Dramatische Stichwahl steht bevor

Bei den Präsidentschaftswahlen in Ägypten liegt nach vorläufigen Resultaten der Kandidat der Muslimbrüder an der Spitze. Mubaraks letzter Premier kann knapp den zweiten Platz behaupten.

Geringe Wahlbeteiligung: Ägypter warten vor einem Wahlbüro in Kairo darauf, ihre Stimme abgeben zu können. (Bild: Keystone)

Bei den Präsidentschaftswahlen in Ägypten liegt nach vorläufigen Resultaten der Kandidat der Muslimbrüder an der Spitze. Mubaraks letzter Premier kann knapp den zweiten Platz behaupten.

Nicht die Wahlkommission sondern die Muslimbrüder sorgten für die Schlagzeilen nach der ersten Runde der ägyptischen Präsidentschaftswahlen. Dank ihrer gigantischen Organisation waren sie bei der Auszählung im ganzen Land präsent. Lange bevor alle Resultate vorlagen, konnten sie ihren Kandidaten Mohammed Morsi schon zum Sieger ausufen. Schnell war auch klar, dass eine Stichwahl nötig wird.

Um Rang zwei gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Ahmed Shafiq, dem Aushängeschild des alten Regimes und Hamdin Sabahi, dem linken Nasseristen, den niemand so weit vorne auf der Liste gehabt hatte. Er hat all jene angesprochen, die weder Islamisten noch Ehemalige wählen wollten und hat zum Beispiel in Alexandria gewonnen. Auf Platz vier liegt Abdel Moneim Fotouh, ein moderater Islamist, gefolgt vom ex-Aussenminister Amr Moussa.

Nach diesen Zwischenresultaten würden die Ägypter und Ägypterinnen am 16./17. Juni zwischen Morsi und Shafiq, den beiden am meisten polarisierenden Kandidaten zu wählen haben; das heisst auch zwischen den beiden aktuellen Machtpolen, den Muslimbrüdern und dem Militär. Die Wahlbeteiligung lag mit rund 40 Prozent unerwartet tief, sowohl beim Verfassungsreferendum als auch bei den Parlamentswahlen gingen mehr Leute an die Urnen. 

Polarisiernde Figuren

Grautöne liegen den Ägyptern nicht, sie ziehen die Extreme vor, hatte ein junger Revolutionsaktivist schon vor dem Wahlgang vorausgesagt. Das Ergebnis gibt ihm recht. Sowohl aus dem Lager der Islamisten als aus jenem der Ehemaligen erhielt jeweils der extremere den Vorzug. Morsi, vom konservativen Flügel der Muslimbrüder, stach Abul Fotouh aus, Shafiq liess Moussa deutlich hinter sich. 

Shafiq, der letzte Regierungschef unter Mubarak und Teil des Militärapparates, verspricht Recht und Ordnung und wieder Sicherheit auf Ägyptens Strassen. Grosse Teile der christlich-koptischen Minderheit haben für ihn gestimmt. Das belegen die Resultate aus Oberägypten, wo die Kopten ihre Zentren haben. Gegen Shafiq laufen mehrere Gerichtsverfahren, wegen Korruption und Amtsmissbrauch in seiner Zeit als Minister für Luffahrt.

Scharfe Attacken aus beiden Lagern

Diese Ausgangslage verspricht eine dramatische Stichwahl, bei der die liberalen Kreise wohl zu Hause bleiben werden. Beide Seiten haben bereits scharf attackiert. Die Muslimbrüder erklärten, sie würden den Sieg eines Ehemaligen nicht akzeptieren. Das Shafiq-Lager hat gewarnt, im Falle eines Sieges der Muslimbrüder würde Ägypten ein zweiter Iran.

Die ersten freien Präsidentschaftswahlen nach dem Sturz Mubaraks waren bedeutend sauberer als frühere Urnengänge, auch wenn alte schlechte Gewohnheiten nicht ganz ausgemerzt werden konnten. Shafiq erhielt sehr viel Raum in den staatlichen Medien und die Jugendorganisation 6. April berichtete, dass auch diesmal wieder Stimmen gekauft wurden und das Propagandaverbot nicht überall eingehalten worden ist. Auch die Ausgaben der Spitzenkandidaten haben mit Sicherheit die Obergrenze von 10 Millionen ägyptischen Pfund (rund 1,66 Millionen Dollar) überschritten.


 

Nächster Artikel