Der Grosse Rat sagt in der Abstimmung Ja zum kostspieligen Bau der Tramgeleise ins Erlenmattquartier. Die Grünen und SP-Politiker setzten sich somit gegen die Bürgerlichen durch, die das Teilstück der umfassenden Infrastruktur-Sanierung überteuert finden.
Basel ist eine Tram-Stadt. In Zukunft soll dies noch klarer werden, indem auch Randquartiere vom Tramnetz erschlossen werden. Vor gut einem Jahr wurde vom Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) in Bundesbern ein Budget von 350 Millionen Franken bewilligt, um das Basler Tramnetz bis 2020 auszubauen.
Die vorgesehene neue Infrastruktur soll eine bessere Verbindung der drei Basler Bahnhöfe gewährleisten, ausserdem soll es künftig ein «Stücki»-Tram geben und eine Tramlinie, die vom Badischen Bahnhof ins Erlenmattquartier sowie zur Roche führt. Damit soll deutschen Pendlern, die häufig auf das Auto zurückgreifen, der ÖV schmackhaft gemacht werden. Der Bahnhofsplatz beim Badischen Bahnhof soll zudem restauriert und umgestaltet werden.
Unerwartet hohe Kosten des Erlenmatt-Teilstücks
Nun soll der Bau der ersten Teilprojekte beginnen. Mit der 1,2 Kilometer kurzen Tramlinie vom Badischen Bahnhof ins Erlenmattquartier sowie der Aufwertung des Bahnhofsplatzes vor dem Badischen Bahnhof könnte eigentlich gestartet werden. Doch als die Kosten des Erlenmatt-Trams publik wurden, regte sich bei der bürgerlichen UVEK-Minderheit Widerstand: mit 68 Millionen Franken würden damit bereits 20 Prozent des Gesamtbudgets verbraucht.
Dass es so teuer würde, stellte sich erst vor kurzem heraus. Die Kosten, die im September 2012 auf 31 Millionen Franken geschätzt wurden, betragen nun mehr als doppelt so viel. Grund dafür ist, dass die Tramlinie über die Schwarzwald-Autobahnbrücke führt, die durch das Tram so stark belastet würde, dass man sie sanieren muss. Mit diesen Zusatzkosten hatte man nicht gerechnet.
Verschwendung angeprangert
Die bürgerliche UVEK-Minderheit wird im Grossen Rat von LDP-Politiker Heiner Vischer vertreten. Das «Kosten-Nutzen-Verhältnis» sei bei dem Projekt miserabel. Das ziemlich leerstehende Erlenmattquartier sei ja bereits von der Buslinie 30 erschlossen. Die Bürgerlichen befürchten, dass das Budget für die Sanierung der Tramlinien in Kürze aufgebraucht werde, wenn man so weiter mache – es gebe bei weitem wichtigere Projekte, und es wäre schade, die Kapazitäten für Projekt mit so geringer Priorität zu verschwenden.
Michael Wüthrich (Grünes Bündnis), der die Befürworter der Tramlinie vertritt, argumentiert, dass es Sinn mache, Quartiere mit dem ÖV zu erschliessen, die noch nicht belebt seien – denn eine gute ÖV-Verbindung sei die Voraussetzung und nicht die Folge von Quartierentwicklung. Der Vergleich mit anderen Städten zeige auf, dass sich so eine vorausschauende Planung bewährt. Auch in Freiburg und Zürich seien Tramlinien praktisch ins Grüne gebaut worden – die Quartiere haben sich daraufhin in Kürze entwickelt.
Der Badische Bahnhof sei zudem eine wichtige «Umsteigedrehscheibe», auch für Pendler aus Deutschland. Die grossen Pharmaunternehmen der Stadt Basel haben einen beträchtlichen Anteil deutscher Arbeitnehmer, die durch attraktive Verbindungen zur Roche und Novartis für den ÖV gewonnen werden könnten.
Wessels befürwortet das Projekt
Regierungsrat Hans-Peter Wessels schliesst sich der Argumentation der Befürworter an. Die hohen Kosten hätten das Bau- und Verkehrsdepartement zwar schockiert. Er weist aber darauf hin, dass anspruchsvolle Bauprojekte sich häufig in eine unerfreuliche Richtung entwickeln, was die Ausgaben betrifft. Und dies sei noch lange kein Grund, eine sinnvolle Entwicklung «abzunabeln».
Das Erlenmattquartier sei ein wichtiges Entwicklungsgebiet im Kanton, in den letzten zehn Jahren wurde viel geplant. Eine Tramlinie sei immer fester Bestandteil dieser Pläne gewesen: «Die Stadtplaner, die mit der Belebung des Erlenmattquartiers beauftragt wurden, rechnen fest damit.»
«Wirtschaftswachstum» oder «Ökonomischer Selbstmord»
Die Diskussion im Grossen Rat verlief zwischen zwei Fronten – die grösstenteils aneinander vorbeiredeten. Immer wieder fielen dieselben Schlagwörter. Bürgerliche Politiker zeigten mit Beispielen das miserable «Nutzen-Kosten-Verhältnis» der Tramlinie auf, worauf die Grünen und SP-Politiker den Gegnern «Kurzsichtigkeit» vorwarfen und betonten, dass man die Tramverbindung nicht isoliert betrachten soll, sondern als «Teilstück einer ganzen, neuen Infrastruktur».
Die Befürworter widerlegten das Hauptargument der Gegner – die «hohen Kosten» – mit einem Vergleich mit Zürich, wo für die Limmattalbahn fast gleichviel pro Kilometer ausgegeben wurde. Das fanden die Gegner wiederum sinnlos, denn «Basler Projekte sollen nicht mit Zürcher Projekten verglichen werden, sondern selbstverständlich mit anderen Basler Projekten» (Remo Gallacchi, CVP). Während die Befürworter die Tramlinie als «Wirtschaftswachstum pur» bezeichneten, sprachen die Gegner von «ökonomischem Selbstmord».
Nach zahlreichen Sprechern kam es am Ende zur Abstimmung. Mit 50 zu 40 Stimmen wurde das Projekt schliesslich gutgeheissen.
Die LDP äussert am Tag darauf scharfe Kritik an diesem Entscheid in einer Pressemitteilung. Sie fordert die strikte Einhaltung der «Kosten-Nutzen-Priorisierung» bei zukünftigen Projekten.