Monika Wiedemann ist seit über zwei Monaten mit Peace Watch Switzerland in Israel. Ihren letzten Monat verbringt sie in Bethlehem.
Als Monika Wiedemann sich frühpensionieren liess, war für sie klar: Sie wollte für längere Zeit in die Welt hinaus, dort leben und wirken. Sie meldete sich bei der Menschenrechts-Organisation «Peace Watch Switzerland»für das Begleitprogramm EAPPI (Ecumenical Accompaniment Programme in Palestine and Israel) an.
Eigentlich sollte die Schweizerin für drei Monate in Jerusalem bleiben. Doch nach knapp zweimonatigem Einsatz in Ostjerusalem nahm ihr Aufenthalt eine unerwartete Wendung: Eine Kollegin in Bethlehem wurde krank und nach Hause geschickt. So wurde Wiedemann angefragt, ob sie den freigewordenen Posten übernehmen wolle, da es dort besonders viel Arbeit gebe.
Eine neue Herausforderung
Wiedemann freute sich über die neue Herausforderung: «Bei Peace Watch Switzerland dachten sie sofort an mich, weil sie wussten, dass ich gerne mehr arbeiten würde, als es in Ostjerusalem nötig war.»
An Heiligabend erreichte sie die biblische Stadt. In dieser internationalen Pilgerstätte für Touristen Menschenrechts-Arbeit zu leisten, sei nicht immer einfach. Manchmal komme Wiedemann die Art der Touristen ignorant und oberflächlich vor. Andererseits sei es auch berührend, an diesem historischen, biblischen Ort zu leben.
In Jerusalem haben die Einsätze vorwiegend in städtischem Umfeld stattgefunden. Nicht so in Bethlehem: Dort fahren Monika und ihre Kollegen täglich in palästinensische Dörfer in der Umgebung hinaus.
Steine werfen gegen die Besatzung
Die Allgegenwärtigkeit der israelischen Soldaten löst bei den palästinensischen Dorfbewohnern Groll aus. Ständig werden sie beobachtet, kontrolliert und daran erinnert, dass sie nicht in Freiheit leben, sondern in einem besetzten Land. Es kommt häufig zu Streitigkeiten zwischen den Soldaten und der Zivilbevölkerung.
Jugendliche und Kinder lehnen sich gegen die israelische Besatzung auf. (Bild: Monika Wiedemann)
Schüler bewerfen die Soldaten mit Steinen. Für Wiedemann ist der Fall klar: Zu den Ausschreitungen komme es nur wegen der provokativen Präsenz des israelischen Militärs.
Nach den jugendlichen «Übeltätern» wird dann gefahndet. Wiedemann war kürzlich im palästinensischen Dorf Al Khadr bei der Verhaftung zweier Jungs dabei, die Steine geworfen haben sollen.
In Al Khadr konnte Wiedemann die Verhaftung zweier Jungen hautnah mitverfolgen. (Bild: Monika Wiedemann)
Das Dorf Al Khadr befindet sich in der Zone B, und wird demnach nicht vollends von Israel verwaltet. Die palästinensische Behörde hat dort – zumindest offiziell – noch Einfluss. Als Wiedemann und ihre Kollegen die Verhaftung beobachtet hatten, berichteten sie es sofort der palästinensischen Verwaltung.
Verhaftungen stehen an der Tagesordnung
Die Verhaftung der beiden jungen Männer in Al Khadr ist ein Beispiel von vielen. Die Situation in Israel-Palästina ist momentan angespannter als bislang. Verhaftungen und Hausdurchsuchungen stehen an der Tagesordnung.
Mario Burch ist für die Israel-Palästina-Abteilung bei Peace Watch Switzerland zuständig. Im Gespräch bestätigt er, dass sich die Situation im Nahostkonflikt momentan wieder zuspitzt. Es komme vermehrt zu Verhaftungen, die häufig provokativen Charakter haben. «Schuljungen werden etwa nachts aus dem Bett geholt und abgeführt, weil sie Steine geworfen haben.»
Weitere Intifada wird befürchtet
Laut Burch hat die zunehmende Spannung zwischen Israel und Palästina mehrere Gründe. Zum einen steige die Frustration über die erfolglosen Friedensverhandlungen, die von den USA vorangetrieben werden. «Nicht, dass die Palästinenser mit irgendwelchen Illusionen an den Verhandlungen teilnehmen – trotzdem ist es jedes Mal erneut ein schwerer Schlag, dass das Ganze einfach eine Farce ist», sagt Burch.
«Irgendwann werden sich die Menschen wieder wehren.»
Ein weiterer Grund für den zunehmenden Widerstand der Palästinenser sei, dass einer älteren, traumatisierten Generation allmählich eine jüngere und mutigere folge. Die ältere Generation sei von den Folgen der zweiten Intifada (die Bezeichnung für zwei palästinensische Aufstände gegen Israel) massiv geprägt. «Nach der Intifada im Jahr 2000 kriegten die Palästinenser starke Repressalien zu spüren», sagt Burch. Die momentan heranwachsenden Palästinenser seien von diesen Auswirkungen noch unbehelligt und wollten nicht resignieren.
Aufgrund des zunehmend spürbaren Widerstands befürchten die Israelis nun eine dritte Intifada. Auch Burch bezweifelt nicht, dass es irgendwann wieder zu einem Aufstand kommen wird: «Die israelischen Siedlungen werden immer grösser, das Land der Palästinenser immer kleiner. Irgendwann werden sich die Menschen wieder wehren.» Zudem befürchtet er, dass eine weitere Intifada nicht nur für die israelische Zivilbevölkerung, sondern auch für die Palästinenser ausschliesslich negative Folgen hätte.
Die Situation ist für die Einsatzleistenden nicht leicht
Für die Einsatzleistenden sei die aktuelle Situation sehr herausfordernd und nur schwer zu ertragen, sagt Burch. Auch Wiedemann sagt: «Egal, wo man hingeht – es ist sehr schwierig.»
Wie ist es da möglich, sich noch irgendwie abzugrenzen, und nicht komplett abzutauchen in diese Welt der Ungerechtigkeiten? Es sei tatsächlich nicht einfach, noch einen etwas objektiven Blick zu bewahren und nicht völlig mit der Thematik zu verschmelzen, sagt Wiedemann.
Es sei wichtig, manchmal abzuschalten. Am Anfang sei ihr das schwergefallen, mittlerweile habe sie gelernt, gut zu sich zu schauen und etwa genug zu schlafen – so habe sie auch einen klaren Kopf bei der Arbeit, und könne die nötige Ruhe vermitteln.
Wird fortgesetzt.
Artikelgeschichte
Monika Wiedemann wurde von HEKS und Peace Watch Switzerland als Menschenrechtsbeobachterin nach Palästina und Israel gesendet, wo sie am ökumenischen Begleitprogramm (EAPPI) des Weltkirchenrates teilnimmt. Die in diesem Artikel vertretenen Meinungen sind persönlich und decken sich nicht zwingend mit denjenigen der Sendeorganisationen. Falls Sie Teile daraus verwenden oder den Text weitersenden möchten, kontaktieren Sie bitte zuerst Peace Watch Switzerland unter palestine@peacewatch.ch. Weitere Informationen zum Begleitprogramm in Palästina/Israel finden Sie unter www.eappi.org und www.peacewatch.ch