Klotzsche sagt NEIN zum Asylantenheim».

II

Aus diesen Slogans lassen sich durchaus einige Schlüsse ziehen, welche die Motivation der Demonstranten in Dresden betreffen. Zuerst fällt auf, dass alle Slogans total vereinnahmend sind. «Man» spricht. «Man» verkündet. «Man»: Das sind «die Deutschen», das ist «das Volk». Wer ist ein «Patriot»? Wer ist «europäischer Patriot»?

Die plakativ vorgetragene Vereinnahmung geht über «das deutsche Volk» weit hinaus und umfasst das ganze Abendland – obwohl die zutage tretende xenophobe Demonstrationsmarsch-Begründung sehr beschränkte Grössenordnungen aufweist, etwa «Klotzsche sagt NEIN zum Asylantenheim!».

Unübersehbar ist der Versuch, Normalität zu verkünden, die darin besteht, dass man als «Europäer» gegen den Islam sei, weil der Islam das christliche Abendland zerstören werde. Vor Ort ausgedrückt wird dann diese Normalität, dass man in Klotzsche keine Flüchtlinge in einem Heim haben will, weil diese ja den Islam herbringen, den «uns» feindlich gesinnten gewaltbereiten Islam.

Das Muster ist altbekannt. «Man» als Verkörperung des «Normalen» erklärt, wer nicht normal ist.

Mit dem «Antiislam»-Bekenntnis ist «man», also der xenophobe Asylverweigerer in Sachsen (oder im Kanton Zürich, im Kanton Aargau oder in Bayern und anderswo in Deutschland) sloganmässig plötzlich so etwas wie eine Förderin oder ein Förderer des aufgeklärten Weltbürgertums, das sich um die Rechte der Frauen, das sich um die Freiheit der sexuellen Vielfalt, um ethnische Minderheiten und die freien Wirkungsmöglichkeiten aller Religionen kümmert. Ausnahme: der Islam. Der Islam muss unbedingt bekämpft, Anhänger des Islam müssen ausgewiesen, ausgeschafft, verjagt werden, weil sie «uns» sonst vernichten.

Das Muster ist altbekannt. «Man» als Verkörperung des «Normalen» erklärt, wer nicht normal ist. Zugleich wird eine «Analyse» vorgestellt, in der eine feindliche Totalität – der Konstruktion eines trojanischen Pferdes gleich – mitten in unserer Gesellschaft Ort um Ort erobert: «Wirtschaftsflüchtlinge», «Scheinasylanten», schliesslich, weil es so viele geworden sind, Flüchtlinge überhaupt. Daher: «Heimatschutz statt Islamisierung». Einst, dies zur Erinnerung, hiess es: Juden sind Volksschädlinge! Damit kann man nach dem europäischen Judenmord unter den Nazis heute nicht mehr kommen.

Dafür gibt es jetzt «den Islam». Der sprachliche Rest, also alles, was neben dem Begriff «Jude» als Vorurteils- und schliesslich als Vernichtungsgrundlagen sprachlich vorgetragen wurde, existiert nun wörtlich gegen «den Islam», respektive gegen «die Islamisten». Islamisten, nicht etwa Muslime, sind in diesen Kreisen der Einfachheit alle, welche Mitglieder der Religion namens Islam sind.

Eine zweite Schlussfolgerung bezieht sich auf «die Presse». Bezeichnend, dass in gewissen Slogans nicht von «Medien», wie das heute üblich sein müsste, wenn man von veröffentlichter Meinung und von Nachrichtenübermittlung spricht, sondern von «Presse» die Rede ist. Das hat mit dem Hintergrund der Slogans zu tun. Das sprechende Beispiel dafür, in den Bildern der Dresdner Pegidazüge immer vorhanden:

«Lügen Presse
Lügensystem
Skandal»

Mit solcher Begriffskapazität operierte zum Beispiel Göbbels vor der Machtübernahme der Nazis. In der Schweiz, erinnere ich mich, hatten sowohl Schwarzenbach als auch Oehen diese Begriffe immer zur Hand, wenn es darum ging, «das Volk» gegen «die dort oben» auszuspielen. Auch auf diesem Feld der Slogananwendung wird versucht, vorhandene Probleme innerhalb der Medienlandschaft zu vereinnahmen.

Tatsächlich ist die Glaubwürdigkeit der Nachrichtenwelt in vielerlei Beziehung in Frage gestellt. Das betrifft zum Beispiel die Berichterstattung über Syrien genauso wie die Berichterstattung über die Ukrainekrise. Schon die Griechenlandkrise allerdings ist in einer sehr aufgefächerten und offenen Mediendarstellung anzutreffen. Insgesamt viel weniger betroffen ist die Glaubwürdigkeit der Medien im Bereich der Euro-Krise insgesamt. Hier existieren Vielfalt und Diskurs. Dasselbe trifft in Deutschland auch für Migrationsfragen zu.

Indem von «Lügenpresse» die Rede ist, indem unterstellt wird, in Deutschland sei die Meinungs- und die Pressefreiheit nicht (mehr) gewährleistet, behauptet man, dass das, was wirklich sei, nicht als Wirklichkeit dargestellt werde. Und landet so – propagandaaffin – im «Antiislamismus» genauso wie in der rassistischen Xenophobie, die angeblich «normal» sei, weil «das Volk» normal sei. Wer diese Normalität infrage stellt, wer den Begriff «das Volk» nicht als gesicherte Grössenordnung anerkennt, ist einfach ein Lügner.

III

Was Pegida vertritt, ist unklar. Konkretisiert sind zwei Forderungen:

  1. Verweigerung von Asyl für die meisten Flüchtlinge, eigentlich für alle, die für eine gewisse Zeit Zuflucht in Deutschland, in Europa suchen.
  2. Zuwanderung, auch jene aufgrund der europäischen Personenfreizügigkeit, soll untersagt werden. Das steht hinter dem Slogan «Unsere Heimat! Unser Recht! Gegen die SIEDLUNGSPOLITIK der Bundesregierung! Wir sind das Volk!». Nichts da mit «europäischem Patriotismus», denn «Sachsen bleibt Deutsch». Sachsen ist nicht als Teil von Europa zu erkennen, sondern nur als «Deutsch».

In diesem Zusammenhang wird genauer sichtbar, dass Dresden nicht zufällig Hauptstadt der Bewegung ist. Die sächsische Bevölkerung kennt im Alltag kaum Ausländer, weil kaum Ausländer in Sachsen leben. Als soziales Phänomen bestens bekannt ist die Tatsache, dass Xenophobie dort am meisten blüht, wo es für «Ängste vor Fremdem» kaum irgendeinen alltäglich zu erfahrenden Anlass gibt. Dresden wiederum ist unter den deutschen Grossstädten mit über 500’000 Einwohnern weit abgeschlagen vor Leipzig (auch Sachsen) jene Stadt mit den wenigsten «Ausländern» innerhalb der Gesamtbevölkerung. Statistisch sieht das für Sachsen insgesamt wie folgt aus:

«Ende 2012 lebten im Freistaat Sachsen laut Statistischem Landesamt 89’805 Ausländer, das waren 2,2 Prozent der 4,05 Millionen Einwohner in Sachsen. Der Ausländeranteil in Sachsen ist damit im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (8,2 Prozent) sehr gering. Im Vergleich zum Ausländeranteil in anderen Bundesländern belegt Sachsen den 12. Platz.» (Quelle: Statistisches Bundesamt)

Mit anderen Worten: Wer in Dresden als «Islamkenner» herummarschiert, wer als Spezialist im Wissen um angeblichen «Asylmissbrauch» auftritt, wer angeblich das «Abendland» rettet, lebt im Alltag mehr oder weniger ausschliesslich unter seinesgleichen. Schon ein Norddeutscher oder eine Berlinerin sind rein sprachlich sofort als Nichtsachsen erkennbar, also «fremd». Das Wissen und die proklamierte «Angst» um das eigene Wesen stammen in Ermangelung konkreter Erfahrung aus der «Lügenpresse», die deshalb eine «Lügenpresse» ist, weil sie nicht ständig fordert: Ausländer raus! Weil sie, wie die meisten politisch Handelnden, die meisten Unternehmer, die meisten Arbeitnehmenden in Deutschland genau wissen und auch erklären: Ohne Zuwanderung geht bald gar nichts mehr.

Man sieht: Das SVP-Muster schafft sich in Dresden Raum.

Ernst nehmen?

Man wird dem harten Kern der Pegida-Demonstranten, welche schon in zahlreichen anderen Kleidchen des angeblich «Normalen» maskiert auftraten, von «pro Deutschland», «pro NRW» über die NPD, von den «Republikanern» bis hin zu nationalistisch-antisemitischen Burschenschaften, nie zum Eintritt in die tolerante, offene, diesseitsorientierte demokratische Gesellschaft, welche in Deutschland existiert, bringen können. Der Rest, das Mitläufertum, verläuft sich erfahrungsgemäss meistens ziemlich rasch wieder, weil der Event an billigem Skandalgetue durch Wiederholung an «Geilheit» verliert.

Die Frage nach dem Umgang mit Pegida ist damit natürlich überhaupt nicht beantwortet. Allerdings ist es von Bedeutung, dass man das «Phänomen» nicht in übertriebene Öffentlichkeitszeremonien transportiert. Die Bewegung kommt bis jetzt über Dresden offensichtlich nicht hinaus.

In meiner Alltagsumgebung in Berlin spielt das, was Pegida fordert, keine Rolle. Pegida selbst verursacht Kopfschütteln und im Übrigen einen ziemlich durchgehenden Ärger über gewisse Medien, vor allem über die beiden öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten, deren Talkshows wieder einmal ein unisono Thema, nämlich die angeblichen «Ängste des Volkes», bis zur Neige ausgeschöpft haben. Ganz allgemein wird in meiner Umgebung in Gesprächen festgehalten, dass das, was da in Dresden als Sloganinhalt vermittelt wird, viel zu einfach gestrickt sei, als dass es eine Grundstimmung «der Deutschen» ausdrücken könnte. Ich würde die Wette wagen, dass dieselben immer gleichen Talker bald nur noch von «Griechenland vor der Wahl» herumschwatzen werden, bis dass es ein Wahlresultat gibt.

In solchen Aktualitätsverarbeitungen, «Brennpunkten» oder eben Talkshows ist immer wieder erkennbar, dass vor allem in den TV-Medienredaktionen einfach sehr unsorgfältig gearbeitet wird. Statt zu informieren wird «Stimmung» transportiert. Ob Stimmungen stimmen oder ob es bloss herangezüchtete gewollte Stimmungsmache ist die als Stimmung verkauft wird, spielt in der Darstellung durch ARD und ZDF kaum eine Rolle.

Paradigmatisch zum Ausdruck kam dies durch jenes Statement in eine Kamera des NDR hinein, in der ein «Deutscher» das Folgende erklärte:

«Ich komme aus Bayreuth, 200 Kilometer von hier, will mir das Spektakel mal angucken und stehe dem Ganzen schon kritisch gegenüber.»

Auf die Frage des NDR-Journalisten, ob er damit die Pegida-Bewegung meine, sagte der «Deutsche»: «Also, muss man sagen, die Islamisierung, die macht sich schon breit.» Und, auf die Frage, wo er das sehe: «Auf der Strasse, im Wohnviertel, also manchmal denke ich schon: Sind wir noch in Deutschland?»

In einer Stellungnahme des NDR zu diesem «Interview» fand sich online ein paar Tage später dann folgendes:

«Nichts gegen Undercover-Recherchen, wo sie nötig sind. Aber die Pegida-Demonstranten in Dresden konnte man ganz offen zu ihrer Meinung befragen, wie man in unserem Beitrag sieht. Das sah ein RTL-Reporter offenbar anders. Er gab sich als normaler Demonstrant aus, angeblich um ‹Stimmungen und Aussagen für eine spätere Berichterstattung aufzugreifen›. Und er klopfte latent ausländerfeindliche Sprüche (bezüglich der Zahl der Türken im Strassenbild und des Bürgerkriegs in Syrien) – leider auch in unsere Kamera. Was das sollte, wissen wir nicht. Aber eines ist für uns klar: Das geht gar nicht! Damit gibt man denen ein gutes Argument, die immer ‹Lügenpresse› rufen. Immerhin hat er uns inzwischen informiert, dass er für RTL arbeitet und 2012 zwischenzeitlich auch für ein NDR Regionalstudio. Was nichts daran ändert, dass er vor unserer Kamera den ‹normalen Demonstranten› gespielt und damit der Glaubwürdigkeit von Journalisten einen Bärendienst erwiesen hat.»

«Was das sollte, wissen wir nicht.»

Nun: Es war typisch TV live. Ein paar Damen und Herren, meistens kurz angebunden, ein paarmal in peinlichster Künstlichkeit um «Objektivität» im Ausdruck bemüht, geben über ihre «Ängste» und ihre «Sorgen» Auskunft. Ein paar von angeblich 17’500 Demonstranten, und, wenn das für die Pergida-Demonstranten repräsentativ sein sollte – was durch absolut nichts belegt ist – 17’500 Demonstranten in einer deutschen Stadt sollen angeblich die «Ängste der Deutschen», also von weit über 70 Millionen «Blutsdeutschen» (die über 10 Millionen «Ausländer» in Deutschland sind ja keine Deutschen, obwohl sie zur Bevölkerung Deutschlands gehören) repräsentieren?

So wird viel zu oft ziemlich automatisch und vor allem ohne nachgedacht zu haben und deshalb unkritisch berichtet, wenn man als TV-Journalist heutzutage eine Kamera oder auch ein Handy in der Hand hat. Das «Bild» stimmt. Weiteres an Methodik ist da völlig unwichtig, Sprache existiert kaum, Sprachkritik schon gar nicht. Da kommt einem ein jüngerer Mann «aus Bayreuth» vor die Kamera, der mal «gucken» will, was da so abläuft. Und schon ist der Film gemacht. Der angeblich zu Aufklärung und Erklärung hergestellte NDR-Film, ausgedehnt und mit vielen wirklich unbedarften «Stellungnahmen» von Demonstrierenden versehen, hilft dadurch mit, Dummheit statt Aufklärung zu verbreiten.

Komplexe Zusammenhänge darzustellen, sodass sie verstanden werden können, ist ein schwieriges Unterfangen. Zugegeben. Aber diese Kaskade von wirklich viel zu vereinfachter Vorurteilsmeinung, die als «normal» verbreitet wird, wird schnell zu dumpfer «Volkes Stimme», vor allem dann, wenn das alles unkommentiert aneinandergereiht wird. Dabei ist da meistens nichts Weiteres als blosses Nachgeplapper. Dazu braucht man nicht Dutzende von gleichen Aussagen.

Kurz – viel zu einfach!

Mehr Anstrengung, mehr Ernsthaftigkeit!

Erst einmal Nachdenken, bevor man einer solchen «Normalität» viel redaktionell zu verantwortenden Raum ohne Faktenanalyse, auch statistische, ohne klare Gegenmeinung, auch polemische, zur Verfügung stellt.

V – Nachtrag

Kaum habe ich diesen Text über die Slogansprache von Pegida fertig geschrieben, geschieht dieser Mord in Paris. Die Ermordung der Zeichner und anderer Redaktionsmitglieder von «Charlie Hebdo». Die Polizei hat jetzt, während ich schreibe, zwei Brüder als Täter identifiziert.

Die Mörder haben, auch in der unmittelbaren Nachbarschaft des «Charlie Hebdo»-Redaktionsgebäudes vernehmbar, den sattsam bekannten Jihadistenspruch geschrien, mit denen islamistische Terroristen und auch Söldner des IS ihre Morde predigen: «Allahu akbar» (Gott ist gross).

Dieser «grosse Gott» ist ein verbrecherischer Gott, ein Gott, der es zulässt, dass in seinem Namen gemordet wird. Ein Gott, der die zivilisatorischen Formen zwischenmenschlicher Auseinandersetzungen, Streitgespräch, Argumentationsaustausch, Diskurs in den Regeln, welche die Freiheit der Meinung umfassen, als «nichtgöttlich», als nicht seinen Gesetzen entsprechend verurteilt und verfolgen und die Zivilisten, die sich miteinander – oft mühsam – zu verständigen versuchen, töten lässt!

Dieser Gott existiert in den drei Buchreligionen aus dem Nahen Osten, Judentum, Christentum und Islam, als die Allmacht, die der Mensch zu fürchten habe.

Allerdings, diese Einschränkung ist wichtig: Dieser Gott ist das Ergebnis seiner Missdeutung. Er ist das Ergebnis all der Prediger, die seit der Existenz ihrer Religionen so tun, als seien sie diejenigen, welche vorgeben, was gilt und was zu vernichten sei. Genau dies ist keineswegs eine Spezialität der Jihadisten, wie die Geschichte des Christentums mit den Abermillionen im Namen «Gottes» Ermordeten zur Genüge illustriert.

Ist damit das, was die Pegida-Demonstranten in Dresden gefordert respektive verkündet haben, durch die böse Tat in Paris über Nacht «gerechtfertigt» worden? Heisst es nun ab sofort: «Heimatschutz oder Islam»?

Ist es einleuchtend geworden zu fordern, die Muslime insgesamt auszuweisen, wegzujagen? Ist es begründet, dass Deutschland oder die Schweiz oder sonst irgend ein europäisches Land «islamfrei» zu werden habe?

Dies schwirrt und twittert sich nun in den nächsten Tagen massiv durch die ganze Meinungselektronik. Und es stört das, was man Entwicklungsprozess innerhalb einer Gesellschaft nennt, erheblich. Nicht so «radikal», dass Muslime nun ausgewiesen würden. Solche Forderungen bleiben den Rechtspopulisten vorbehalten. Aber so, dass «man» ihnen nicht mehr so richtig über den Weg traut.

Die Realität ist komplex.

Hassprediger und Hasstäter leben mitten in unserem Alltag. Der Alltag ist, was immer wieder zu beobachten ist, globalisiert.

Mit irgendwelchen angeblich als «natürlich» charakterisierten, fleissig herbeigeschwatzten Rezepten wird «man», auch nicht als Individuum, weder dem grossen Ganzen und schon gar nicht dem komplizierten Kleinen und Alltäglichen gerecht. Wer ein wenig nachdenkt, weiss das.

Insofern finde ich, dass es nach wie vor wichtig ist, sich nicht durch billige Sprüche von xenophoben und hasserfüllten Leuten – die nicht Angst ausdrücken, sondern Rechthaberei und den Willen, dass nur das gelten darf, was sie als ihresgleichen erkennen – ins Bockshorn jagen zu lassen. Auch nicht als Medienunternehmen, als Redaktion, als journalistisch verantwortlich Arbeitende.

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