Die Richterin – das grosse Feindbild der Muslimbrüder

Der Machtkampf zwischen den ägyptischen Muslimbrüdern und der Justiz hat auch ein Gesicht und zwar das einer Frau, der Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtes Tahani al-Gebali.

(Bild: zVg)

Der Machtkampf zwischen den ägyptischen Muslimbrüdern und der Justiz hat auch ein Gesicht und zwar das einer Frau, der Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtes Tahani al-Gebali.

Frauen in der vordersten Reihe der ägyptischen Opposition sind rar. Eine hat es als einzige auf einen Spitzenplatz in der Liste der Feinde der regierenden Muslimbrüder geschafft. Das Foto von Tahani al-Gebali, der Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtes, prangt in der Porträtgalerie, die die Islamisten als Transparent bei ihren Demonstrationen jeweils mittragen. In Sprechchören wird sie ganz persönlich als «Feindin des Staates» und «Feindin der Stabilität» beschimpft.

Standfeste Powerfrau

Solche Anfeindungen lassen die Powerfrau ungerührt. Sie ist standfest. Das hat die Juristin in vielen öffentlichen Auftritten bewiesen. Bevor sie ex-Präsident Hosni Mubarak am 23. Januar 2003 zur ersten ägyptischen Richterin ernannt hatte, war sie viele Jahre als Aktivistin präsent, etwa bei Solidaritätsaktionen für die Palästinenser, und immer mit der Opposition assoziiert. Ihre politische Heimat hat sie bei den arabisch-sozialistischen Nasseristen, auch wenn sie der Partei nicht mehr angehört. Aus ihrer Abneigung gegen die Islamisten hat sie nie einen Hehl gemacht. Religion ist für sie etwas Persönliches und kein Instrument der Politik.

Gebali wurde 1950 in der Delta-Stadt Tanta in eine Familie geboren, die mit Muslimen und Christen gleichermassen gut vernetzt war. Ihre Mutter, eine Schuldirektorin, war einige Zeit auch stellvertretende Erziehungsministerin und der Vater, ein Ingenieur im Dienste des Roten Kreuzes, erlaubte seiner Tochter, während des Studiums in Kairo alleine zu wohnen. Sie ist nicht verheiratet und hat keine Kinder und entspricht damit so gar nicht der ägyptischen Gesellschaftsnorm.

Nach ihrem Jura-Studium arbeitete sie als Anwältin und vertrat viele, zum Teil prominente Fälle, in denen es um persönliche Freiheitsrechte oder Arbeitsrecht ging. Sie war die erste Frau im Vorstand des ägyptischen Anwaltsverbandes und der Vereinigung der Arabischen Anwälte und sie engagierte sich in der Kampagne, die den Zugang der ägyptischen Frauen zum Richteramt forderte, nachdem schon damals 51 Prozent der juristischen Akademiker Frauen waren und Frauen als Dozentinnen auch männliche Richter ausbildeten. 2003 öffnete Mubarak diese Tür. Er bestellte Gebali zur ersten Richterin und das gleich am Verfassungsgericht, dessen Vizepräsidentin sie heute ist.

Frauenrechtlerin mit Sharia-Diplom

Frauen- und Bürgerrechte waren ihr immer ein besonderes Anliegen. Das war ein Grund, weshalb sie zur Zielscheibe der Islamisten wurde. Gebali kennt ihren Koran, denn sie hat nicht nur einen Abschluss in öffentlichem und in Verfassungsrecht, sondern auch ein Diplom in Sharia, was im Kampf um Bürgerrechte gegen ihre religiös-konservativen Gegner besonders nützlich ist. Endgültig zu ihrer Feindin geworden ist sie, nachdem die New York Times im Juli dieses Jahres einen Artikel veröffentlicht hatte, wonach die Verfassungsrichterin den Obersten Militärrat beraten haben soll, wie die Muslimbrüder mit juristischen Mitteln, insbesondere der Parlamentsauflösung, zu stoppen sind. Gebali hat diese Anschuldigung zwar dementiert, der Vorwurf ist aber im Raum stehen geblieben, denn auch die Zeitung blieb bei ihrer Geschichte.

 


 

 

 

 

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