Ecopopulisten wollen mehr Gummis für die Dritte Welt

Die Ecopop-Initiative will, dass Frauen in Entwicklungsländern weniger oft schwanger werden. Dafür sollen 200 Millionen Franken jährlich aufgewendet werden. Hilfswerke halten den Ansatz für Unfug.

Zwar nichts zu beissen auf dem Tisch, dafür erhalten sie einen Pariser serviert: So sieht Illustrator Domo Löw die Ecopop-Initiative. (Bild: Domo Löw)

Die Ecopop-Initiative will, dass Frauen in Entwicklungsländern weniger oft schwanger werden. Dafür sollen 200 Millionen Franken jährlich aufgewendet werden. Hilfswerke halten den Ansatz für Unfug.

Nicht immer gelingt es den Machern von Ecopop, ihren menschenverachtenden Blick auf die Welt zu verschleiern. Wenn sich der Ökologe Wolfgang Nentwig zur Problematik der vermeintlichen Überbevölkerung des Planeten zu Wort meldet, blitzt jenes totalitäre Gedankengut auf, das Kritiker bei Ecopop verorten. «Eine umfassende Geburtenkontrolle in den Entwicklungsländern ist notwendig», schreibt der Berner Professor auf dem Internetportal des Vereins, «für den Einzelnen ist das brutal, aber für die Lebensräume dort unabdingbar.»

Wie Nentwig diese umfassende ­Geburtenkontrolle versteht, führt er aus verständlichen Gründen an dieser Stelle nicht aus. Denn es sind Äusserungen wie diese, welche die Genfer SP-Nationalrätin Maria Roth-Bernasconi zur öffentlichen Behauptung veranlassten, Ecopop verfolge eugenische Ziele. Der Verein antwortete mit einer Strafanzeige wegen Ehrverletzung.

Es ist nicht der einzige Fall, in dem Ecopop Kritiker, die sie in die rechte Ecke stellen, gerichtlich zum Schweigen bringen will. Imagekontrolle ist jetzt, da die Initiative in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist, zentral. Nentwigs Aussage wurde längst von der Website entfernt, ebenso zahl­reiche Thesen und Stellungnahmen, etwa zum Asylwesen, die wenig Zweifel daran lassen, wo die politischen Wurzeln von Ecopop liegen.

Abschätzige Äusserungen

Der Vorwurf, eine rassistische Bevölkerungspolitik zu verfolgen, zielt auf die zweite Forderung der Ecopop-Initiative. Diese verlangt, dass zehn Prozent der staatlichen Entwicklungshilfe in die «freiwillige Familienplanung» fliesst, also in Programme, die eine Senkung der Geburtenrate bewirken.

Denn in den Augen von Marianne Manzanell, Bünder Mitinitiantin, sind Frauen in Drittweltländern willenlose Gebärmaschinen: «Wird auf Empfängnisverhütung verzichtet, so wird die Frau nach jeder Geburt wieder schwanger, sofern sie dazu nicht zu schwach ist.» Die Folgen davon: «Erbrechen, dick, Geburt, erneute Schwangerschaft in einer langen Serie, bis sie nicht mehr fruchtbar ist, sofern sie nicht vorher an einer der Geburten stirbt oder an allgemeiner Schwäche.»

Hinter dem verächtlichen Ton eines Plantagenbesitzers vergangener Tage steckt ein Trugschluss, dem der Akademikerzirkel unterliegt. So sehen das die meisten grossen Schweizer Hilfswerke, die den Ansatz von Ecopop für komplett verkehrt halten.

Die Ärmsten werden verantwortlich gemacht

Für Mark Herkenrath, Mitarbeiter der entwicklungspolitischen Dach­organisation Alliance Sud, schiesst die Initiative «klar am Ziel vorbei». Denn sie mache das Bevölkerungswachstum in der Dritten Welt, vor allem bei den ärmsten Ländern Afrikas, für die zunehmende Umweltbelastung verantwortlich. «Dabei verbrauchen diese Länder im Schnitt sehr wenig Ressourcen.» Als Beispiel führt er den Subsaharastaat Niger an, wo eine Frau im Durchschnitt sieben Kinder hat, der CO2-Verbrauch pro Kopf aber 54-mal geringer ist als in der Schweiz.

 

Gut ausgebildete Frauen haben auch in Entwicklungsländern weniger Kinder (Quelle: Helvetas).

Den eigenen Gürtel enger zu schnallen ist nicht die Sache von Ecopop. Die Initiative verzichtet bewusst darauf, von den Schweizern einen schonenderen Umgang mit den Ressourcen einzufordern, obwohl auch innerhalb der Vereinigung die Vorstellung kursiert, die westliche Welt müsse ihren Verbrauch auf jenen der südlichen Hemisphäre herunterschrauben. Doch die Professoren von Ecopop wissen: Mehrheitsfähig wäre dieser Plan nie und nimmer.

Also vereinfachen sie. Behaupten, eine Begrenzung der Geburtenrate sei eine Abkürzung der langwierigen, oft durch Fehlschläge zurückgeworfenen Entwicklungshilfe. Wenn nur die Frauen genügend aufgeklärt wären und Möglichkeiten zur Verhütung hätten, würden die Geburtenraten zurückgehen und damit auch der Ressourcenverbauch.

Tatsächlich folgen die Geburten­raten der wirtschaftlichen Entwicklung. Doch diese zu fördern ist nicht die Absicht von Ecopop, denn das würde heissen: mehr Wohlstand und mehr Konsum, und das wollen die Wachstumskritiker nicht noch mehr Menschen zugestehen.

Wenn eine Frau nicht verhütet, liegt das nur in wenigen Fällen am eingeschränkten Zugang zu Verhütungsmitteln (Quelle: Weltbank).

Wollte Ecopop wirklich etwas gegen hohe Geburtenzahlen tun, müssten die Initianten Investitionen in die Ausbildung von Frauen fordern, argumentiert das Hilfswerk Helvetas. Der Zusammenhang ist vielfach belegt: Je länger eine Frau in Entwicklungsländern zur Schule geht, desto weniger Kinder hat sie. In einem Punkt hat Ecopop allerdings recht: Ungewollte Schwangerschaften zählen zu den Hauptgründen für einen vorzeitigen Schulabbruch. Deshalb betreibt Helvetas Aufklärung, informiert über Familienplanung und Verhütung.

Ecopop geht das viel zu wenig weit. Die Vereinigung fordert das Verteilen von Kondomen und anderen Verhütungsmitteln in der Dritten Welt. Dass das in den meisten Ländern kein Bedürfnis ist, zeigen Untersuchungen der Weltbank. Be­irren lassen sich die Ecopopulisten davon nicht.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 21.02.14

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