Die neue Hauptrolle im arabischen Mini-Theater

Mit dem Segen der schiitischen Hizbollah ist der 81-jährige Ex-General Michel Aoun in den libanesischen Präsidentenpalast eingezogen. Der Libanon ist eine Art arabisches Mini-Theater. Saudi-Arabien und die USA mussten die politischen Realitäten der Region akzeptieren, um das 30 Monate dauernde Vakuum in Beirut zu beenden.

Newly elected Lebanese president Michel Aoun sits on the president's chair inside the presidential palace in Baabda, near Beirut, Lebanon October 31, 2016. REUTERS/Aziz Taher

(Bild: REUTERS/Mohamed Azakir)

Mit dem Segen der schiitischen Hizbollah ist der 81-jährige Ex-General Michel Aoun in den libanesischen Präsidentenpalast eingezogen. Der Libanon ist eine Art arabisches Mini-Theater. Saudi-Arabien und die USA mussten die politischen Realitäten der Region akzeptieren, um das 30 Monate dauernde Vakuum in Beirut zu beenden.

Über dem Präsidentenpalast Babdaa weht seit Montagabend wieder die libanesische Fahne. Nach 30 Monaten ist das präsidiale Vakuum und die völlige politische Lähmung des Landes zu Ende. Der 81-jährige Ex-General Michel Aoun, Vertreter des grössten christlichen Blocks, ist eingezogen.

In den Strassen Beiruts haben Tausende seiner Anhänger mit ihren orangen Fahnen gefeiert. Aus westlichen Ländern, etwa den USA, trafen gequälte Reaktionen mit halbherzigen Gratulationen an das libanesische Volk ein. Denn Aoun wird von der schiitischen Hizbollah unterstützt, die von Washington als Terrororganisation eingestuft ist und gegen die finanzielle Sanktionen verhängt worden sind. Man sei nicht blind, bleibe besorgt und werde den neuen Präsidenten deshalb an seinen Taten bei der Bildung einer neuen Regierung messen, erklärte der Sprecher des US-Aussenministeriums John Kirby. 

Sunnitische Kehrtwende

45 Versuche, ein neues Staatsoberhaupt zu wählen, waren zuvor gescheitert. Der Libanon hat zwar alle Attribute und Institutionen einer Republik – mit Wahlen und Parlament und Rotation der Macht – aber sie basieren auf den Absprachen der politischen Eliten, darunter viele Familienclans. Die politischen Eliten werden seit einigen Jahren von der schiitischen Hizbollah dominiert, die von Iran unterstützt und finanziert wird.

Der Libanon, obwohl gerade so gross wie die Schweiz, ist mit seinen 17 anerkannten Religionsgemeinschaften und mehr als einer Million syrischer Flüchtlinge auf seinem Territorium deshalb ein arabisches Mini-Theater, in dem sich die Konflikte und künftigen Entwicklungen der Region spiegeln.

Der Libanon ist ein Abbild der Konflikte und künftigen Entwicklungen der Region.

Erst als vor zehn Tagen Saad al-Hariri, der Chef der grössten sunnitischen Partei, der syrienkritischen Zukunftsbewegung, einschwenkte und sich für den politischen Rivalen Aoun als künftigen Präsidenten aussprach, war die Blockade aufgebrochen. Aoun konnte sich am Montag einer komfortablen Mehrheit – 83 von 127 Stimmen – im Parlament sicher sein.

Hariri hatte betont, er habe diesen Entscheid aus Verantwortungsbewusstsein für den Libanon gefällt, er könne Hizbollah nicht daran hindern, im Ausland zu kämpfen. Hizbollah kämpft an der Seite von Präsident Assads Truppen in Syrien.

Schillernde Persönlichkeit

Aoun ist eine schillernde Persönlichkeit. Er entstammt einer bescheidenen maronitischen Familie und hatte eine militärische Karriere eingeschlagen, die bis zum Armeegeneral führte. Seine Anhänger sprechen auch heute immer noch von General Aoun. Während des Bürgerkrieges war er von September 1988 bis Oktober 1990 Regierungschef, als sein Sitz von den syrischen Truppen gestürmt wurde und Aoun für 15 Jahre ins französische Exil fliehen musste.

Nach der Ermordung von Ex-Premier Rafik Hariri 1995 und dem Abzug der syrischen Truppen aus dem Libanon kam er nach Beirut zurück. Wenige Monate später schloss der Vorsitzende der Freien Patriotischen Bewegung trotz seiner blutigen Geschichte mit der syrischen Präsidentenfamilie Assad eine strategische Allianz mit der Hizbollah, die bis heute besteht.

Aoun habe mit der Wahl eine Schlacht gewonnen nach vielen Kriegen, in denen er Feinde zu Alliierten, Alliierte zu Fremden und Fremde zu Unterstützern gemacht habe, beschrieb ein libanesischer Kolumnist diese verschlungenen Pfade zur Macht.

Der neu gewählte, der 1935 in Haret Hreik, heute Hizollah-Hochburg im Süden Beiruts, geboren wurde, versprach in seiner ersten Rede zum Amtsantritt, dass er die libanesische Armee im Kampf gegen den Terror unterstützen und mit seiner Aussenpolitik sicherstellen wolle, dass sich der Libanon von der Gefechtszone entfernen werde. In Syrien könne es keine Lösung ohne die Rückkehr der Flüchtlinge geben, stellte er klar.

Saudi-Arabien zieht sich zurück

Sein erster Test wird die Bildung einer Regierung sein. Der amtierende Regierungschef Tammam Salam hat den demokratischen Gepflogenheiten entsprechend sein Amt niedergelegt. Im komplizierten libanesischen Machtgefüge steht das Staatspräsidium einem Christen, das Parlamentspräsidium einem Schiiten und das Regierungspräsidium einem Sunniten zu.

Saad Hariri hat mit seinem Schachzug seinen Anspruch angemeldet. Ob er tatsächlich zum Zug kommt, ob es im Vorfeld Absprachen gegeben hat, hat am Dienstag eine der Hizbollah nahestehende Zeitung bereits in Zweifel gezogen.

Die Gewichtsverhältnisse in der Region haben sich stabil zugunsten von Hizbollah, Iran und dem syrischen Präsidenten Assad eingependelt.

Hariri hat in letzter Zeit viel an Einfluss und Geld verloren. Seine Geschäfte in Saudi-Arabien laufen schlecht. Ob sein Schachzug gelingt, ist ungewiss. Die Wahl Aouns zeigt, dass sich die Gewichtsverhältnisse in der Region stabil zugunsten von Hizbollah, Iran und dem syrischen Präsidenten Assad eingependelt haben.

Saudi-Arabien, dem einstigen Protektor des Libanon, und den westlichen Mächten blieb nichts anderes übrig, als diese Realität zu akzeptieren, damit der Libanon versuchen kann, seine eigenen Probleme, insbesondere die schwerwiegende Wirtschaftskrise, in Angriff zu nehmen.

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