Die SP und die SVP winken mit dem Zaunpfahl

SP und SVP drohen mit dem Auszug aus dem Bundesrat. Doch würden wohl beide Parteien – nach lauten Protesten und Sonderparteitagen – auch mit nur einem Sitz in der Landesregierung bleiben.

SP und SVP drohen mit dem Auszug aus dem Bundesrat. Doch würden wohl beide Parteien – nach lauten Protesten und Sonderparteitagen – auch mit nur einem Sitz in der Landesregierung bleiben.

Die SP hat das Thema schon am letzten Wochenende an ihrem Parteitag traktandiert und diskutiert. Am SVP-Parteitag von morgen Samstag im waadtländischen Chamblon steht auf dem Programm ebenfalls: «Konkordanz oder Opposition? Die SVP und die Landesregierung». Die Debatte soll «a. Bundesrat Christoph Blocher, Vizepräsident, Herrliberg (ZH)» leiten. Es geht um die Frage, ob auch gleich Ueli Maurer aus dem Bundesrat zurücktreten sollte, wenn die Bundesversammlung am kommenden Mittwoch keinen zweiten SVP-Bundesrat wählen würde.

Am Rande der laufenden Session betonte der nun wieder im Nationalrat sitzende Blocher, an seiner Position in dieser Frage habe sich nichts geändert. Das werde er «in einer programmatischen Rede» am Parteitag in Chamblon darlegen. «In die Opposition geht man nie freiwillig», lautet diese Posi­tion. In die Opposition werde eine Partei stets zwangsweise versetzt. «Wenn wir als klar stärkste Partei nur einen von sieben Bundesräten haben, sind wir eigentlich auch in der Opposition.»

Sicher werde es heftige Diskussionen um den Gang in die Opposition oder das Verbleiben in der Landesregierung geben, wenn seine Partei nun wieder keinen zweiten Sitz im Bundesrat bekäme, sagt Blocher. Das wird man beurteilen und diskutieren müssen. «Aber ich bin wie gesagt gegen den Gang in die Opposition.» Gleicher Meinung ist der (ehemalige) SVP-Bundesratskandidat Bruno Zuppiger: «Wir müssen uns einbringen und dabei sein. Als grösste Partei haben wir dazu auch einen klaren Wählerauftrag.»

«Opposition ist Blödsinn»

Der Thurgauer Bahnbauer und SVP-Nationalrat Peter Spuhler wiederum weist darauf hin, «dass mit Refe­rendum und Initiative und all den anderen Volksrechten Opposition in der Schweiz wenig Sinn macht». Und sein Luzerner Fraktionskollege Felix Müri meint gar: «Das mit der Opposition ist Blödsinn. Die Schweiz kann man nicht mit Deutschland vergleichen. Zudem müssten wir konsequenterweise auch aus allen Kommissionen raus und müssten nur aus Prinzip Sachen ab­lehnen, die wir eigentlich gar nicht so schlecht finden.»

Andere SVP-Abgeordnete wollen sich «jetzt noch nicht festlegen». Dazu sei es nach dem 14. Dezember noch lange früh genug. Und alle machen auf Zweckoptimismus: «Den zweiten Sitz machen wir jetzt!» Nicht so der Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger: «Ich bin sowieso für die Opposition. Und wenn wir jetzt keinen zweiten Sitz im Bundesrat bekommen, erst recht.»

Der streitbare Westschweizer sieht die SVP so oder so nicht mehr lange im Bundesrat. «Die Grünen und die Linken schmieden schon wieder Intrigen», will Freysinger wissen. «Die wollen am 14. Dezember mit unserem Kandidaten Bruno Zuppiger unseren Bundesrat Ueli Maurer aus dem Bundesrat schmeissen.» Auch FDP- und CVP-Leute seien bei dieser neuen Verschwörung gegen die SVP dabei.

Auf der anderen Seite fragt sich die SP, was sie tun würde, wenn entgegen allen Erwartungen die SVP am nächsten Mittwoch ihren zweiten Sitz ganz am Schluss der Wahl auf ihre Kosten erhalten sollte. Wenn also der Freiburger SVP-Kandidat Jean-François Rime statt ein SP-Mann auf dem vakanten Sitz von SP-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey Platz nähme.

Dann würde man ernsthaft einen Rückzug aus dem Bundesrat «diskutieren», hat die SP-Führung am letzten Samstag vorsorglich gedroht. Mit dem 11. Februar hat die Partei auch schon ein Datum reserviert, an dem dann auf einem Sonderparteitag der Gang in die Opposition diskutiert und beschlossen werden könnte.

Aber wie bei der SVP ist auch bei der SP alles nur «könnte, müsste, würde». Beide Parteien wissen genau, dass sie im Schweizer System auch als Regierungspartei noch kaum je auf ein Re­ferendum oder eine Initiative verzichtet haben, wenn ihnen dies sinnvoll oder nötig erschien. Und dass sie diese Instrumente, auch ohne Vertretung im Bundesrat, kaum vermehrt einsetzen könnten.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 09/12/11

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