Yusuf Sönmez gilt als einer der Köpfe des internationalen Organhandels. Serbische Behörden wollen den Flüchtigen in Amsterdam ausfindig gemacht haben. Festgenommen wurde er bislang nicht.
12’000 Euro für eine Niere. Dieses Versprechen wurde Menschen aus Moldawien, Russland, Kasachstan und der Türkei vom Organhandel-Ring um Yusuf Sönmez und Moshe Harel gemacht. Das Geld haben die meisten Opfer nie erhalten. Die Operationen wurden im privaten Medicus-Krankenhaus an der Peripherie der kosovarischen Hauptstadt durchgeführt. Im November 2008 brach dann Yilmaz Altun auf dem Flughafen von Pristina zusammen, Blut drang durch seine Kleidung. Die zuständigen Ärtze stellten fest, dass ihm kurz zuvor eine Niere entnommen wurde – der Organhandel flog auf. Yusuf Sönmez hatte die Operation persönlich durchgeführt.
Die meisten Nieren wurden nach Israel verkauft, wo die Käufer zwischen 80’000 und 100’000 Euro für das Organ bezahlten. Unter den Käufern waren auch Deutsche, Polen und Kanadier. Yilmaz Altun sollte als Zeuge aussagen und verschwand spurlos. Dieses Schicksal widerfuhr nicht nur ihm, sondern auch vielen anderen Zeugen des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY), die gegen ranghohe kosovarische Politiker aussagen sollten, welche verdächtigt werden, in den Organhandel verstrickt zu sein.
Unter den Angeklagten im Fall des Medicus-Krankenhauses befanden sich bekannte Mediziner wie der Urologe Lufti Dervishi, welcher zuvor als Direktor der Universitätsklinik in Pristina tätig war. Von dem zuständigen Gericht wurde er zu acht Jahren Haft verurteilt. Laut Anklage sollen in der Klinik mindestens dreissig illegale Operationen stattgefunden haben. Die beiden mutmasslichen Hauptdrahtzieher Yusuf Sömnez und Moshe Harel sind bislang flüchtig und werden von Interpol gesucht.
Sönmez soll in Amsterdam leben
Die serbische Behörde für die Verfolgung von Kriegsverbrechen gab am 2. September bekannt, dass Yusuf Sönmez in Amsterdam gesichtet worden sei und dass diese Informationen an den Chefermittler der EU im Kosovo weitergegeben worden seien. Laut Berichten des serbischen Boulevardblatts «Blic» soll der Mann, der auch als Dr. Frankenstein und Dr. Tod bekannt ist, eine 2-Millionen-Euro-Villa in Amsterdam besitzen, in der er zurzeit lebt. Er konnte bislang nicht festgenommen werden, und es ist derzeit schwierig zu bewerten, wie handfest diese Vermutungen sind.
Bereits 2005 wurde Sönmez bei einer Razzia im Istanbuler Stadtteil Bostanci noch am Operationstisch von der Polizei festgenommen. Eine Gefägnisstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, woraufhin er seine Aktivitäten nach Pristina verlagerte. Auch in Aserbaidschan wurde 2006 gegen ihn ermittelt, weil er illegale Nierentransplantationen im Universitätskrankenhaus von Baku durchgeführt haben soll. Das letzte Mal befand er sich am 12. Januar 2011 in den Händen der türkischen Behörden, welche Anklage aufgrund des Organhandels in Zusammenhang mit der Medicus-Klinik stellten. Er wurde gegen Kaution freigelassen.
Dick Marty scheiterte beim Versuch des Beweises
In einem im Dezember 2010 erschienenen Bericht erhob der damalige Sonderberichterstatter des Europarates Dick Marty schwere Vorwürfe gegen die ehemalige Führungsriege der UÇK, unter ihnen viele heutige Spitzenpolitiker des Kosovo wie der Ministerpräsident Hashim Thaci.
Der Weg der Gefangenen bis zur Organentnahme gemäss Dick Marty und seinem Sonderbericht.
Darin begründet er seinen Verdacht, diese seien an Drogenhandel, Auftragsmorden und dem Handel mit Organen von serbischen Gefangenen, Roma und der UÇK unliebsamen Albanern beteiligt gewesen. Dick Marty warf zudem westlichen Regierungen vor, die Ermittlungsarbeiten aus politischen Gründen zu verschleppen. Für diese Vorwürfe konnte der FDP-Politiker allerdings nicht ausreichend gerichtsfestes Material zusammentragen.
FDP-Politiker Dick Marty hat sich keine Freunde gemacht mit seinem Sonderbericht zum Organhandel. (Bild: ALESSANDRO DELLA BELLA)
Hashim Thaci verglich den Schweizer Politiker daraufhin mit Joseph Goebbels und wies alle Vorwürfe zurück. Kosovarische Medien bezeichneten Marty als «Freund der Serben und Russen». Viele Kosovaren sehen es nicht gerne, wenn die vermeintlichen Freiheitskämpfer verunglimpft werden.
Das «gelbe Haus» und der Frust von Carla del Ponte
Im Zentrum von Martys Vorwürfen steht das sogenannte «gelbe Haus» in Rribe bei Burrel. Seit 1998 kam es im Kosovo zu Entführungen durch die UÇK. Laut einem «Human Rights Watch»-Bericht aus dem Jahre 2008 sollen etwa 400 Serben seit dem Kriegsende vermisst worden sein. Es wird vermutet, dass bis zu 300 Gefangene aus den UÇK-kontrollierten Gebieten im Kosovo nach Albanien verschleppt und dort in Lagerhäusern und Baracken festgehalten wurden.
Carla del Ponte war frustriert über die Ermittlungen gegen die UÇK-Führungsriege. (Bild: SALVATORE DI NOLFI)
Diejenigen Entführten, die jung und gesund aussahen, seien danach ins «gelbe Haus» gebracht worden. Dort sollen den Gefangenen Organe entnommen und über den Flughafen Tirana ins Ausland transportiert worden sein, wo wohlhabende Käufer bereits auf diese warteten. Es besteht der Verdacht, die Opfer des Organraubs seien vor der Entnahme per Kopfschuss getötet worden.
Erhärtet wird dieser Verdacht durch Recherchen eines Teams von Journalisten um Michael Montgomery, welche in den Jahren 2002 und 2003 zum Organhandel durch die UÇK recherchierten. Die Chefanklägerin des ICTY, Carla del Ponte, nahm diese Hinweise in ihren Memoiren «Im Namen der Anklage» auf und sagte: «Die Ermittlungen gegen Teile der UÇK erwiesen sich als die frustrierendsten im Lauf der Arbeit des Jugoslawien-Tribunals.»
Der Film zu den Recherchen von Montgomery und Team:
Ermittlungen dauern an, beweisen lässt sich nichts
Auf Grundlage der Ermittlungen der Sonderuntersuchungsgruppe Special Investigative Task Force (SITF) gebe es ausreichend Hinweise für Verbrechen, welche die UÇK während des Kosovo-Krieges begangen haben soll. Der EU-Chefermittler Williamson äusserte, dass es sich um «ethnische Vertreibungen von Serben und Roma südlich des Ibarflusses» handle und dass es «überzeugende Hinweise darauf gibt, dass eine kleine Zahl von Individuen getötet wurde mit dem Ziel, ihnen Organe zu entnehmen und diese zu verkaufen», beweisen könne er dies bislang jedoch nicht.
Die serbischen Behörden verdächtigen Yusuf Sönmez, für den Handel der Organe aus dem «gelben Haus» verantwortlich zu sein, und gehen davon aus, dass hinter diesem dieselben mafiösen Strukturen stecken wie im Fall des Medicus-Krankenhaus.