Die Slowenen bereiten sich auf den Rückstau vor

Die Obergrenze für Flüchtlinge in Österreich sorgt in Slowenien für Aufruhr. Die Regierung hat einen Notfallplan für einen allfälligen Rückstau – aber das Volk steht nicht hinter den Plänen.

Migrants disembark from a bus at a railway station after arriving from Croatia, before proceeding further west, in Dobova, Slovenia, Tuesday, Jan. 5, 2016. (AP Photo/Darko Bandic)

(Bild: DARKO BANDIC)

Die Obergrenze für Flüchtlinge in Österreich sorgt in Slowenien für Aufruhr. Die Regierung hat einen Notfallplan für einen allfälligen Rückstau – aber das Volk steht nicht hinter den Plänen.

Vier Stunden, länger bleiben die Flüchtlinge nicht in Dobova. Der Ablauf ist klar für die Hunderten Ankömmlinge. Einem strengen Sicherheitscheck folgt die Registrierung und mit etwas Glück erhalten die Menschen danach Wasser, Essen und Hygieneartikel von freiwilligen Helfern. Dann geht die Reise bereits weiter an die österreichische Grenze.

Nichts erinnert in Dobova mehr an die schockierenden Bilder vom Oktober als hier Tausende Flüchtlinge unter freiem Himmel schlafen mussten, das System hat sich eingespielt. Aber bald könnte es damit vorbei sein.

Sobald Deutschland oder Österreich damit beginnen Flüchtlinge abzuweisen und die Grenzen zu kontrollieren, müssen Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien nachziehen, wenn sie keinen Rückstau im eigenen Land riskieren wollen. Der Oppositionspolitiker Bruno Grims (SDS) warnte sogar, dass die «Existenz Sloweniens bedroht» sei, nachdem er von den österreichischen Plänen für eine Obergrenze erfuhr.

Wie die «Welt am Sonntag» berichtete, verfasste der slowenische Premier Miro Cerar einen Brief an Angela Merkel und fordert: «Es ist höchste Zeit, dass wir eine dauerhafte Lösung finden, um die illegale Migration zu verringern», denn «die anhaltenden Belastungen für die Länder entlang der Flüchtlingsroute führen zu bilateralen Missverständnissen und ernsthaften Spannungen in der Region».



A mounted policeman leads a group of migrants near Dobova, Slovenia in this October 20, 2015 file photo. To match EUROPE-MIGRANTS/ECONOMY REUTERS/Srdjan Zivulovic/Files

Was, wenn die Schutztsuchenden nicht mehr weiterkönnen? Was, wenn wie im Spätherbst 2015 die Zahl der Flüchtlinge steigt und in Slowenien tausende Schutzsuchende stranden? (Bild: SRDJAN ZIVULOVIC)

Slowenien würde dabei einen Rückstau aber nicht am härtesten zu spüren bekommen, sondern seine Grenze zu Kroatien dicht machen. Polizeikräfte aus anderen EU-Ländern sind an der slowenischen Schengen-Aussengrenze im Einsatz. Ein Grenzzaun zu Kroatien ist schon weit fortgeschritten.

Und die Slowenen optimieren im Moment das Registrierungsverfahren: Am Donnerstag haben sie eine neue Regelung eingeführt, laut der nur noch Personen durchgelassen werden, die planen einen Asylantrag in Österreich oder Deutschland zu stellen. Da die Flüchtlinge dies bereits vor der Einreise in Slowenien wissen, ist durch diese Massnahme noch kein signifikanter Rückgang der Flüchtlingszahlen spürbar.

Noch lotst Slowenien die Schutzsuchenden also weiter durchs Land und dieses ist wohl ganz froh, dass die Flüchtlinge nicht bleiben wollen. Die Slowenen im Landesinneren bekommen die Flüchtlingskrise kaum mit und auch ihre Landsleute an den Grenzen erblicken Flüchtlinge vor allem als Fahrgäste in Bus und Bahn. Aber was, wenn die Schutzsuchenden nicht mehr weiterkönnen?

Primoz Jamsek ahnt übles. «Wenn Deutschland und Österreich die Grenzen schliessen, dann wird man auch in Ljubljana Turnhallen benutzen müssen, um die Menschen unterzubringen.» Jamsek ist von der Hilfsorganisation Filantropija und koordiniert in Dobova die freiwilligen Helfer. Turnhallen klingen im ersten Moment als eine mögliche Option, aber «unter den gegebenen Umständen kann man die Menschen nicht längerfristig unter menschenwürdigen Bedingungen an der Grenze unterbringen. Wenn plötzlich Tausende Flüchtlinge in Slowenien stecken bleiben und hier einen Asylantrag stellen, dann wird das ein Schock.»




«Unter den gegebenen Umständen kann man die Menschen nicht längerfristig unter menschenwürdigen Bedingungen an der Grenze unterbringen.» Primoz Jamsek von der Hilfsorganisation Filantropija ahnt Übles. (Bild: Krsto Lazarević)

Die Regierung in Ljubljana hat bereits erste Pläne ausgearbeitet für den Ernstfall. Auf dem Korridor zwischen Dobova und der österreichischen Grenze liegt ein Militärkomplex in Kidricevo, der als Asylzentrum für bis zu 4000 Flüchtlinge, die aus Deutschland oder Österreich abgewiesen oder abgeschoben wurden, dienen könnte. Die Bewohner des kleinen Städtchens in der Untersteiermark hat allerdings niemand gefragt.

«Refugees Welcome» – verkündet der Zug aus Ljubljana bei der Einfahrt in Kidricevo. Schwarz gesprüht auf dem ersten Wagen, aber nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein als das Graffiti, wie die Begegnung mit dem Bürgermeister zeigt. Anton Leskovar poltert: «Ich habe durch die sozialen Medien von den Plänen erfahren und das auch nur weil ein vertrauliches Dokument geleakt wurde.» Die Regierung in Ljubljana bestätigte die Pläne «für den Ernstfall». Aber der Bürgermeister will nicht mal die Option hinnehmen und weiss die Bevölkerung hinter sich.




In Kidricevo könnte die gesprühte Nachricht nicht weniger stimmen. (Bild: Krsto Lazarević)

Die Einwohner treffen sich freitagabends im «Atila» zu gegenseitigem Austausch und alkoholischen Getränken. Hier bilden sich zwei Fraktionen. Beide sind dagegen, nur die Argumente sind unterschiedlich. Die 26-Jährige Anja sagt stellvertretend für die einen: «Es sind einfach zu viele und wir wurden nicht informiert. Das Asylzentrum soll mehr Einwohner als Kindricevo haben und die Menschen hier mögen keine Veränderung.»

Die andere Fraktion wird von einem 41-Jährigen mit Elvis-Presley-Frisur angeführt, der keinen Hehl daraus macht, was sein Problem mit dem Asylzentrum ist: «Ihre Moscheen sollen die woanders bauen.» Seine Freunde nicken nach jeder seiner Aussagen. Viele Menschen in Kidriveco profitieren von der Nähe zu Österreich, weil sie dort arbeiten und besser verdienen. Nun glauben viele, dass ihnen diese Lage zum Verhängnis wird.

Zwei Fraktionen – beide sind gegen das Asylzentrum, nur die Argumente sind unterschiedlich.

Den «islamischen Imperialismus» machen die Gegner des Asylzentrums am Bau einer Moschee in Ljubljana fest, welche «die grösste Europas» werden soll, wie die Elvis-Presley-Frisur verkündet. Dabei wird es nicht die grösste Moschee in Europa, sondern die erste im Land. Bislang gibt es in ganz Slowenien keine einzige Moschee für die Zehntausenden Muslime, die überwiegend aus Bosnien und Herzegowina kommen. Für manche Besucher des «Atila» ist das schon zu viel.

Deswegen demonstrierten sie am 15. Januar gegen das Asylzentrum. Sie zeigen stolz Bilder des Protests, die aussehen als wären sie an einem Montagabend in Dresden entstanden. Die Parolen scheinen direkt von Pegida übernommen. Zwischen Januar und November 2015 haben 241 Personen einen Asylantrag in Slowenien gestellt, was nicht zu Überwerfungen geführt hat, doch nachdem Österreich Obergrenzen angekündigt hat, kocht in Slowenien jene Debatte hoch, die andere Teile des Kontinents seit dem Sommer zu zerreissen droht.

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