Drei Jahre nach Beginn des syrischen Bürgerkrieges strebt Präsident Bashar al-Assad seine Wiederwahl an. Auf dem Schlachtfeld können seine Truppen mit Unterstützung der libanesischen Hizbollah Erfolge vermelden. Und obwohl die Nachbarländer immer tiefer in den Konflikt hineingezogen werden, tritt die Diplomatie auf der Stelle.
Bashar al-Assad verlässt Damaskus kaum mehr. Mitte dieser Woche hat er eine der seltenen Ausnahmen gemacht und in Arad, im Umland der Hauptstadt, Vertriebene besucht und sich ihre Nöte angehört. Genau drei Jahre nachdem die ersten Proteste gegen den «Tyrannen» in Damaskus und Deraa aufgeflammt waren und mit grosser Gewalt niedergewalzt wurden, bereitet sich Assad auf eine neue Präsidentschaftskandidatur vor. Sein Mandat läuft am 17. Juli 2014 aus. Am Donnerstag hat das Parlament ein neues Gesetz verabschiedet, das die Chancen der Opposition massiv einschränkt. Es bestimmt, dass jeder Kandidat in den vergangenen zehn Jahren ununterbrochen in Syrien gelebt haben muss. Durch diesen Raster fallen viele Oppositionspolitiker.
146 000 Menschen getötet
Der Abgang von Assad ist die wichtigste Forderung der Opposition, die seit drei Jahren versucht, ihn abzusetzen. Aber obwohl sein Land in einen unbeschreiblich brutalen Bürgerkrieg verstrickt ist, der 146 000 Tote gefordert, einen Drittel der Bevölkerung zu Flüchtlingen gemacht, unermessliche materielle Schäden bewirkt, die Entwicklung um Jahrzehnte zurückgeworfen und die nationale Kohäsion zerstört hat, kann sich der Diktator halten. Paradoxerweise stehen seine Chancen sogar besser als auch schon.
Dabei ist der Chemiewaffen-Deal nur ein Faktor, der ihm Luft verschafft hat. Auch auf dem Schlachtfeld können seine Truppen seit mehreren Monaten regelmässig Erfolge verbuchen. Unterstützt von der libanesischen Hizbollah wird in diesen Tagen die Rebellen-Hochburg Yabroud, nahe der libanesischen Grenze, zurückerobert. In der Umgebung von Damaskus wurden an mehreren Orten nun auch Waffenstillstände in Kraft gesetzt; vorausgegangen war eine Zermürbungstaktik mit heftigen Bombardements und Belagerungen.
Islamisten schrecken Westen auf
Die stärksten Gegner von Assads Truppen auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen sind längst die diversen Verbände von islamistischen Extremisten wie die al-Nusra-Front und der Islamische Staat im Irak und der Levante (ISIL). Sie setzen in ihren Hoheitsgebieten im Norden des Landes auch islamisches Recht um, zwingen etwa Mädchen voll verschleiert zur Schule zu gehen. Diese Gruppen sind auch unter sich verfeindet und haben sich in verschiedenen Regionen einen blutigen «Krieg im Krieg» mit vielen Toten geliefert.
Diese Entwicklung hat vor allem auch den Westen aufgeschreckt. Assad propagiert sich und sein Regime – auf dessen innersten Zirkel er sich nach wie vor verlassen kann – als Gegenkraft zu den «Terroristen», gemeint sind die Jihadisten, und als Garant für einen säkularen Staat. Mit dieser Rolle als Bollwerk gegen al-Qaida gewinnt er im Westen wenn nicht öffentlich geäusserte Unterstützung so doch mindestens eine weitere Schonfrist.
Zerstrittene Opposition
Weiter kommt Assad, der auf die Unterstützung von Moskau und Teheran bauen kann, auch zu Gute, dass die moderate Opposition heillos zerstritten ist. Der von Katar unterstützte Flügel ist aus der Dachorganisation, der Nationalen Syrischen Koalition, ausgetreten. Deren Vorsitzender Ahmed Jarba ist der Mann Saudi-Arabiens. In diesen Tagen spitzt sich der Konflikt zwischen Riad und Doha erneut zu, weil Saudi-Arabien den Muslimbrüdern den Krieg erklärt und sie als terroristische Organisation eingestuft hat.
Damit bestehen kaum Aussichten, dass es der Opposition gelingt, eine kohärente, breit abgestützte Regierung zu bilden. Das wäre aber die Voraussetzung, um zum Beispiel den Sitz Syriens in der Arabischen Liga beanspruchen zu können. Nachdem der militärischer Flügel der moderaten Opposition, die Freie Syrische Armee (FSA), während Monaten sowohl gegen die syrische Armee als auch gegen die islamistischen Kämpfer an Boden verloren hat, wurde der FSA-Kommandant Salam Idriss vor einem Monat wegen Ineffizienz abgesetzt und durch Abdulah al-Bashir ersetzt. Der Schritt hat neue Unzufriedenheit innerhalb der FSA ausgelöst.
Blühende Kriegswirtschaft
Je länger der Bürgerkrieg dauert, je tiefer werden die Nachbarstaaten in den Strudel hineingezogen. Hunderttausende Flüchtlinge sind eine immense Belastung. Im Libanon ist bereits jeder vierte Einwohner ein syrischer Flüchtling. Aber vor allem ist es der religiöse Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten, der sich sowohl im Libanon als auch im Irak in einer neuen Spirale der Gewalt manifestiert. Die Verflechtung des Krieges in Syrien mit andern regionalen Konflikten wird immer enger. Jeder der vielen Akteure hat Sponsoren und Gönner im Ausland, niemand kann den Kurs der Ereignisse auf den Kriegsschauplätzen mehr kontrollieren. Die Situation ist festgefahren; keine Seite in der Lage einen militärischen Sieg zu erringen, aber die Mittel weiterzukämpfen sind reichlich. Viele Gruppen haben sich in der Kriegswirtschaft eingerichtet, erheben «Zölle» an Grenzen, Brücken und Strassen oder sind im illegalen Handel mit Waffen, Autos oder Drogen aktiv.
Vor diesem Hintergrund spürt Assad wenig Zwang, sich in Genf auf einen Verhandlungskompromiss einzulassen, der zu seinem Ende führen würde. Nach zwei Diskussionsrunden ist die Fortsetzung ungewiss. Der UN-Vermittler Lakhtar Brahimi wirft Syrien vor, für die Verschleppung verantwortlich zu sein und kritisierte zudem, dass auch die Wahlvorbereitungen nicht hilfreich seien. Die Opposition erachtet die Genf II Verhandlungen als gescheitert und verlangt erneut die Lieferung von schweren Waffen, um den militärischen Druck auf Assad zu erhöhen. Am Beginn des vierten Bürgerkriegsjahres deutet nichts auf ein Ende der Kämpfe hin. Die Parallelen mit dem Libanon sind unübersehbar. Dieser Bürgerkrieg hatte 14 Jahre gedauert, obwohl bereits in der Hälfte klar war, wie eine Lösung aussehen müsste. Aber es hat weitere sieben Jahre gedauert, bis der politische Wille der Akteure gereift war.