Das neue Verkehrsregime in der Basler Innenstadt bringt für Velofahrende entgegen ursprünglicher Versprechungen nicht nur Verbesserungen. Trotzdem hält sich Pro Velo beider Basel mit Kritik zurück.
Neun Monate nach seiner Einführung lässt sich festhalten: Das Verkehrskonzept Innenstadt funktioniert. Die Diskussionen, die insbesondere das nun konsequent eingeforderte Fahrverbot für den motorisierten Verkehr begleiteten, sind weitestgehend verstummt. Nicht zuletzt mit der Lockerung einiger Bestimmungen gelang es der Regierung, die schärfsten Kritiker zu besänftigen.
Neun Monate gut – alles gut? Nicht ganz. Eine nicht zu unterschätzende Masse der Verkehrsteilnehmer könnte durchaus noch klagen: die Velofahrenden. Dennoch sagt David Wüest-Rudin, Präsident von Pro Velo beider Basel, man sei mit der Umsetzung soweit zufrieden. «Es gibt zwar gewisse punktuelle Anpassungswünsche, aber knapp neun Monate nach Einführung des neuen Regimes wäre es nicht opportun, bereits Forderungen nach Änderungen anzubringen. Jetzt geht es zuerst darum, Erfahrungen zu sammeln.»
Zurückhaltung bedeutet nicht Zufriedenheit
Diese Zurückhaltung des Lobbyverbands für Velofahrende mag in dieser oft überhitzt geführten Diskussion um die neue Verkehrsregelung in der Basler Innenstadt erstaunen, doch: «Solange sich die anderen Anspruchsgruppen zurückhalten, tun wir es auch», sagt David Wüest-Rudin.
Dass sich der Verband zurückhält, bedeutet aber nicht, dass er wunschlos glücklich ist mit dem neuen Regime: Gerade im Grossbasel könnten die Velofahrenden von mindestens zwei Anpassungen massgeblich profitieren, sagt Wüest-Rudin. Dies wären:
1. Durchfahrt Freie Strasse: Die Zufahrt in Basels Einkaufsmeile Nummer eins ist für Velofahrer mit dem neuen Verkehrsregime rund um die Uhr tabu (mit Ausnahme der aktuellen Baustellensituation in der Gerbergasse). Es sei denn, sie transportieren während den Anlieferungszeiten zwischen 5 und 11 Uhr Güter. Dann dürfen Velos, wie motorisierte, anliefernde Verkehrsteilnehmer, im Schritttempo durch die Freie Strasse rollen. «Eine Aufhebung dieses generellen Verbots für Velofahrende, natürlich nur ausserhalb der Sperrzeiten, wäre aus unserer Sicht wünschenswert. Wobei man dies auch generell für alle Fussgängerzonen in der Innenstadt vorsehen könnte», sagt David Wüest-Rudin.
Beim zuständigen Amt für Mobilität will man von einer solchen Lockerung nichts wissen. War die Freie Strasse vor Einführung des neuen Verkehrsregimes eine temporäre Fussgängerzone mit vier unterschiedlichen Fahrverbotszeiten zwischen Montag und Samstag, ist sie seit Anfang Jahr – mit Ausnahme der Anlieferungszeiten – nun eine reine Fussgängerzone. «Dies soll so beibehalten werden», schreibt das Amt denn auch schlicht zur Frage nach einer möglichen Lockerung dieser Bestimmung.
2. Gegenverkehr Stadthausgasse: Etwas komplizierter wird es bei der zweiten Verbesserung, die sich Wüest-Rudin wünschen würde. Wer mit dem Velo vom Barfüsserplatz Richtung Blumenrain fahren will, kann dies – im Unterschied zur Gegenrichtung – nicht auf dem schnellstmöglichen Weg tun, sondern muss einen Schlenker über den Marktplatz und durch die Eisengasse unter die Räder nehmen. «Ein Umweg, der aus unserer Sicht nicht nötig wäre», sagt David Wüest-Rudin.
Und tatsächlich: Ursprünglich führte diese Route im Velogegenverkehr durch die untere Schneidergasse in die Spiegelgasse, wie ein Projektplan von Ende 2014 zeigt.
Eine Variante, die den Umweg über den Marktplatz überflüssig gemacht hätte, die aber bereits wenige Tage nach deren Einführung Anfang Jahr wieder von den Projektplänen und aus der Realität verschwand. Warum?
Das Amt für Mobilität schreibt: «Ein Velogegenverkehr auf dieser Achse war nie vorgesehen. Leider war diese Route auf der ersten Plandarstellung zum Verkehrskonzept Innenstadt ursprünglich mit Pfeilen missverständlich dargestellt und wurde deshalb umgehend berichtigt.» Dass die Strecke in Richtung Barfüsserplatz befahren werden darf, begründen die Behörden damit, dass der «Umweg Blumenrain–Barfüsserplatz via Marktplatz als zu gross beurteilt wird und die Tramachsen zweimal gequert werden müssten.»
Da stellt sich die Frage: Entsteht dieser «als zu gross» beurteilte Umweg also nur in eine Richtung?
«Die Aussage im Ausgabenbericht bezüglich grossem Umweg und der Querung der Tramgeleise bezieht sich auf die Verbindung vom Kleinbasel via Mittlere Brücke in Richtung Barfüsserplatz», präzisiert das Baudepartement. Nicht gemeint sei der Veloverkehr, der vom Blumenrain in Richtung Barfüsserplatz rollt. Ausserdem seien «aufgrund der engen räumlichen Gegebenheiten in der Verbindung Hutgasse–Glockengasse–Sattelgasse in Richtung Spiegelgasse die Voraussetzungen für den Veloverkehr nicht gegeben».
Während Pro-Velo-Präsident Wüest-Rudin den «guten Kontakt zur Verwaltung» betont und sich der Lobbyverband mit konkreten Forderungen zurückhält, suchen sich die Velofahrer wie Wasser im Gestein selber den direktesten Weg – legal oder illegal.
Während der Recherche für diesen Beitrag begegnet die TagesWoche mehreren Velofahrern, die die beiden beschriebenen Anpassungen bereits jetzt für sich einfordern. Ob sie es dereinst offiziell tun dürfen, hängt in erster Linie davon ab, wie lange der Burgfrieden bei den Diskussionen um das Basler Verkehrsregime noch hält.