Liestal attraktiver zu machen, ist eine schwierige Aufgabe. Lukas Ott, der Grüne Kandidat fürs Stadtpräsidium, hält sie aber für machbar. Er versucht eben immer, nur positiv zu denken. Darum glaubt er auch an ein neues Baselbiet. Und an einen wiedervereinigten Kanton Basel.
Geliebt wird Liestal noch immer nur sehr bedingt. Die vielen Beamten, die am Morgen jeweils hierher pendeln, sind froh, wenn sie abends endlich wieder nach Hause fahren können. Und auch die Einheimischen bleiben lieber daheim oder gehen sonstwo in den Ausgang als ims Stedtli, wo Kulturveranstalter sagen, das Bewilligungswesen habe in erster Linie ein Ziel: Projekte zu verhindern. Und wo der Begriff Strassenbeiz so wörtlich genommen wird, dass der Kaffee, das Bier oder der Drink teilweise schon fast im Strassenverkehr serviert wird.
Dabei wäre dieses ungeliebte Liestal doch so wichtig – für den gesamten Kanton. Wenn dieser noch gerettet werden kann, dann hier. In den meisten anderen Baselbieter Gemeinden scheint man allerdings nicht mehr allzu viel Gutes vom Zentrum der Politik und der Verwaltung zu erwarten. Bestenfalls foutiert man sich darum. Immer häufiger ärgert man sich aber auch, über eine weitere Verordnung, eine neue Sparmassnahme, die in Liestal erlassen worden ist.
Das Stedtli mit dem grossen Potenzial
Lukas Ott (46) kennt die Befindlichkeiten des Baselbiets. Und die Defizite Liestals. «Das Stedtli könnte mehr leben», sagt er. Dennoch würde sich der Grüne Stadtrat niemals abschätzig über seine Wahlheimat äussern. Über Probleme zu lamentieren, das ist nicht seine Art. Der Soziologe und Kommunikatikonsfachmann, ist einer, der überall das Positive sucht – und es meistens auch findet, das «Potenzial», wie er es nennt.
Liestal etwa habe grosses Potenzial. Und nutze es seit wenigen Jahren auch zunehmend. Die Stadt investiert in ihre Schule, ihre Plätze, ihre Quartiere. Und die privaten Investoren ziehen nach. So entsteht im Baselbiet zumindest im Hauptort so etwas wie eine neue Dynamik. Konsequent aufgewertet wird vor allem das Gebiet zwischen Bahnhof und Stedtli mit neuen Geschäften, neuen Büros, Pärkchen und Alleen. Diese Vorwärtsstrategie macht Liestal nicht nur attraktiver; sie scheint sich auch finanziell auszuzahlen; die Schulden konnten in den vergangenen Jahren jedenfalls von 65 auf 23 Millionen Franken abgebaut werden.
«Liestal verändert sich, es ist wieder attraktiv für junge Menschen und junge Familien», sagt Ott. Eine Chance ist das auch für ihn selbst, nach einer ersten, gescheiterten Kandidatur vor acht Jahren nun endlich Stadtpräsident zu werden. Im ersten Wahlgang hat er seine Gegenkandidatin, Stadtpräsidentin Regula Gysin (FDP, 68), deutlich hinter sich gelassen. Nun sieht es im Hinblick auf den zweiten Wahlgang vom 17. Juni gut aus für ihn. Ein Grüner an der Spitze von Liestal – das wäre was! Vor ein paar Jahren wäre das in diesem noch immer etwas verschlafenen Stedtli kaum vorstellbar gewesen. «Im neuen, jungen Liestal wird eben plötzlich vieles möglich», sagt Ott.
Jetzt will er die Grenzen sprengen
Ihm gefällt diese Dynamik, die seiner Ansicht nach dringend den ganzen Kanton erfassen müsste. Auf dieser Ebene wird aber nicht einmal er auf seiner ständigen Suche nach dem Positiven mehr fündig. «Im Kanton herrscht nur noch Stillstand», sagt er: «Die Situation ist dramatisch.» Weil der Kanton immer nur die Steuern gesenkt und eine verfehlte Investitionspolitik verfolgt hat, ohne für wirtschaftliches Wachstum zu sorgen und zusätzliche Erträge zu generieren. «Das Baselbiet ist an seine Grenzen gestossen und kommt nicht mehr weiter», sagt er.
Darum will er nun Grenzen sprengen und die veralteten, ineffizienten Strukturen überwinden. «Nur so gewinnen wir den verlorenen Handlungsspielraum wieder zurück», sagt er.
Tönt gut. Doch wie soll das gehen?
Erstens müssen die Gemeinden wieder mehr Kompetenzen erhalten, sagt Ott. «Viele Aufgaben könnten sie sehr viel besser erledigen als der Kanton, weil sie den Bürgerinnen und Bürgern einfach näher sind.» Das heutige Baselland sei viel zu zentralistisch: «Umso gravierender sind die Auswirkungen, wenn der Kanton so wie jetzt mehr und mehr die Handlungsfähigkeit verliert.»
Zweitens müsste das Baselbiet sehr viel enger mit Basel zusammenarbeiten und mittel- bis langfristig fusionieren: «Die beiden Halbkantone ergänzen sich perfekt, sie gehören zusammen», sagt Ott: «Um sie wirtschaftlich und raumplanerisch sinnvoll weiterzuentwickeln, ist eine gemeinsame Anstrengung nötig.»
Eine Wiedervereinigung der beiden Basel, ist das nicht eine Illusion?
Nein, sagt Ott, der Sozialhistoriker. Das Verbindende sei immer stärker gewesen als das Trennende. Selbst 1832/33, als die Städter auf stur schalteten und die Landschäftler zu wenig Gewicht hatten, um die Gleichberechtigung mit friedlichen Mitteln durchzusetzen und der gemeinsame Kanton Basel auseinanderbrach. «Die Trennung hätte dennoch vermieden werden können, doch zunächst konnte die Tagsatzung keine Lösung erreichen, und später wollte sie es nicht mehr, um möglichst bald wieder Ruhe zu haben», sagt Ott. Das sei typisch für die Region: «Die grossen Veränderungen wurden meistens von Aussen erzwungen. Jetzt wäre es endlich an der Zeit, selbst aktiv zu werden und unsere Geschichte selber zu prägen.»
Selbstverständlich kommt Ott nicht überall gut an mit seinen Aussagen. Im Kanton ärgern sich die Berufsbaselbieter über seine Affinität zu Basel. Und in Liestal fragen sich die Bürgerlichen, wie weit die gemeinsam eingeschlagene Wachstumsstrategie verfolgt werden kann. Und ab wann diese ins Verderben führt. Denn noch steht die Stadt finanziell schlechter da als die meisten anderen grossen Baselbieter Gemeinden, vor allem jene im Unteren Kantonsteil.
Darum diskutiert Liestal jahrelang auch über kleinere Geschäfte wie die familienergänzende Betreuung. Bürgerliche Politikerinnen und Politiker wie Regula Gysin warnen auch in diesem Bereich vor allzu grossen Ausgaben, während Ott es für selbstverständlich hält, dass dem neuen, jungen Liestal auch gute Krippen geboten werden. «Wir müssen uns als Ermöglicher sehen», sagt er: «Weil von den neuen Angeboten alle profitieren – die Einwohner ebenso wie die Stadt, die so zusätzliche Einnahmen generieren kann.»