Die Riehener Tea Party boxt sich nach oben

Mit ihrer Tea-Party-Politik treibt die SVP die anderen Riehener Parteien vor sich her. Und hat damit für einen Rechtsrutsch bei den bürgerlichen Parteien gesorgt. Ein Meisterstück.

40 Jahre an der Macht könnten bald vorbei gehen. Um die mögliche Nachfolge der EVP an der Spitze Riehens wird ein regelrechter Hahnenkampf ausgetragen. (Bild: Nils Fisch)

Mit ihrer Tea-Party-Politik treibt die SVP die anderen Riehener Parteien vor sich her. Und hat damit für einen Rechtsrutsch bei den bürgerlichen Parteien gesorgt. Ein Meisterstück.

Ein Gespenst geht um in Riehen: Hat sich in der exklusiven Basler Landgemeinde die Tea Party breitgemacht? Man hört von ihr, wenn man sich über die bürgerliche Allianz erkundigt, die am 26. Januar die Gemeindewahlen gewinnen will.

Tea Party ist zunächst einmal eine Verunglimpfung des politischen Gegners, des Zweckbündnisses aus CVP, FDP und SVP, es beschreibt aber auch die tektonischen Verschiebungen im bürgerlichen Lager. ­Dieses hat sich – weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit – seit den letzten Wahlen 2010 nach rechts begeben.

Das bürgerliche Ticket für den Gemeinderat lässt wenig Zweifel am Rechtsrutsch mit christlich-fundamentalem Anstrich. Die brav katholische CVP schickt den bibeltreuen Daniel Albietz ins Rennen, einen Mann, der hinter dem Erscheinungsbild eines frischen, sympathischen Familienvaters ­homophobe Thesen unterstützt und sich strategisch vom Herrgott beraten lässt. Was in Riehen keine Skepsis hervorruft: Albietz schaffte vor vier Jahren ein Glanzresultat. Partnerin FDP versucht Silvia Schweizer im Gremium unterzubringen, die anders als ihr Ehemann, der frühere Gemeinderat Marcel Schweizer, mit einer progressiven bürgerlichen Politik wenig anfangen kann.

Opposition bis ins Absurde

Auch die SVP hat sich erst gar nicht bemüht, einen gemässigten Kandidaten aufzustellen. Sie bringt erneut Eduard Rutschmann, jenen Mann, der die Riehener Politik seit Jahren vor sich her treibt. Mit konsequenter Oppositionspolitik, bisweilen bis ins Absurde, oft auch ins Unredliche getrieben, hat Rutschmanns SVP die anderen Parteien nachhaltig verunsichert. Zuletzt, als der Gemeinderat einen Plan ausgearbeitet hatte, wie die längst überfällige Neugestaltung des heute klinisch toten Riehener Dorfkerns ausschauen solle, ergriff die SVP das Referendum. Sie führte Bedenken des Gewerbes an, konnte aber selbst auf Nachfrage keine ­Ladenbesitzer aufführen, die Benachteiligungen befürchten.

Das ist durchaus eine Tea-Party-Methode: alle Ideen, alle Vorlagen, die von oben kommen, torpedieren, um die Regierung in der Öffentlichkeit als handlungsschwach und abgehoben darzustellen. Das Argument für die Obstruktion der SVP ist in der Regel immer dasselbe: Die ­Kosten seien zu hoch, das Volk habe Bedenken.
Dabei gelangte Volkes Stimme Rutschmann auf eher undemokra­tische Art und Weise ins Amt. Die Erzählung will es, dass Christoph Blocher höchstpersönlich an der Gründungsversammlung der SVP Riehen den Präsidenten der neuen Sektion kürte. Es war am 8. Juni 2007 im Riehener Landgasthof, als Blocher vor seine Getreuen stand und auf den Zöllner Rutschmann zeigte. «Machst du den Präsidenten?» – Rutschmann war erst überrumpelt, bevor er sich der grossen Ehre gewahr wurde und einwilligte.

Das bürgerliche Lager in Riehen hat sich seit den Wahlen 2010 nach rechts verschoben.

Blocher kann sich heute der ­Gewissheit erfreuen, die richtige Wahl getroffen zu haben. 20 Prozent Wähleranteile holte die SVP im konservativen Riehen 2010. Vor allem aber hat sie die bürgerlichen Par­teien so verängstigt, dass sich diese in den Windschatten der SVP begeben haben.
Doch das Erstarken einer Seite geht nicht ohne die Schwäche der ­anderen. Die Wählerbasis der in ­Riehen traditionell starken Randparteien EVP (an deren Rockzipfel die SP hängt) und LDP ist seit dem Treiben der SVP am Erodieren. ­LDP-Kandidat Thomas Strahm und EVP-Frau Christine Kaufmann wissen sich im Präsidiumswahlkampf nicht besser zu helfen, als auf ihre Sachkompetenz und politische Erfahrung hinzuweisen. Keine gute Taktik in einem Dorf, in dem sich die Anti-Establishment-Stimmung breitgemacht hat.

Hansjörg Wilde hat beste Karten

So hält kurz vor den Wahlen der Präsidiumskandidat der bürgerlichen Allianz die besten Karten in den Händen. Der parteilose Gewerbler Hansjörg Wilde überraschte 2010 die Gemeinde, als er ohne Parteiensupport nur knapp das Präsidium verpasste. Nun hat er den bürger­lichen Block hinter sich. Wilde nimmt für sich in Anspruch, für alle Anliegen offen zu sein. Er wolle links und rechts, oben und unten, vorwärts und rückwärts sein. Er will ein bisschen Veränderung, vor allem aber nicht zu viel.

Als Anhänger der Freikirche St. Chrischona ist er ein bisschen evangelikal, nicht zu sehr, nur im Privaten, wie er im Gespräch betont, aber gerade so viel, dass ihn die «Basler Zeitung» als einzig wahren Christen im Präsidiumswahlkampf heraushebt.

Wilde gibt sich als Vermittler, als lösungsorientierten Schaffer. Er ist Rutschmanns Meisterstück: Wilde schüttet schwebend über dem Parteien-Hickhack die Gräben zu, die von der SVP ausgehoben worden sind.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 17.01.14

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