Die Schweiz im Propagandafeuer

Der Erste Weltkrieg war auch ein Krieg der Propaganda. Deutschland und Frankreich kämpften um die öffentliche Meinung in der Schweiz. Zwei Ausstellungen in Bern zeigen das eindrücklich, hinfahren lohnt sich.

(Bild: Nationalbibliothek,Bern)

Der Erste Weltkrieg war auch ein Krieg der Propaganda. Deutschland und Frankreich kämpften um die öffentliche Meinung in der Schweiz. Zwei Ausstellungen in Bern zeigen das eindrücklich, hinfahren lohnt sich.

Die offizielle Schweiz war im Ersten Weltkrieg bekanntlich neutral. Doch die kriegführenden Mächte, insbesondere Deutschland, Frankreich und Grossbritannien, mochten sich damit nicht abfinden. Mit unterschiedlichen Mitteln bemühten sie sich, wenn schon nicht die Behörden, so doch wenigstens die öffentliche Meinung auf ihre Seite zu ziehen.

Dabei versuchten sie den Umstand auszunutzen, dass sich die deutsche Schweiz kulturell eher an Deutschland und die französische Schweiz eher an Frankreich orientierte. Dies führte dazu, dass die beiden Landesteile bei Kriegsausbruch mehr oder weniger spontan unterschiedliche Sympathien hegten und eine Art Meinungsgraben durch die Schweiz ging.

Einflussnahme auf die Presse

Die kriegführenden Mächte vertrauten aber nicht einfach darauf, dass diese «natürlichen» Sympathien spielten, sondern waren darauf bedacht, dass ihnen in der Schweiz eine Infrastruktur zu Verfügung stand, die es erlaubte, Propaganda zu betreiben.

So sicherte sich Deutschland beispielsweise die geheime Kontrolle der Zeitung «Züricher Post» und Frankreich jene der «Tribune de la Genève». Indem sie diese ihnen ohnehin schon wohlgesinnten Zeitungen finanzierten, wollten sie verhindern, dass diese Blätter unter die Kontrolle der Gegner geraten könnten.

Das «richtige» Bild

Mit Film und Fotografie standen der Propaganda im Ersten Weltkrieg neue Medien zur Verfügung, mit denen sich das «richtige» Bild vom Krieg in bisher unbekannter Weise einem Massenpublikum vermitteln liess.

Fotos, die das Kriegsgeschehen scheinbar wahrheitsgetreu dokumentierten, waren sehr beliebt. Mit illustrierten Zeitschriften erreichte man ein grosses Publikum. Es erstaunt daher nicht, dass der Schweizer Verlagsmarkt zu einem Tummelfeld der kriegführenden Staaten wurde. Den Anfang machte Deutschland mit der Herausgabe des «Illustrierten Kriegs-Kuriers», der Fotografien und Radierungen mit mehrsprachigen Bildlegenden publizierte.

Frankreich reagierte darauf mit der Lancierung der illustrierten Wochenzeitschrift «Mars» in Basel. Schliesslich beteiligte sich auch noch Grossbritannien am Krieg der Bilder mit der 1917 in Zürich gegründeten «Illustrierten Rundschau».

Das Medium Film

Dank dem Entstehen der Filmindustrie Anfang des 20. Jahrhunderts stand im Kampf um den Applaus des (Kriegs-)Publikums ein weiteres Medium zur Verfügung. Filmreportagen waren schon vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs beliebt, sei es, dass der Besuch des deutschen Kaisers in der Schweiz, die Beisetzung des Arbeiterführers August Bebel oder Gefechte des Balkankrieges über die Leinwand flimmerten.

Die Kriegsparteien lieferten aber nicht nur Filme. Ab 1917 soll Deutschland die meisten Kinos der Deutschschweiz kontrolliert haben, während die Entente dieselbe Strategie in der Romandie verfolgte.

Auch die Schweizer Behörden nutzten das neue Medium. So gab der Generalstab 1917 einen offiziellen Dokumentarfilm über die Grenzbesetzung in Auftrag, der als geistige Mobilmachung wirken sollte. Der 50-minütige Film mit dem Titel «Die Schweizer Armee» kam im April 1918 in die Kinos und war ein grosser Erfolg.

Massenpost

Ein «niederschwelliges» Propagandamittel waren Bildpostkarten. Die Schweizer Poststellen fertigten von 1914 bis 1918 jährlich zwischen 60 und 80 Millionen Postkarten ab. Waren die «politischen» Statements der Bildseite zu krass, wurden die als «pornografisch» eingestuften Karten von der Post beschlagnahmt. In der Ausstellung im Museum für Kommunikation sind einige solcher Karten zu sehen. Sie zielen weit unter die im Krieg sowieso schon tiefe Gürtellinie und mobilisieren die schlimmsten Vorurteile. Angesichts der Masse von Postkarten, die die Schweizer Post zu bewältigen hatte, dürften ihr viele solcher Karten durchs Netz gegangen sein.




Die neutrale Schweiz war im Ersten Weltkrieg Zielscheibe von Propaganda der Kriegsparteien. (Bild: (Karikatur von Karl Czerpien © Nebelspalter Verlag))

Risse in der Schweiz

Unter dem Druck des Krieges und der Propaganda verstärkten sich auch gewisse Risse in der Schweiz, die es auch vorher schon gab. So stiess noch vor Kriegsausbruch ein Plakat für die Landesausstellung von 1914 in Bern in der Romandie auf Ablehnung, weil sein Motiv als «zu deutsch» empfunden wurde, worauf man es durch ein Plakat mit Schweizer Bergen ersetzte.

Nicht immer ging man dabei so spielerisch mit Vorurteilen um wie der «Nebelspalter». Seine «Jasskarte» zeigt einen «typischen» Deutschweizer und einen ebenso «typischen» Welschen.

Anderseits fehlte es nicht an Bemühungen, den nationalen Zusammenhalt zu verstärken. Eine wichtige Rolle kam dabei der Schweizer Armee zu. Einen Beitrag zur Festigung einer Schweizer Identität kam auch der erstmals 1917 in Basel durchgeführten Schweizer Mustermesse zu.




Die symbolische Darstellung «Die geteilte Schweiz» von Johann Friedrich Boscovits thematisiert den Graben zwischen deutscher und französischer Schweiz und sielt mit Klischees. (Bild: © Nebelspalter Verlag)

Zwei Ausstellungsorte, ein Thema

Die Ausstellung «Im Feuer der Propaganda» ist ein gemeinsames Unterfangen des Museums für Kommunikation und der Schweizerischen Nationalbibliothek.

Im Museum für Kommunikation liegt das Gewicht mehr auf Bildern und Tönen. Hier kann man sich etwa den 1917 produzierten Film «Die Schweizer Armee» und beschlagnahmte Postkarten ansehen oder sich das Lied «Gilberte de Courgenay» anhören und seine Geschichte kennenlernen.

Ein paar Schritte weiter, im Ausstellungsraum der Schweizerischen Nationalbibliothek, liegt das Gewicht mehr auf Textdokumenten und Zeitungsseiten, aber es fehlt auch nicht an Illustrationen und Plakaten.

Der Ausstellungsteil im Museum für Kommunikation eignet sich gut zum Einstieg in die Thematik, jener in der Schweizerischen Nationalbibliothek bietet zahlreiche Vertiefungsmöglichkeiten.

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Die Ausstellung «Im Feuer der Propaganda» dauert noch bis 9. November 2014. Sehr zu empfehlen: Das Beiheft mit den Ausstellungstexten und einigen Illustrationen erhältlich.

Museum für Kommunikation, Helvetiastrasse 16, Bern, Mo 10–18 Uhr (nur «Im Feuer der Propaganda»), Di–Fr 10–18 Uhr, Sa–So 10–17 Uhr.

Schweizerische Nationalbibliothek, Halwylstrasse 15, Bern, Mo–Fr 10–18 Uhr, Sa–So 10–17 Uhr.

 

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