Diplomatische Schritte zur Entspannung in der Ukraine

Die internationale Krisenkonferenz zur Ukraine hat sich in Genf auf einen Fahrplan zur Entspannung geeinigt. Offen ist aber, wie er umgesetzt werden soll.

US-Aussenminister John Kerry und die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton in Genf.

Die internationale Krisenkonferenz zur Ukraine hat sich in Genf auf einen Fahrplan zur Entspannung geeinigt. Offen ist aber, wie er umgesetzt werden soll.

Die Aussenminister der ukrainischen Übergangsregierung, Russlands, der USA und der EU haben sich an ihrer Konferenz zur Ukraine-Krise in Genf auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt. Dies kam am Donnerstagabend überraschend nach der rhetorischen Scharfmacherei aller Seiten, an der sich auch nicht wenige westliche Medien beteiligten. Offenbar waren sich die internationalen Protagonisten der Gefahr einer weiteren Eskalation in der Ukraine bewusst. Einen Krieg wollen sie vermeiden. Es gab auch Differenzen zwischen Verbündeten. So dauerten die Verhandlungen nach Angaben eines westlichen Diplomaten sieben statt der geplanten zwei Stunden, weil sich unter anderem EU und die USA uneinig waren.

Die vereinbarte Erklärung enthält erste Schritte eines Fahrplans für eine Entspannung der Lage in der Ukraine. Demnach sollen bewaffnete Gruppen aufgelöst sowie besetzte Gebäude und Plätze geräumt werden. Zudem wurde Demonstranten, die ihre Waffen abgegeben und besetzte Gebäude geräumt haben eine Amnestie zugesichert. Ausgenommen sind davon jene, die schwere Verbrechen begingen. Die Ukraine verpflichtete sich, einen breiten Dialog über eine Verfassungsreform zu organisieren, die mehr regionale Autonomie gewähren dürfte. Trotz des diplomatischen Durchbruchs machten die prorussischen Separatisten in der Ostukraine keine Anzeichen einzulenken. Wenig begeistert waren auch die auf dem Maidanplatz in Kiew ausharrenden Nationalisten.

Trotz Einigung bleiben offene Fragen

Vereinbart wurde in Genf zudem, dass die Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eine führende Rolle bei der Unterstützung der ukrainischen Behörden und Gemeinden übernimmt, um die geplanten Schritte für eine Entspannung auszuführen. Die USA, die EU und Russland verpflichteten sich, diese Mission zu unterstützen, auch mit der Bereitstellung von Beobachtern. US-Aussenminister John Kerry und die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton sagten, die in Genf beschlossenen Schritte könnten als Plattform für eine Entspannung der politischen Krise in der Ukraine dienen.

Die Genfer Erklärung lässt jedoch viele Fragen offen. Der umstrittene Anschluss der ukrainischen Halbinsel Krim an Russland war kein Thema bei den Verhandlungen, an denen neben Kerry und Ashton der russische Aussenminister Sergej Lawrow und der ukrainische Aussenminister Andrej Deschtschiza teilnahmen. Unklar ist etwa, wie die OSZE-Beobachtermission die beschlossenen Massnahmen durchsetzen soll. Die OSZE befasst sich normalerweise mit der Überwachung von Wahlen oder von Abkommen, jedoch nicht mit deren Umsetzung. Ihre Beobacher sind unbewaffnet und könnten höchstens Überzeugungsarbeit leisten.

Über Sanktionen sind sich die EU-Staaten nicht einig

Die Einigung in Genf dürfte eine Erleichterung für die EU-Staaten sein, die am Montag zwar neue Sanktionen gegen Einzelpersonen beschlossen, welche bei der Annexion der Krim ein Rolle spielten. Uneinig sind sich die EU-Staaten aber darüber, Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verhängen. Unter anderen sind Deutschland, Italien, Österreich, Spanien, Finnland und die Niederlande eher zurückhaltend.

Nach Angaben von Gabriel Galice, Präsident des internationalen Friedensforschungsinstituts in Genf (GIPRI) handelt es sich in der Ukraine um eine strukturelle Krise, da sich die westlichen Staaten, allen voran die USA, und Russland seit Langem einen Wettstreit um Einfluss in dem Land liefern. In einem Artikel in der Westschweizer Zeitung Le Temps verwies Galice auf die Doktrin, die Zbigniew Brzezinski 1997 in seinem Buch «Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft» formulierte. Laut Brzezinski, Berater von US-Präsident Barack Obama und bereits des früheren Präsidenten Jimmy Carter, ist Eurasien der Schauplatz, wo sich der Kampf um die Weltherrschaft abspielt. Dabei komme unter anderem der Ukraine eine zentrale Rolle zu. Nach Meinung von Galice ist es für eine Entspannung in der Ukraine nötig, dass sich die westlichen Staaten und Russland ihren Einfluss in dem Land teilen und auf politischer wie wirtschaftlicher Ebene zusammenarbeiten.

Seit die Halbinsel Krim sich im März vom ukrainischen Staat losgelöst hat, werden auch in der Ostukraine separatistische, prorussische Gruppen immer lauter und organisieren sich zunehmend. Diese Bewegung will der ukrainische Staat eindämmen. Das ukrainische Militär geht in einem «Anti-Terror-Einsatz» mit Gewalt gegen die prorussischen Milizen vor. Am Donnerstag fand eine Krisensitzung in Genf statt. Die Lage scheint sich seither jedoch nicht gross gemildert zu haben. Über die neusten Geschehnisse bestens informieren kann man sich auf dem Live-Blog der Zeit.

 

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