Vor genau vier Jahren verwüsteten Anhänger des FC Zürich den Gästesektor des St Jakob-Parks. Seit Anfang Woche befasst sich das Strafgericht mit den Ausschreitungen und den 17 Angeklagten.
«Nein, das bin nicht ich», sagt der Angeklagte F.G* zur Richterin. Auf der Leinwand im Gerichtssaal zeigt ein Video, wie ein breitschultriger Mann mit schwarzweissem Pullover und Kapuze eine Getränkekiste aus dem Gästesektor in Richtung der darunter stehenden Beamten wirft. Das Gesicht ist nicht zu sehen. In der nächsten Aufnahme ist der Angeklagte deutlich frontal erkennbar, wie er aus nächster Distanz einen Beamten filmt. Er trägt einen schwarzweissen Pullover mit Kapuze. «Ja, das bin ich.» Und in der Aufnahme zuvor? «Nein, das war nicht ich.» Der Angeklagte schüttelt den kahlgeschorenen Kopf, unter dem karierten Hemd spannen sich trainierte Rückenmuskeln.
Morgen Dienstag ist es auf den Tag genau vier Jahre her, seit Anhänger vom FC Zürich den Gästesektor im St.-Jakob-Park demolierten. Der Sachschaden betrug über 100’000 Franken. Seit Anfang dieser Woche läuft am Basler Strafgericht der Prozess gegen die 17 Angeklagten. 16 von ihnen sind des Landfriedensbruchs angeklagt; mehrere sollen selber gewalttätig gewesen sein und müssen sich wegen versuchter schwerer Körperverletzung und Sachbeschädigung verantworten. Die Angeklagten ermittelte die Staatsanwaltschaft 2010 mittels einer Internetfahndung.
Der Prozessmarathon dauert zehn Tage
Die Auseinandersetzungen beim Cup-Achtelfinalspiel begannen bereits vor Anpfiff. Schon kurz nach der Ankunft hätten Zürcher Fans ein Gedränge erzeugt, um Kontrollen zu verhindern und ungehinderten Eintritt ins Stadion durchzusetzen, heisst es in der Anklageschrift.
Die Randalierer wuchteten Tore auf, zerstörten einen Verpflegungsstand und beschädigten WC-Anlagen im Gästesektor. Zudem rissen sie Sitze aus der Stadionbestuhlung und schleuderten sie gegen die Sicherheitskräfte. In der bedrohlichsten Phase zertrümmerten die Chaoten Fenster und warfen Gegenstände auf den Vorplatz beim Eingang zum Gästesektor hinunter. Unter den Wurfobjekten waren auch Gasflaschen und metallene Getränkefässer.
Der Prozessmarathon dauert insgesamt zehn Tage. Die Gerichtspräsidentin Kathrin Giovannone und ihre Mitarbeiter sind dabei ausserordentlich gefordert. Sie hatten umfassendes Videomaterial akribisch auszuwerten, die Akten stapeln sich in dicken Ordnern hinter der Richterin. Die Urteile werden für Freitag in einer Woche erwartet.
Die Erinnerung bröckelt
Am Dienstagvormittag mussten insgesamt fünf Angeklagte die Fragen des Gerichtes beantworten. Die Männer zwischen zwanzig und dreissig sind teilweise in Ausbildung, einige wohnen noch bei den Eltern. Sie arbeiten in der Gastronomie, als Handwerker oder sind am Studieren. Alle erklären, sie seien nur noch selten an Fussballspielen anzutreffen, wenn überhaupt. Vorstrafen in ähnlichem Zusammenhang gibt es keine.
Angesichts der Videoaufnahmen ist die Beweislast in den meisten Fällen eindeutig. Doch die Angeklagten liessen sich davon nicht entmutigen. Sie gaben an, sie können sich nicht mehr erinnern, wie sie trotz verschlossener Tore ins Stadion gelangt sind, mit wem sie angereist waren oder weshalb sie Stadionsitze aus der Verankerung gerissen hatten. «Nein, das bin nicht ich», antwortet auch der Angeklagte S.B, auf die Frage der Gerichtspräsidentin. Auf dem Video ist eine Person mit auffallender Ähnlichkeit zu sehen, wie diese ein Getränkefass in Richtung der Beamten wirft. Doch auch S.B* schüttelt den Kopf: «So eine Frisur hatte ich nie.»
*Namen der Redaktion bekannt.