Was nützen uns die Rohstoff-Firmen in der Schweiz? Wie viel Steuern bezahlen die Multis tatsächlich? Auch nach dem Rohstoffbericht des Bundesrats bleiben diese Fragen ungeklärt. SP-Parlamentarierin Jacqueline Badran will nun Klarheit.
Badran gegen die Rohstoff-Multis: Heute reicht Jacqueline Badran, SP-Nationalrätin aus Zürich, während der Sondersession drei Vorstösse ein, um die Rohstoff-Firmen zu grösserer Transparenz zu zwingen. Sie will wissen, warum Glencore so wenig Steuern bezahlt, sie möchte vom Bundesrat den konkreten, volkswirtschaftlichen Nutzen der Konzerne beziffert haben, und sie möchte, dass die Rohstoff-Multis in Zukunft als eigene Branche geführt werden.
Heute figurieren die rund 500 Firmen in der Statistik unter den Handelsunternehmen. Badran: «Im Gegensatz zu Händlern von Turnschuhen und Pommes-Chips handeln die Rohstoff-Firmen essentielle Güter. Das rechtfertigt eine besondere Beachtung und eine sorgfältige Regulierung.» Die Vorstösse sind gut getimt – in diesen Tagen findet in Lausanne der weltweit wichtigste Rohstoff-Gipfel zum zweiten Mal in der Schweiz statt.
Frau Badran, Sie wissen doch schon, wie viel Steuern Ivan Glasenberg von Glencore bezahlt. Er hat es Ihnen an einem Anlass gesagt. Warum nun also all die Vorstösse?
Weil ich wissen will, wie das sein kann, dass Glencore in den vergangenen zwei Jahren keine Steuern bezahlt hat! Ausserdem geht es nicht nur um Glencore, sondern um die gesamte Rohstoffbranche. Im dicken Rohstoff-Bericht des Bundesrats steht zwar, dass die Branche «beträchlich» viel Steuern bezahlt und dass Steuerregimes zwischen den Kantonen und den Firmen bestehen. Aber weder kennen wir die Zahl des Steuersubstrats noch den Inhalt der Steuerregimes. Das ist gewollte Intransparenz.
Als vergangene Woche die Rohstoff-Titelgeschichte der TagesWoche erschien, wies uns ein PR-Büro von Glencore am gleichen Tag darauf hin, dass die Firma und ihre Mitarbeiter in den letzten beiden Jahren 1,6 Milliarden Franken Einkommenssteuern bezahlt haben. Das ist doch beträchtlich.
Hallo!? Das sind total unterschiedliche Steuersubjekte. Ich zahle als Privatperson Steuern und als Unternehmerin. Zweitens: Steuern sind relativ und nicht absolut zu betrachten. Drittens: Auch als Privatpersonen werden die Mitarbeiter der Rohstoffbranche ultraprivilegiert. Dank der Unternehmenssteuerreform II können sich die Aktionäre der Konzerne Milliarden an steuerfreien Dividenden auszahlen. Und viertens sollen die uns Dankeschön sagen und sicher nicht umgekehrt. Mir gehen diese gnädigen Herren mit ihren milden Gaben aber so etwas auf den Geist. Die reine neofeudale Attitüde!
«Mir gehen diese gnädigen Herren mit ihren milden Gaben aber so etwas auf den Geist. Die reine neofeudale Attitüde!»
Das würden die Bürgerlichen weit von sich weisen. Sie werfen den Linken im Gegenzug vor, den Wirtschaftsstandort schlecht zu reden.
Ach, hören Sie doch auf. Das hat doch nichts mit dem «Erfolgsmodell Schweiz» zu tun! Das Phänomen, Kapital auf Kosten von Arbeit und Konsum zu entlasten, ist ein Phänomen der letzten 15 Jahre. Darauf ist unser Wohlstand nicht aufgebaut. Es sind Leute wie FDP-Nationalrat Ruedi Noser, die das System umpflügen. Nicht wir.
Noser und andere bürgerliche Politiker werfen Ihnen vor, den Wegzug der Branche zu riskieren.
So ein Blödsinn! Entschuldigung, die steuerliche Situation ist nur ein Mitnahmeeffekt. Wenn auch ein hocheffizienter: Die Firmen kaufen und verkaufen ihre Rohstoffe im Ausland. Gemeinsam mit den Steuerbehörden werden im Ausland fiktive Betriebsstätten errichtet und die Gewinne dorthin ausgelagert. So bleibt noch ein Bruchteil des ursprünglichen Gewinns übrig – und der wird zu einem tiefen Schweizer Satz versteuert. Aber die Branche würde auch hier bleiben, wenn sie diese Steuerdeals bei uns nicht mehr angeboten bekäme.
Was macht Sie da so sicher? Vertreter von Dubai und Singapur werben anscheinend aktiv um die Schweizer Rohstoffkonzerne.
Die wollen doch nicht nach Dubai! Bei 40 Grad im vollklimatisierten Büro sitzen? Sicher nicht! Das sind Briten, Deutsche und Amerikaner, die wollen doch nicht in den Nahen Osten oder nach Asien. Sie wollen ihre Kinder in europäische Schulen schicken, wollen am Wochenende nach London oder Cannes jetten, wollten unter ihresgleichen sein. An der gleichen PR-Veranstaltung hat Ivan Glasenberg gesagt, seine Ingenieure würden nicht gerne in den Kongo – weil es dort keine «fancy hotels» gebe. In der Schweiz haben wir ein paar solcher Hotels. Und dabei ist die Lebensqualität nur ein Faktor unter vielen. Die Schweiz hat einen stabilen Finanzplatz, hat Doppelbesteuerungsabkommen mit x Ländern, das grösste Netz an Investitionsschutzabkommen. Das ist entscheidend für diese Konzerne!
«Das sind Briten, Deutsche und Amerikaner, die wollen doch nicht in den Nahen Osten oder nach Asien.»
Und trotzdem möchten Bürgerliche und Bundesrat die Branche nicht weiter regulieren. Woher kommt die Angst vor der Rohstoff-Konzernen?
Weil es eine Religion ist. Die Bürgerlichen wissen nicht, sie glauben. Sie glauben, dass die Rohstoffbranche viel Steuern bezahlt – weil es einfach so sein muss! Sie wollen glauben, dass uns die Branche nützt und verweisen auf den hohen Anteil am Bruttoinlandprodukt. Im Grundlagenbericht des Bundesrats steht, die Rohstoffbranche habe nun den grösseren Anteil am BIP als der Tourismus. Aber das bringt uns nichts. Im Tourismus arbeiten 15-mal mehr Menschen als in der Rohstoffbranche. Wenn auf den hier erwirtschafteten Gewinnen keine Steuern bezahlt werden, nützt uns das aufgeblähte BIP genau nichts. Wenn die Rohstoffmultis ordentlich Steuern zahlen würden, dann könnte man die Steuern für den Mittelstand senken, die Kaufkraft würde grösser, wir alle hätten mehr in der Tasche. Die klassische liberale Forderung. Stattdessen erstarren die Bürgerlichen in Angst und argumentieren oberflächlich und wirtschaftsinkompetent.
Ohne das Engagement von Nichtregierungsorganisationen wie der Erklärung von Bern wären Rohstoff-Firmen kein Thema und Sie würden keinen Vorstoss einreichen. Versagt die Politik?
Ich bin extrem froh um die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen. Wir sind in verschiedenen Gebieten auf NGO angewiesen – so wie die Bürgerlichen auf ihre Verbände, die ihnen vorschreiben, wo man gefälligst nichts zu regulieren habe. Uns fehlt es an Ressourcen. In den USA stehen einem Abgeordneten 80 Vollzeitstellen zur Verfügung, in Deutschland sind es bis zu zehn. Da können sie auch mal etwas recherchieren! In der Schweiz sitzt die Badran um 2 Uhr morgens vor dem Compi und versucht im Netz etwas zu finden.
Artikelgeschichte
Es sind nicht die Mitarbeiter von Glencore alleine, die in den letzten beiden Jahren 1,6 Milliarden Franken Steuern bezahlt haben. Auch die Firma habe einen «dreistelligen Millionenbetrag» dazu beigetragen, teilt uns das PR-Büro von Glencore mit.