Knackeboul hat genug von Menschenverachtung und Demagogen, die behaupten, ohne Ausländer werde alles besser. Und präsentiert ein paar gewagte Ideen, wie das Land vor den Landesrettern zu retten wäre.
In Schweden geht ein maskierter Lynchmob auf unschuldige Menschen los. In Deutschland brennen Asylunterkünfte. In der Schweiz kommen Initiativen vors Volk, die antidemokratischer nicht sein könnten. In Amerika schreit eine frauenverachtende, xenophobe Karikatur des American Dream nach Zäunen und Mauern und der Abschiebung ganzer Völkergruppen.
In fast jedem europäischen Land findet sich ein Pendant zu diesem orange-haarigen Trumpel-Tier. Le Pens stolzieren mit ähnlicher Selbstverständlichkeit ins französische Parlament, wie hierzulande eine Milliardärsfamilie vorheuchelt, Politik für den kleinen Mann zu machen. In Deutschland will eine gewisse Frauke Petri von der beängstigend wählerstarken AfD auf Flüchtlinge schiessen lassen, während das Trumpel-Tier von sich selbst behauptet, es könne in New York auf offener Strasse jemanden erschiessen, ohne auch nur einen Wähler zu verlieren.
In deutschen Städten taumeln Horden von besorgten Zombies zur Erhaltung des christlichen Abendlandes atemlos durch die Nacht.
Ob dahinter offen zur Schau gestellte Menschenverachtung und Grössenwahn stehen oder Propaganda mit viralem Potenzial im Geiste des Nationalsozialismus, spielt keine Rolle. Das Gift wirkt. Die Leute gehen auf die Strasse. In deutschen Städten taumeln Horden von besorgten Zombies zur Erhaltung des christlichen Abendlandes atemlos durch die Nacht.
Auch in Schweizer Städten drohen diese Pegida-inspirierten Rückwärtsbewegungen Einzug zu halten. Die Mob-Mentalität erlebt eine erschreckende Renaissance. Immer inspiriert vom Konspirativen, von Hassreden, Legenden und Flüchen. Die Theorie von der jüdischen Weltverschwörung weicht – oder paart sich mit – der angeblichen Islamisierung des ebenfalls angeblich christlichen Abendlandes.
Paradoxerweise fusst die Angst vor der Islamisierung Europas in den gleichen diffusen Gedankengebilden, die fundamentalistische Islamisten zu Terroranschlägen und Schlachtorgien animiert: Im Glauben an Gut und Böse und dass dieses Böse ein externes Phänomen sei, das sich verbannen lässt, damit die Rechtschaffenen wieder zurückkehren in die guten alten wohlgeordneten Zeiten.
Es heisst, man dürfe das Volk nicht als dumm hinstellen. Die Geschichte zeigt aber, dass Tausende von Menschen zu einer sehr dummen kritischen Masse anschwellen können.
Leider hat es diese Zeiten nie gegeben, und die Bekämpfung des vermeintlich Bösen bringt mehr Böses hervor als alle Verbrecher dieser Welt. Nämlich die kollektive Dummheit, die Hysterie und die Förderung struktureller Unterdrückung, Diskriminierung und Gewalt. Es heisst immer, man dürfe nicht überheblich sein und das Volk als dumm oder ignorant hinstellen. Es könne nicht sein, dass zum Beispiel die Tausendschaften der Pegida allsamt Vollidioten seien. Die Geschichte zeigt uns aber, dass sehr wohl Tausende, ja Abertausende von Menschen zu einer sehr dummen kritischen Masse anschwellen und historisches Elend anrichten können.
Angefeuert werden diese Mobs durch emsige Politiker, die Empörung mimend einfache Lösungen für komplexe Probleme anbieten. Kriminelle Ausländer raus! In drei Worten werden Ausländer mit Kriminellen in Verbindung gebracht und gleichgestellt. Kriminalität muss bekämpft werden! Ausländer raus!
Natürlich vereinfache ich hier. Leider zeigt meine Erfahrung mit rassistischen Äusserungen und schweren Anfeindungen meiner öffentlichen Person, dass ein erschreckend grosser Anteil der Bevölkerung auf dem rechten Auge blind ist. Vom Politiker über den Studenten bis hin zum Büezer wettert so mancher empörte Bürger gegen Vergewaltiger und Schmarotzer, doch am Ende geht es ihnen darum, dass sie eine Schweiz ganz ohne Ausländer bevorzugen würden.
Ab wann grenzt die Initiativen-Flut an eine Diktatur des Volkes? Macht die direkte Demokratie so noch Sinn?
Der Irrglaube, es gebe verschiedene Qualitäten von Menschen, verschiedene Widrigkeitsstufen von Ausländern, und dass ein Schweizer in der Schweiz vor dem Gesetz etwas Besseres sei als der Ausländer, scheint inzwischen Common Sense zu sein.
Wir müssen etwas unternehmen. Gemeinsam. Die vermeintlichen Landesretter daran hindern, unser Land durch die Durchsetzungsinitiative noch näher an den Rand des braunen Abgrundes zu schieben, ist das eine. Das andere wäre, Konzepte zu finden, die solch hetzerischen Kampagnen den Nährboden entziehen.
Wir müssen anfangen, uns gewagte Fragen zu stellen: Ist der Fakt, dass eine Person mit ihren Äusserungen und Ansichten viele Menschen anspricht, Legitimation genug, um sie in politische Ämter zu wählen? Müssten die Menschen, die die Geschicke dieses Landes leiten, nicht eher durch Fachwissen, Erfahrung, Empathie und Kreativität brillieren? Ab wann schlagen die Ängste der Bevölkerung und das Beackern dieser Ängste in Faschismus um? Ist das Volk das Mass aller Dinge? Ab wann grenzt die Initiativen-Flut an eine Diktatur des Volkes? Macht die direkte Demokratie so noch Sinn?
Sollten statt Parteien nicht Experten Lösungsvorschläge für spezifische Probleme vorlegen, über die das Volk dann abstimmt?
Sollen dem Volk bei Abstimmungen vereinfachte, plakative Fragen gestellt werden, wie zum Beispiel: Wollt ihr weniger kriminelle Ausländer? Oder müssten nicht viel eher Experten aus verschiedenen Disziplinen zukunftsorientierte Lösungsvorschläge für spezifische Probleme vorlegen, über die das Volk dann abstimmt?
Wenn man sich solche Fragen stellt, muss man in Kauf nehmen, dass einem Verblendung, naives Gutmenschentum und der Wunsch nach Abschaffung der Demokratie vorgeworfen werden. Ironischerweise kommen diese Vorwürfe oft aus den gleichen Kehlen, die sonst die Ausschaffungs- und Durchsetzungsinitiative und somit die Aushöhlung des Rechtsstaates, den Angriff auf die Menschenrechte, also das Sägen an den Grundpfeilern unserer Demokratie, loben. Wir müssen uns trotzdem äussern.
Wir brauchen keine neue Mob-Mentalität. Sondern eine neue oder neu belebte Ethik, die es Parteien und Medien schwerer macht, das Volk aus Marketinggründen mit plumpen Parolen aufzuhetzen.