Feldschlösschen entliess im Februar 50 Teilzeitangestellte. Eine Massenentlassung wurde nie freiwillig kommuniziert. Der grösste Getränkelieferant der Schweiz rechtfertigt sich mit der eigenen Inkompetenz.
Die Feldschlösschen Getränke AG in Rheinfelden entliess im Februar wegen Umstrukturierungen mindestens 50 Mitarbeiterinnen aus der Promotion. Die Gewerkschaft Syna spricht von einer Massenentlassung. Eine solche ist mit einem Verfahren verbunden, das die zuständigen kantonalen Behörden miteinbezieht und ein Ausspracherecht zwischen Arbeitnehmern und -geber garantiert.
Feldschlösschen nahm keine dieser Pflichten wahr. «Zum Zeitpunkt der Versendung der Kündigungsbriefe war sich die Feldschlösschen Getränke AG nicht bewusst, dass es sich möglicherweise um eine Massenentlassung handeln könnte», erklärt Bettina Sutter, Mediensprecherin des Unternehmens.
Die zentrale Frage
Ist es möglich, dass der grösste Getränkehändler der Schweiz nicht wusste, wann der Anwendungsfall einer Massenentlassung eintritt? Im November 2012 verfasste Feldschlösschen die Kündigungsschreiben. Die Kündigungen waren auf letzten Februar angesetzt. Der TagesWoche liegt ein solches Kündigungsschreiben vor. Die Syna bestätigt, dass der Grossteil der betroffenen Frauen ein Schreiben dieser Form bekommen hat. In der Entlassung ist von der «Auflösung des Rahmenvertrags» die Rede.
«Es bestanden keine schriftlichen Arbeitsverträge und beiderseits keine Arbeitsverpflichtung.»
Vieles weist auf ein festes Anstellungsverhältnis hin. Feldschlösschen bedankte sich im Kündigungsschreiben zum Beispiel für den «jahrelangen Einsatz». Zusätzlich erzählen die betroffenen Frauen, dass Arbeitseinsätze für ein ganzes Jahr vorgeplant worden seien.
Nebst einer festen Anstellung bestimmt das Verhältnis der Anzahl Entlassungen und der Gesamtzahl Beschäftigter, wann eine Massenentlassung vorliegt. Die «Hostessen» (die offizielle Berufsbezeichnung von Feldschlösschen) betrachteten ihre vielen Einsätze nicht als Gelegenheitsjobs. Die Syna errechnete zudem ein Verhältnis, das einer Massenentlassung entspricht. Sie wies Feldschlösschen auf die Verfehlungen hin.
«Bedauerlicher Irrtum»
Wie Syna gegenüber der TagesWoche belegen konnte, wurde der Gewerkschaft von Feldschlösschen «vorsorglich» mitgeteilt, dass es sich beim vorliegenden Fall um keine Massenentlassung handle. Die Brauerei verstand die ehemaligen Arbeitnehmerinnen als Gelegenheitsarbeiterinnen. Unterschrieben ist die Kündigung vom Leiter des Rechtsdienstes und der Personalleiterin.
Noch einmal musste die Syna die Verfehlungen erklären, bevor Feldschlösschen nachgab und die eigene missliche Rechtslage eingestand. In einem weiteren der TagesWoche vorliegenden Schreiben gab Feldschlösschen zu, es sei ihr mit den «Hostessen» ein «bedauerlicher Irrtum» unterlaufen. Feldschlösschen meldete die Verfehlungen beim Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Aargau (AWA).
Die Rettungsversuche kamen zu spät
Nun ging Feldschlösschen auf die Frauen ein. Die vom Gesetz vorgegebene Frist für die Erfüllung der bis anhin unterlassenen Pflichten war schon längst verstrichen. «Nach der Einsprache der Gewerkschaft Syna im Sommer hat die Feldschlösschen Getränke AG eine einvernehmliche Regelung getroffen und anschliessend Entschädigungen von zwei Monatslöhnen ausgezahlt. Der Betrag stellt das rechtliche Maximum an Entschädigung dar. Die Feldschlösschen Getränke AG hat den Betrag freiwillig auf das Maximum angesetzt.» Mit dem Einlenken vermied Feldschlösschen eine Berichterstattung der Medien über die Massenentlassung.
Das zuständige Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Aargau mischt sich nicht in die Ergebnisse der Verhandlungen ein. «Wir hatten mit der Syna und Feldschlösschen Kontakt. Wir haben aber zu den vorgeschlagenen Lösungen keine Stellung genommen», sagt David Reichart vom AWA.
Vorläufiges Ende der Geschichte
Feldschlösschen glaubte die Sache mit den «Hostessen» erledigt zu haben. Die Syna wandte sich aber am 21. November doch noch an die Medien. Laut der Gewerkschaft soll der Getränkelieferant auch noch Pensionskassenabzüge nicht verrechnet und Abgangsentschädigungen nicht ausbezahlt haben. Die Syna verlangt deshalb weitere Entschädigungen. «Die neuen Forderungen der Syna prüfen wir» – mehr kann Mediensprecherin Sutter dazu nicht sagen.