Die Wirtschaft will die Fusion

Die Initiative der Grünen für eine Wiedervereinigung der beiden Basel erhält unerwartete Unterstützung. Die grossen Basler und bikantonalen Wirtschaftsverbände beurteilen den Vorstoss positiv. Sie erhoffen sich mehr Effizienz in der Verwaltung und mehr wirtschaftliche Dynamik.

Damit wieder ein grosses Ganzes entsteht: Die Wirtschaftsverbände liefern mit ihren Aussagen für einen Kanton Basel Kitt für eine engere Beziehung von Stadt und Land. (Bild: Domo Löw)

Die Initiative der Grünen für eine Wiedervereinigung der beiden Basel erhält unerwartete Unterstützung. Die grossen Basler und bikantonalen Wirtschaftsverbände beurteilen den Vorstoss positiv. Sie erhoffen sich mehr Effizienz in der Verwaltung und mehr wirtschaftliche Dynamik.

Diese Forderung ist falsch, sie kommt zur Unzeit und wurde erst noch stümperhaft vorgebracht: Die Grünen Baselland und Basel-Stadt mussten sich im vergangenen Herbst viel Kritik anhören, nachdem sie ihre Initiative angekündigt hatten.

Der Inhalt wurde dabei nicht einmal gross besprochen, obwohl auch er es in sich hat. Die Grünen forderten nichts weniger als die Wiedervereinigung von Baselland und Basel-Stadt, dieser beiden ungleichen Partner, die sich in der Politik so häufig das Leben schwer machen. Das wird von regional denkenden Politikern in grosser Regelmässigkeit und hoher Intensität beklagt. Mit dem Vorgehen der Grünen waren aber nicht einmal sie einverstanden. Eine Partei allein könne in diesem schwierigen Verhältnis der beiden Kantone höchstens Ärger verursachen, viel Ärger sogar, sagten die besorgten Regionalisten.

Und die Medien schrieben die Ini­tiative ab – Monate bevor sie überhaupt lanciert war. Die «Basler Zeitung» zum Beispiel warnte vor einem «unschönen, emotionalen Abstimmungskampf» und einem «tiefen Graben», der sich zwischen dem stadtorientierten Unter­baselbiet und dem ländlichen Ober­baselbiet auftun werde. Und wofür das Ganze? Für nichts! An der Urne werde die Initiative abgelehnt, prognostizierte das Blatt.

Einiges erreicht

Seither sind sechs Monate vergangen. Sechs Monate, in denen die angeblich so stümperhaften Grünen entgegen den düsteren Prognosen einiges erreicht haben. Zuerst gewannen sie einen bekannten SPler wie Parteisekretär Ruedi Brassel für ihr Generationenprojekt – nämlich für die Wiedervereinigung der beiden Basel.

Interessant, konnten die Kritiker zu diesem Zeitpunkt noch süffisant einwenden. Aber sind SPler im Zweifelsfall nicht immer für staatliche Lösungen: je grösser, desto lieber? Warum sollten also ausgerechnet sie gegen eine Fusion der beiden Basel sein?

Das mag stimmen. Nach den SPlern liessen sich allerdings bald auch bürgerliche Politikerinnen und Politiker wie CVP-Präsidentin Sabrina Mohn für die Idee begeistern.

Na gut, konnten die ewigen Nörgler noch immer einwenden, die heutige CVP ist für sehr vieles zu haben. Warum nicht auch für eine Kantonsfusion? Auch das ist vielleicht nicht ganz falsch.

Gewichtige Worte

Nun erhalten die Grünen aber auch von den Verbänden Unterstützung, die sich einem unternehmerischen Geist und einem klar bürgerlichen Denken verschrieben haben: den grossen Wirtschaftsverbänden der Stadt Basel und der beiden Kantone. «Der Vorstand des Basler Gewerbeverbandes steht der Ini­tiative positiv gegenüber», sagt Direktor und FDP-Nationalrat Peter Malama: «Es wäre wichtig, dass wir uns gemeinsam auf den Wettbewerb der Regionen konzentrieren würden. Der Metropolitanraum Basel gegen Zürich, Shanghai oder Boston, darum gehts heute – nicht um Basel gegen Liestal.» Sehr ähnlich denkt Marc Jaquet, Präsident des Arbeitgeberverbandes, der vor Ostern auf einer mehrwöchigen Geschäftsreise in Asien weilte. «Ich bin zurzeit in China in Hangzhou, das zehn Millionen Einwohner hat, nach eigener Angabe aber dennoch eine Kleinstadt ist. Aus einer solchen Perspektive erscheint einem die Kantonsgrenze zwischen Basel und Baselland schon sehr eigentümlich», schrieb er der TagesWoche in einer Mail.

Schon früher sprach er in einem Interview von einer «bedauerlichen Situation». Baselland werde noch viel zu wenig in die Weiterentwicklung des Wirtschaftsgebietes einbezogen – «als ob es noch Stadtmauern gäbe!» Das sei besonders schlimm, weil es in Basel keinen Platz mehr für neue Unternehmen gebe: «Die Stadt platzt aus allen Nähten.» Diese Probleme sieht auch Franz Saladin, Direktor der Handelskammer beider Basel. Er befürchtet zwar, dass die Debatte um die Wiedervereinigung einige Emotionen wecken werde, ungute auch. Dennoch sagt auch er: «Rational betrachtet, gehe ich schon davon aus, dass sich die Effizienz in unserer Region mit einer Kantonsfusion erhöhen liesse.»

Gegner sind bereit für Kampf

Es sind eindeutige Aussagen, die die Verbandsoberen auf Anfrage der TagesWoche jetzt schon machen, selbst wenn ihre Organisationen noch keine offiziellen Stellungnahmen zur Initiative abgeben. Darauf muss man noch bis kurz vor dem Start der Unterschriftensammlung oder sogar bis vor der Abstimmung warten. Schon jetzt wird Klaus Kirchmayr, Grüner Landrat und Autor der Initiative, aber kaum mehr belächelt, wenn er ein «breit abgestütztes Komitee mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport» ankündigt. Über die Namen will er aber erst in ein paar Wochen reden, wenn die Ini­tiative offiziell lanciert wird.

Danach dürfte es schon bald recht hitzig zu- und hergehen, vor allem im Baselbiet. Denn die Gegner der Wiedervereinigung stehen seit Längerem bereit. Vor zwei Jahren haben sich Berufsbaselbieter in der Vereinigung «Baselland bleibt selbständig» zusammengetan. Mit dabei sind Landschäftler Grössen wie Thomas de Courten und Caspar Baader (beide SVP) oder Hans Rudolf Gysin, alt Nationalrat und bald alt Gewerbedirektor.

In einer programmatischen Rede an der ersten Versammlung in Münchenstein bezeichnete de Courten die Idee eines gemeinsamen Kantons als «Virus» und warnte vor einer «Majorisierung der Randregionen». Schon Niklaus von der Flüe (1417-1487) habe angemahnt, den «Zaun nicht zu weit zu stecken».

Der finanzielle Druck nimmt zu

In seiner neuen Funktion als Baselbieter Wirtschaftsförderer in der Gesundheits- und Volkswirtschaftsdirektion wird de Courten aber möglicherweise bald merken, dass sich die weisen Worte von Bruder Klaus nicht ohne Weiteres aus dem Spätmittelalter auf die heutige Region Basel übertragen lassen. Vor Kurzem kam jedenfalls auch die Credit Suisse im Auftrag der Baselbieter Regierung in einer Studie zum Schluss, dass die «Abhängigkeit des Baselbiets» im Bereich der Wirtschaft und der Politik schon jetzt «sehr hoch» sei – was die Autoren der Studien für positiv halten. Das Land könne vom «Potenzial der Stadt» profitieren, schreiben sie.

Offenbar geschieht das aber noch immer viel zu wenig. Sonst wären Regierung und Parlament nach der gros­sen Sparübung 2005 nun kaum schon wieder massiv am Sparen. «Die finanziellen Probleme sind so gross, dass es längerfristig gar keine Alternative mehr zu einer Fusion mit Basel gibt», sagt Kirchmayr dazu. Und offenbar sieht man das heute auch in der Wirtschaft ganz ähnlich.

In der Geschichte der beiden Basel geht es ähnlich turbulent zu und her wie in einer langen, tragischen Liebe. Zum grossen Bruch kam es 1832/33, als die Landschäftler von der politischen Bevormundung der Städter genug hatten und sich verselbständigten. Danach gab es neben kleineren und grösseren Boshaftigkeiten immer wieder gegenseitige Annäherungen. Auch die Wiedervereinigung wurde mehrfach gefordert – und auf dem Land ebenso häufig abgelehnt, zuletzt 1969. Bei einer extrem hohen Stimmbeteiligung von 75 Prozent lehnte das Baselbiet die Wiedervereinigung damals mit fast 60 Prozent der Stimmen ab. Dafür war nur ein Bezirk: das stadtnahe Arlesheim (ebenfalls mit 60 Prozent).

Nach dieser Abfuhr einigte man sich in der Beziehung der beiden Basel auf die neue Losung Partnerschaft statt Wiedervereinigung. Damit gab sich auch die Stadt einigermassen zufrieden, die den Verlust nie ganz verschmerzt hat. Trösten kann sie sich wenigstens mit dem wirtschaftlichen Erfolg und den entsprechend hohen Staatseinnahmen: Ganz im Gegensatz zu den Verantwortlichen im Baselbiet erzielten die Basler in den vergangenen Jahren erfreuliche Abschlüsse. Eine Kantonsfusion würde das Wirtschaften auch auf dem Land erleichtern, hoffen der Basler Gewerbeverband und die bikantonalen Wirtschaftsverbände – was die die Baselbieter Wirtschaftskammer in die Bredouille bringt (siehe Kasten unten).

 

Die Wirtschaftskammer hat ein Problem

In der Geschichte der beiden Basel geht es ähnlich turbulent zu und her wie in einer langen, tragischen Liebe. Zum grossen Bruch kam es 1832/33, als die Landschäftler von der politischen Bevormundung der Städter genug hatten und sich verselbständigten. Danach gab es neben kleine- ren und grösseren Boshaftigkeiten immer wieder gegenseitige Annähe- rungen. Auch die Wiedervereinigung wurde mehrfach gefordert – und auf dem Land ebenso häufig abgelehnt, zuletzt 1969. Bei einer extrem hohen Stimmbeteiligung von 75 Prozent lehnte das Baselbiet die Wiederver- einigung damals mit fast 60 Prozent der Stimmen ab. Dafür war nur ein Bezirk: das stadtnahe Arlesheim (ebenfalls mit 60 Prozent). Nach dieser Abfuhr einigte man sich in der Beziehung der beiden Basel auf die neue Losung Partnerschaft statt Wiedervereinigung. Damit gab sich auch die Stadt einigermassen zufrieden, die den Verlust nie ganz verschmerzt hat. Trösten kann sie sich wenigstens mit dem wirtschaftli- chen Erfolg und den entsprechend hohen Staatseinnahmen: Ganz im Gegensatz zu den Verantwortlichen im Baselbiet erzielten die Basler in den vergangenen Jahren erfreuliche Abschlüsse. Eine Kantonsfusion würde das Wirtschaften auch auf dem Land erleichtern, hoffen der Basler Gewerbeverband und die bikantonalen Wirtschaftsverbände. Ein Problem ist diese Haltung für die Wirtschaftskammer Baselland, deren alter Vorkämpfer Hans Rudolf Gysin sich die Unabhängigkeit des Basel- biets schon vor Jahren auf die Fahnen geschrieben hat. Christoph Buser, sein Nachfolger an der Spitze der Wirtschaftskammer, gibt sich nun alle Mühe, das Problem herunterzu- spielen. Die Forderung nach einer Fusion der beiden Basel habe «keine grosse wirtschaftliche Relevanz», sagt er. Darum werde die Wirtschaftskammer in der Debatte nur eine «untergeordnete Rolle» spielen.

 

 

 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 06.04.12

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