Die Verbindung in die Ostschweiz wäre attraktiv, die Züge sind es nicht

Die schnellste Verbindung von Basel in die Ostschweiz führt dem Rhein entlang nach Schaffhausen. Der überlastete Interregio-Express (IRE) wird jedoch nicht nur von Fahrgästen stark kritisiert, sondern auch von der Politik beidseits des Rheins.

Die Schnellsten finden vielleicht noch einen Sitzplatz vor Singen: Der IRE in Badisch-Rheinfelden. Foto: Boris Burkhardt

(Bild: Boris Burkhardt)

Die schnellste Verbindung von Basel in die Ostschweiz führt dem Rhein entlang nach Schaffhausen. Der überlastete Interregio-Express (IRE) wird jedoch nicht nur von Fahrgästen stark kritisiert, sondern auch von der Politik beidseits des Rheins.

Freitag, 16.51 Uhr. Schon wer in Badisch-Rheinfelden zusteigt, findet keinen freien Sitzplatz mehr; überall zwischen den Sitzreihen und im Einstiegsbereich stehen Menschen, Koffer und Taschen. Wer die Glastür zwischen Abteil und Einstiegsbereich öffnen will, muss sie in die eine oder andere Richtung jemandem ans Knie oder an die Wade schlagen und sich mehrmals entschuldigen.

Der IRE 3051 Richtung Schaffhausen und Ulm ist gerade vom Badischen Bahnhof in Basel losgefahren und hat noch nirgends zuvor gehalten. Er bietet mit einer Stunde planmässiger Fahrzeit die schnellste Verbindung von Basel nach Schaffhausen. Wer bis zur Endstation Ulm fahren will, hat allerdings noch drei Stunden und 14 Bahnhöfe vor sich. 

Als einer in der Menschenmenge eine Familie erblickt, die offensichtlich aus Indien oder Pakistan stammt, macht er mit Hinblick auf die typischen Bilder von überfüllten indischen Zügen den blöden Witz, dass sich der Zug für sie nicht so voll anfühlen könne, weil noch alle Passagiere im Zug Platz fänden. Ein anderer erntet böse Blicke und Kommentare, weil sein kleiner Hund neben ihm auf einem Deckchen einen ganzen Sitzplatz in Anspruch nimmt. Er habe für den Hund den vollen Tarif zahlen müssen, verteidigt sich der Mann, und deshalb dürfe jener auch auf einem Sitz liegen. 

Hoffnung 2030

Das Land Baden-Württemberg will zum Fahrplanwechsel am 11. Dezember wenigstens einen durchgängigen Stundentakt bis Singen einführen. Bisher fährt der Interregio-Express teilweise nur alle zwei Stunden. Die Schweiz plant nach der Elektrifizierung der Hochrheinstrecke, an deren Projektierung und eventuell Verwirklichung sie sich finanziell beteiligen will, sogar eine Verbindung jede halbe Stunde. Denn vor allem die Kantone Basel-Stadt und Schaffhausen drängen sehr auf eine bessere Verbindung am deutschen Hochrhein.

«Es ist die schnellste Verbindung nach Schaffhausen und in die Ostschweiz», bestätigt Wolfgang Fleischer von der Abteilung Bahnplanung im Basler Amt für Mobilität. Knapp eine Stunde spare der Basler Fahrgast gegenüber der Verbindung via Zürich. Die Strecke sei deshalb auch ins Schweizer Bahnausbauprogramm STEP bis 2030 aufgenommen worden. Nach der Elektrifizierung sollen auch Generalabo und Halbtax auf ihr gültig sein. Die Probleme mit dem überfüllten IRE kann das Amt für Mobilität aus erster Hand bestätigen: «Mein Chef Alain Groff fährt die Strecke jeden Morgen ins Büro», schmunzelt Fleischer. 

Wer regelmässig mit dem IRE die Hochrheinstrecke fährt, ist das Stehen gewohnt.

Das Gedränge in den beiden Triebwagen ist vor allem am Wochenende nichts Besonderes; wer regelmässig mit dem IRE die Hochrheinstrecke fährt, ist das Stehen gewohnt. Oder das Sitzen auf dem Boden wie Sina Malletz, die alle zwei bis drei Wochen meist ohne Sitzplatz nach Ulm fährt. Wenn der Zug so voll sei, sagt sie, wundere es auch nicht, wenn die Klimaanlage ständig überlastet sei.

«Im Zug steht, dass in diesem Fall jemand von der Bahn komme und die Fenster aufmache», sagt Malletz sarkastisch. Einmal habe sie erlebt, wie ein Fahrgast die Fenster gewaltsam mit dem Messer geöffnet habe. «Die Schaffner interessiert eine kaputte Klimaanlage einen Scheiss», schimpft auch Frank Egenhofer aus Singen. Er fährt die Strecke von Basel jede Woche, und das im Sommer bisweilen bei «gefühlten 40 Grad». Er habe schon mit Schaffnern gesprochen: «Das ist halt so», sei die Antwort gewesen.

«Mit der Qualität des IRE sind wir derzeit sehr unzufrieden.»

Michael Swientek, Sprecher des Landkreis Waldshut

«Ja, mit der Qualität des IRE sind wir derzeit sehr unzufrieden», sagt Michael Swientek, Sprecher des Landkreises Waldshut, rundheraus. Durch den Landkreis fährt der Zug von Bad Säckingen bis Erzingen, das ist der grösste Abschnitt auf der Strecke Basel–Schaffhausen. Die Triebwagen des IRE «sind leider anfällig und halten den Qualitätsstandard nicht, der mit der Einführung erhofft wurde», fährt er fort. Ausserdem seien Triebwagen bei der zuständigen DB Regio nicht ausreichend verfügbar, sodass der IRE immer wieder nur mit einem statt den vereinbarten zwei Triebwagen fahre. Dieser Zustand werde sich durch die Intervention des Landkreises in Kürze bessern. 

Überfüllung, Verspätung, kaputte Klimaanlagen, defekte Türen, geschlossene Toiletten, schlechte Informationspolitik – die Liste der Beschwerden über den IRE Basel–Schaffhausen–Ulm sind lang. Das weiss die Deutsche Bahn auch. Sprecher Werner Graf bestätigt die Überlastung für die Strecke ab Waldshut zwischen 16 und 18 Uhr, «besonders, wenn Superwetter am Bodensee herrscht». Ausserhalb dieses Zeitraums reiche die Kapazität aber aus. Zu fünf bis zehn Prozent Verspätung komme es aufgrund der teilweise eingleisigen Streckenführung, «die allerdings auch aufgefangen werden». Für die Klimaanlagen verspricht Graf Umbauten, bittet allerdings um Geduld.

«Die Bahn geht den Weg des geringsten Widerstands.»
Karl Argast, Pro Schiene Dreiland 
 

Karl Argast kann die Entschuldigungen der Bahn nicht mehr hören. Der Vorsitzende des Fahrgastverbands Pro Schiene Dreiland würde gerne öfter mit dem IRE fahren, «wenn die Situation besser wäre». Das Angebot sei «nicht sehr attraktiv», urteilt er: «Die Bahn geht den Weg des geringsten Widerstands.»

So sei es zum Beispiel ein Treppenwitz, dass eine kleine Stadt wie Überlingen dafür verantwortlich sei, dass der Zug auch auf der Strecke Basel–Schaffhausen keinen dritten Triebwagen anhängen könne. Der Bahnhof in der Bodenseestadt sei nämlich vor gut zwei Jahrzehnten verlegt worden und seither zwischen zwei Tunneln so eingeklemmt, dass ein dritter Wagen keinen Platz mehr am Bahnsteig habe.

Steinzeittechnik 

Argasts Schweizer Kollege, Präsident Willi Rehmann von Pro Bahn Nordwestschweiz, setzt grosse Hoffnungen in die kolportierte Übernahme der Strecke durch die SBB GmbH nach der Elektrifizierung: «Die Strecke hat Potenzial: Sie ist fast durchgängig zweispurig und im Kanton Schaffhausen für die S-Bahn bereits elektrifiziert. Aber die Dieselzüge auf der restlichen Strecke sind einfach Steinzeittechnik.»

Rehmann hält es für richtig, dass sich die Schweiz finanziell an der Elektrifizierung beteilige: «Das hat immer den Vorteil, dass es schneller vorangeht.» Im Gegenzug müssten dann aber auch Halbtax und Generalabo auf der Strecke gelten. Die SBB GmbH mit Sitz in Konstanz selbst will sich zu diesem Thema nicht äussern: «Derzeit besteht kein Ausschreibungsverfahren», teilt sie auf Anfrage kurz und knapp mit.

Den Fahrgast mit dem Hund straft Bahnsprecher Graf übrigens Lügen: Ein Hund, der nicht in einem Korb transportiert werde, müsse nur den Kinderfahrpreis zahlen und wie alle Tiere auf dem Boden sitzen.

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