Nach dem Rücktritt vom Basler SP-Präsidenten Martin Lüchinger stellt sich eine Frage: Wer übernimmt das Amt? In Position bringen mag sich noch keiner der bisherigen Spitzenkandidaten und -kandidatinnen. Sie sind alle abgeschreckt vom Aufwand. Ein Co-Präsidium scheint auch keine Option zu sein.
Die SP Basel-Stadt steht nach dem Rücktritt von Präsident Martin Lüchinger offensichtlich vor einer grossen Herausforderung: der Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger. Innerhalb der Partei und den Medien sind in den vergangenen Wochen verschiedene Genossinnen und Genossen für den Posten gehandelt worden. Einige der Kandidaten zeigten auch durchaus Interesse am Amt, etwa die abtretende Juso-Präsidentin Sarah Wyss und Grossrat Christian von Wartburg.
Andere liessen sich nicht in die Karten blicken – so Fraktionschefin Tanja Soland und Grossrätin Dominique König. Verständlich angesichts dessen, dass Lüchinger seinen Entschluss damals noch nicht bekannt gegeben hatte. Jetzt, wo die Katze aus dem Sack ist und der Weg frei wäre an die Spitze der Partei, scheinen aber auch diese Kandidaten nur noch eines zu haben: Bedenken.
Komplett aus dem Rennen genommen hat sich bereits Sarah Wyss. Die abtretende Juso-Chefin deutete bereits im Dezember an, dass sie zwar das Amt «verlockend» findet, im Moment aber andere Prioritäten hat. Nun hat sie mögliche Spekulationen gänzlich aus dem Weg geräumt. Die abtretende Juso-Präsidentin sagte gegenüber «TeleBasel», dass sie nicht Nachfolgerin werden wolle von Lüchinger – «ich bin mir zu 99 Prozent sicher», zitierte sie der Fernsehesender am Mittwochmorgen auf Twitter. Eine Überraschung ist dies nicht wirklich. Die Wahlchancen der 24-Jährigen waren von Beginn als marginal eingeschätzt worden.
Bessere Chancen werden Christian von Wartburg nachgesagt. Der Name des Strafverteidigers hält sich innerhalb der SP hartnäckig an der Spitze der Anwärter auf den Posten. Der 45-Jährige zeigte sich im Gespräch mit der TagesWoche im Dezember grundsätzlich auch nicht abgeneigt. Inzwischen hat er sich allerdings intensiver mit dem Posten auseinandergesetzt und hat Bedenken. Der Aufwand als Parteipräsident ist gerade in der SP «sehr gross», sagt der abtretende Martin Lüchinger: «Für mich war es neben meiner 90-Prozent-Stelle eine grosse Herausforderung.»
Von Wartburg ist «sehr unentschlossen»
Für einen Selbstständigerwerbenden wie von Wartburg bleibt die Frage der Kandidatur auf das Ehrenamt, für welches man höchstens Spesenentschädigungen erhält (siehe Box), deshalb auch eine finanzielle, wie er sagt: «Der Enthusiasmus wäre da, das Amt würde mich auch wirklich sehr reizen – aber ich weiss nicht, ob es mit meiner Arbeitstätigkeit und meinem neu übernommenen Grossratsmandat vereinbar ist.» Er sei angesichts dessen aus «ganz praktischen und faktischen Gründen» gegenwärtig «sehr unentschlossen», ob er sich wirklich für das Amt bewerbe oder nicht.
Anpassung der Entschädigungen noch kein Thema
Das SP-Präsidium ist ein Ehrenamt. Entschädigt wird der Posten nur mit Spesen. Bisher gab es innerhalb der SP auch noch keine Anträge, die Entschädigungen für den Parteipräsidenten anzupassen, sagt Lüchinger. «Aber es geht bei Präsidium nicht in erster Linie um Geld, die wirkliche Frage ist die Präsenszeit.» Die viel zentralere Frage für Lüchinger ist deshalb, wie man den Aufwand reduzieren und das Amt dadurch attraktiver gestalten kann. «Diese Frage der Belastung wird man diskutieren müssen.»
Nicht weniger Bedenken hat angesichts des Aufwandes Dominique König. Die 55-Jährige sitzt seit 2005 im Grossen Rat und war die vergangenen drei Jahre Präsidentin der Geschäftsprüfungskommission. Sie wird nicht nur in den Medien als valable Kandidatin mit guten Chancen gehandelt, sondern erhält auch aus der Partei immer wieder Zuspruch, wie sie selbst sagt. «Das Amt ist interessant», sagt sie, «aber ich muss mir dazu noch Gedanken machen und vor allem auch mit meiner Familie diskutieren.» Der Grund ist derselbe wie bei von Wartburg: der Aufwand.
Hinzu komme, dass es keine Aufgabe sei, die nur toll sei, sagt König. «Es gibt Druck von oben und von unten, weil man es nicht allen Recht machen kann. Man muss bereit sein, sich dem Ganzen auszuliefern.» Für sie sei deshalb die zentrale Frage, wie stark das Amt ihr Privatleben eingrenze: «Kann ich mich organisieren? Welche Freiheiten brauche ich? Das muss ich erst für mich klären, bevor ich sage: Ich stehe zur Verfügung.»
Co-Präsidium hat schlechte Karten
Parteivorstand bestimmt Findungskommission
Der Parteivorstand der SP wird in zwei Wochen die Findungskommission für die Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger bestimmen. Es ist davon auszugehen, dass es drei bis vier Personen sein werden. Vertreten sein dürfte darin jemand aus dem bisherigen Vize-Präsidium (Pascal Pfister oder Michela Seggani), sowie jemand von den SP Frauen.
In den vergangenen Wochen wurde auch immer wieder die Möglichkeit eines Co-Präsidiums in den Medien diskutiert. So richtig begeistern kann sich dafür aber von den Kandidaten offensichtlich niemand. Von Wartburg will ein Co-Präsidium nicht ausschliessen, aber der Posten wäre für ihn dann weniger spannend, wie er durchblicken lässt. Er sieht auch einen ganz praktischen Grund dagegen: Die Aufgabenteilung müsste organisiert und geplant werden, was wiederum neue Sitzungen bedeute. «Da stellt sich letztlich die Frage, wieviel Entlastung eine Teilung der Aufgaben wirklich bedeutet.»
König ist nicht gegen ein Co-Präsidium, für sie sind die Vorraussetzungen dazu aber im Moment nicht gegeben. «Die beiden Vizes haben mitgeteilt, dass sie in in ihrem Amt bleiben. Und das bedeutet, dass man in diesem Team weiterarbeitet, was ein Co-Präsidium nicht zulässt.» Und auch Martin Lüchinger sieht in einem Co-Präsidium keine geeignete Lösung. Einerseits habe er gute Erfahrungen gemacht mit zwei Vizes an seiner Seite, andererseits hat er die Vermutung, «dass sich mittelfristig bei solchen Co-Präsidien immer eine Person durchsetzt. Schon weil die Medien meist eine Präferenz haben und sich gegen aussen dadurch eine Person etabliert.» Auch für ihn bleibt deshalb letztlich die Frage, was ein Co-Präsidium bringe.
Portrait von Martin Lüchinger
Die Kollegen von der «bz Basel» haben sich dem scheidenden SP-Parteipräsidenten in einem Portrait genähert. Erwähnt werden auch mögliche Nachfolgerinnen.
Gar nicht in die Karten lässt sich Tanja Soland im Hinblick auf eine mögliche Kandidatur blicken. Die Fraktionschefin wollte sich zum Thema gar nicht äussern. Eine Entscheidung von ihr sei auch in den kommenden Wochen nicht zu erwarten, sagt sie.
Bedenken könnten auch Taktik sein
Das Zaudern der gehandelten Kandidaten kann auch ein strategischer Entscheid sein. Der Parteivorstand hat die Findungskommission (siehe Box) für die Nachfolge noch nicht berufen. Von Wartburg, König und Co. könnten auch einfach ihre Chancen erst ausloten, bevor sie sich offiziell um das Amt bemühen. Wer sich bereits jetzt meldet, befindet sich auch in sehr exponierter Lage, was Nachteile bringen kann. Auf jeden Fall im Vorteil scheinen die Kandidatinnen. «Eine Frau als Präsidentin würde der Partei sehr gut anstehen», sagt selbst von Wartburg. Er würde zu Gunsten einer Genossin sich selbst auch aus dem Kandidatenfeld nehmen, wie er sagt.
Martin Lüchinger kann sich zurücklehnen und die Suche nach seiner Nachfolgerin oder seinem Nachfolger in aller Ruhe verfolgen. Dank dem guten Abschneiden der SP bei den vergangenen Grossratswahlen verabschiedet er sich auf dem Höhepunkt seiner Präsidenten-Karriere. Er selbst sagt, er blicke auf eine «sehr positive Zeit zurück». Und nach der Kritik an seinem Führungsstil, kann er nun mit einer gewissen Genugtuung sagen, dass der grössten Partei von Basel «eine sachbezogene, unaufgeregte Politik zu machen» auch in Zukunft gut anstehe. Lüchinger freut sich nun jedenfalls, wie er sagt, auf all die Sachen, die während seiner Amtszeit oft zu kurz gekommen sind: «Mehr Zeit für die Familie und private Interessen sowie darauf, wieder mehr Sachpolitik zu machen – und eigene Themen im Grossen Rat voranzubringen.»