Seit der Krieg in Syrien tobt, steigen die Spannungen zwischen den Religionsgemeinschaften auch im Libanon. Mit Strafaktionen gegen die schiitische Hizbollah heizt Saudi-Arabien diese Stimmung an. Die Folge waren kleinere Scharmützel in Beiruts Strassen, die vorerst eingedämmt werden konnten.
Am Mittwoch hat sich die Charade zum 36. Mal abgespielt. Die Abgeordneten des libanesischen Parlaments waren aufgerufen, einen Präsidenten zu wählen. Wie bei den 35 Versuchen davor, wurde das Quorum verfehlt, wenn auch weniger deutlich. Die schiitische Hizbollah will noch nicht; die christlichen Maroniten, denen der Posten zufällt, können sich nicht auf einen Kandidaten einigen.
Der Ausnahmezustand ist das Schaulaufen für die Sicherheitskräfte. Alle Zugänge zur Place d’Etoile waren schon am Vorabend mit Stacheldraht abgesperrt. Der Libanon erlebt unruhige Zeiten. Im November gab es bei einem IS-Anschlag in einem schiitischen Wohnviertel Beiruts 43 Tote. Seit zehn Tagen schiesst Saudi-Arabien eine Salve nach der andern gegen den Zedernstaat. Am Mittwoch erreichte die Eskalation einen neuen Höhepunkt, als alle Golfländer die Hizbollah zur Terror-Organisation erklärten.
Die saudischen Strafaktionen könnten zum Bumerang werden
Die Hintergründe lassen sich wie folgt zusammenfassen: Saudi-Arabien realisiert, dass die USA den Iran immer stärker als stabilisierenden Faktor in der Region betrachtet, gegen diesen Verlust des eigenen Einflusses kämpft Riad mit allen Mitteln an. So erklärt die Entwicklung jedenfalls der Politologe Hilal Khashan im Gespräch.
Und Saudi Arabien hat folgende: Die Saudis, traditionell ein grosszügiger Pate des Libanon, haben 4 Milliarden Dollar Militärhilfe eingefroren, eine Reisewarnung für eigene Landsleute ausgesprochen – die Golfländer folgten – 90 Libanesen ausgewiesen und mehrere libanesische Firmen auf die schwarze Liste gesetzt. Der Vorwand war ein diplomatisches Geplänkel. Hintergrund ist die Rolle der Hizbollah-Kämpfer in Syrien an der Seite des Assad-Regimes und des Iran; eine Rolle die stillschweigend auch von den USA akzeptiert wird, weil sie den Kampf gegen den IS einschliesst.
Lokale Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten, die auch im syrischen Bürgerkrieg Gegner sind, konnte die Armee bisher immer eindämmen. Politologe Khashan ist überzeugt, dass die Hizbollah kein Interesse an einer Eskalation im eigenen Land habe.
Auch Hariri hat am Mittwoch betont, dass er den Dialog mit der Hizbollah weiterführen werde, sektäre Gewalt dürfe das Land nicht zerstören. Um zu verhindern, dass der Libanon wie Syrien werde, müsse die Wahl eines Präsidenten schnell erfolgen. Das werde allerdings erst geschehen, wenn der syrische Konflikt entschärft sei, sagt Kashan, der Professor an der Amerikanischen Universität in Beirut ist.
Wirklich hart trifft den Libanon das Fernbleiben der saudischen Touristen
Viele Libanesen machen sich dennoch Sorgen, um die wirtschaftlichen Konsequenzen der saudischen Salven, obwohl der saudische Tourismus im Libanon seit Ausbruch der Syrien-Krise bereits um 60 Prozent eingebrochen ist. «Die hohe Politik sorgt für Spannungen und wir leiden darunter, dabei wollen wir nur ein anständiges Auskommen», sagt der Besitzer eines traditionsreichen Geschäftes im Stadtzentrum, wo viele Läden und Restaurants bereits aufgegeben haben.