Die noble Geste der Basler gegenüber den Baselbietern

Zuerst gibt sich der Basler Grosse Rat grosszügig und visionär. Dann geht das Gefeilsche los: Die «historische» Debatte um die Fusion der beiden Basel ist lanciert.

Ein ganz, ganz kleines bisschen näher gekommen: Der Grosse Rat lanciert die Debatte um die Fusion der beiden Basel mit einer netten Geste und einer neuen Idee.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Regierungspräsident Guy Morin gefährdet den Meistertitel des FC Basel, der Grosse Rat zeigt sich grosszügig gegenüber den Baselbietern, dann geht das Gefeilsche los: Die «historische» Debatte um die Fusion der beiden Basel beginnt mit den ersten paar kleineren Aufregern.

Wieder einmal war in der Politik von einem «wegweisenden Entscheid» und einem «historischen Moment» die Rede.

Diesmal aber zu Recht, im Gegensatz zu den meisten anderen Fällen.

Im Grossen Rat ging es am Mittwoch um die Initiative für die Fusion der beiden Basel und den entsprechenden Gegenvorschlag. Das heisst: um die Wiedervereinigung des Kantons Basel, der 1832/33 unter beträchtlichem Getöse auseinander gebrochen ist.

Solch grosse Momente verlangen nach grossen Worten. Entsprechend weit wagte sich Regierungspräsident Guy Morin (Grüne) vor, nachdem er erst einmal nüchtern festgestellt hatte, dass die beiden Basel bereits ein gemeinsamer Wirtschafts- und Lebensraum seien. «Wir feiern auch zusammen – am kommenden Sonntag auf dem Barfüsserplatz: den Meistertitel des FC Basel», obwohl gerade einem Mann in seiner Position klar sein müsste, dass man in derart wichtigen Angelegenheiten nichts, aber auch gar nichts verschreien dürfte.

Möglichst positiv

Des Weitern sagte Morin auch noch, dass man sich im Baselbiet garantiert ebenso so sehr über die Schenkung der Gerhard-Richter-Werkgruppe für das Kunstmuseum freue wie in Basel selbst.

Nun ja, es gab da in der Vergangenheit auch schon mal eine Abstimmung, die den Zweifel daran nährte, dass die Wertschätzung für das städtische Kulturangebot überall auf dem Land besonders ausgeprägt wäre.

Aber all das Trennende aus der Vergangenheit, die Streitereien um Geld und Einfluss in den Kulturinstitutionen, Bildungseinrichtungen, Verkehrsbetrieben, der Spitalplanung und den unzähligen anderen Bereichen, in denen man zusammen arbeiten will, zusammen arbeiten muss: das alles wurde im Grossen Rat höchstens am Rande erwähnt – als Negativ und damit als Vorlage für ein neues, besseres System, den gemeinsamen Kanton Basel.

Angst vor den Baselbietern?

Morin sprach leicht verklausuliert (wahrscheinlich wollte er die Landschäftler keinesfalls reizen, die in Basel als eher heikel gelten) von «Hürden», die es wegen der Kantonsgrenze immer wieder zu überwinden gelte, um danach die Fusion als schon fast logische Lösung dieser Problematik darzustellen (womit eigentlich auch die Baselbieter nichts dagegen haben können, die in Basel zu allem Übel auch noch als eher etwas eigenbrötlerisch gelten).

Ganz ähnlich klang Emmanuel Ullmann (Grünliberale), Präsident der vorberatenden Regiokommission. In der Wirtschaft wundere man sich, warum es auf diesem engen Raum zwei Kantone mit unterschiedlichen Gesetzgebungen, Gebührenordnungen und Ansprechpartnern gebe, was die Abläufe verkompliziere und in die Länge ziehe.

Es folgten die Parteisprecher von SP, dem Grünen Bündnis, den Grünliberalen, FDP, CVP und LDP. Und auch sie äusserten sich ganz ähnlich. «Am liebsten hätten wir sogar noch mehr – einen Kanton Nordwestschweiz», sagte Christine Wirz-von Planta (LDP) sogar.

SVP sagt Nein, Nein, Nein und doch auch Ja

Grundsätzlich gegen eine Fusion war nur die Mehrheit der SVP. «In kleineren Gebilden hat der einzelne Bürger mehr zu sagen, so dass auch die Probleme rascher erkannt werden», sagte Parteisprecher Andreas Ungricht. Dieser Föderalismus fördere auch den Wettbewerb: «Das Ziel muss sein, es besser als der Nachbar machen zu wollen, nicht mit ihm zusammenzugehen.»

Wobei diese Haltung in Basel auch innerhalb der SVP umstritten ist, wie Ungrichts Parteikollege Lorenz Nägelin sagte: «Meine Meinung ist, dass man viel zu sehr gegeneinander arbeitet anstatt gemeinsam für die Region einzustehen.» Nach den beiden kamen von der SVP auch noch Joël Thüring, Alexander Gröflin und Eduard Rutschmann ans Rednerpult, um deutlich zu machen, dass Nägelin in der Fraktion mit seiner Meinung ziemlich «allein ist», «allein ist», «allein ist».

Als das auch allen SVPlern klar war und auch André Auderset (LDP) noch die Gelegenheit erhalten hatte, seine Position darzulegen («mir ist das alles Wurst, weil die Baselbieter von einer Fusion sowieso nichts wissen wollen»), konnte der Grosse Rat über die Initiative, den Gegenvorschlag und die verschiedenen Anträge abstimmen.

Das Gefeilsche geht jetzt schon los

Oder besser gesagt: er sollte abstimmen. Denn nun ging ein Gefeilsche los. Sollen die Basler und Baselbieter im Verfassungsrat nun gleich stark vertreten sein (gemäss Initiativtext und Antrag LDP) oder die Baselbieter aufgrund der grösseren Bevölkerungszahl in diesem Gremium die Mehrheit haben (gemäss Antrag Regiokommission)? Und falls die Städter den Landschäftlern tatsächlich auf diese Weise entgegenkommen – wie viele Mitglieder hätte der Verfassungsrat dann idealerweise? 60 Baselbieter und 40 Basler (gemäss Antrag Kommission und wie mit der Landratskommission eigentlich vorbesprochen) oder vielleicht doch besser 75 Baselbieter und 50 Basler (gemäss Antrag SP)?

Geredet wurde viel darüber, auch wenn die Rechnung eigentlich rasch gemacht war: je grösser der Verfassungsrat, desto besser die Aussicht auf einen Posten in dem Gremium, auch für die kleineren Parteien. Da konnte Lukas Engelberger (CVP) noch lange davor warnen, man dürfe sich zu einem solch frühen Zeitpunkt keinesfalls mit Details aufhalten und immer wieder neue Veränderungen vornehmen. Das gefährde das grosse Ziel – die Fusion.

Es nutzte nichts. Nach mehrstündiger Debatte entschied sich der Grosse Rat zuerst mit 53:30 Stimmen für den 125-köpfigen Verfassungsrat mit 75 Baselbieter und 50 Baslern und gegen eine gleichmässige Vertretung von Baselland und Basel-Stadt. 

Warten auf den Entscheid in Liestal

Den Baselbietern die Mehrheit im Verfassungsrat zu überlassen – das ist eine noble Geste, die schon wieder sehr viel besser zum historischen Moment passt als das Geschacher zuvor. Ob die Geste auch ankommt, wird sich im Landrat zeigen, der nächste Woche über die Initiative, den Gegenvorschlag und den neuen Vorschlag der Stadt berät.

Gut möglich, dass das Hickhack dort schon sehr viel früher losgeht – bei der Grundsatzfrage: Fusion Ja oder Nein?

Wie geht es jetzt weiter?

Tendenziell sagt der Baselbieter Landrat am kommenden Donnerstag knapp Ja zum Gegenvorschlag (60 Baselbiet, 40 Basler im Verfassungsrat) beziehungsweise zum neuen Vorschlag aus Basel (75 Baselbieter, 50 Basler). In diesem Fall könnte der Basler Grosse Rat sich vor der Sommerferien in der zweiten Lesung endgültig auf die entsprechende Lösung festlegen.

Danach könnten die Initianten ihr Begehren zurückziehen, damit das Volk in beiden Kantonen nur noch über den Gegenvorschlag beziehungsweise über den neuen Vorschlag abstimmen kann. Es ist ein Modell, das es den kritischen Baselbietern etwas leichter machen soll, doch noch ein Ja in die Urne zu legen. Das jedenfalls ist das Kalkül der Basler. Falls der Landrat davon nichts wissen will, stimmen das Volk in beiden Kantonen nur über die Initiative ab.

Der Abstimmungstermin ist in jedem Fall der 28. September. Dabei geht es keinesfalls schon direkt um eine Fusion, sondern erst um die Schaffung eines Verfassungsrates. Dieser würde die rechtlichen Grundlagen für die Bildung des neuen Kantons Basel schaffen und dabei eine ganze Reihe von heiklen Fragen klären. Zum Beispiel, wo das Parlament, die Regierung und die Verwaltung ihre Sitze haben, welche Stellung die Gemeinden haben, wie der Finanzausgleich funktionieren soll. Über die entsprechenden Vorschläge würde das Volk noch einmal abstimmen. Danach müsste auch noch der Bund einverstanden sein.

 

Nächster Artikel