Mit ihrer Wahlempfehlung für die bisherigen SP-Regierungsräte empörte die Handelskammer SVP und Novartis. Emmanuel Ullmann, ebenfalls übergangener Kandidat der Grünliberalen, sagte dagegen erst einmal nichts. Nun äussert er sich, bedacht zwar, aber gleichzeitig auch kritisch gegenüber der SVP, der Pharma und auch der Handelskammer.
Sind Sie auch beleidigt, dass die Handelskammer Sie bei ihrer Wahlempfehlung nicht berücksichtigt hat?
Emmanuel Ullmann: Nicht beleidigt, aber erstaunt. Offensichtlich nimmt die Handelskammer den Umweltschutz nicht so wichtig. Das zeigt sich ja auch darin, dass sie den Grünen Stadtpräsidenten Guy Morin als einzigen Bisherigen übergangen hat.
Aber in dieser Beziehung ist die Handelskammer leider kein Einzelfall. Auch andere Wirtschaftsvertretungen wie etwa der Basler Gewerbeverband haben die Bedeutung des Umweltschutzes noch nicht erfasst. In anderen Ländern ist man da schon weiter. Dort hat man auch in Wirtschaftskreisen gemerkt, welche Zukunftstechnologien etwa die Solar- und die Windkraft sind.
Möglicherweise sind Sie der Handelskammer auch einfach zu jung.
«Zu jung» – ich kann diesen Vorwurf bald nicht mehr hören. Ich habe eine gute Ausbildung, eine guten Job, bin bald dreifacher Familienvater und habe auch in der Politik schon jahrelange Erfahrung mit entsprechendem Leistungsausweis. Diese Erfahrung möchte ich nun gerne in die Regierung einbringen.
Das heisst: Sie sehen das Problem im veralteten Denken der Handelskammer und nicht in ihren 32 Lebensjahren.
So könnte man das sagen, ja.
Auf dem Novartis-Campus ist man aus einem etwas anderen Grund verärgert. Die Firma beschwerte sich bei der Handelskammer darüber, dass sie die SP-Regierungsräte unterstützt – und nicht die SVP-Kandidaten. Haben Sie Verständnis für diese Kritik?
Nun, in der nationalen Politik vertritt die SVP die Interessen der Pharma bei Lohn- und Bonusfragen sicher sehr viel mehr als die SP. Gleichzeitig müssten die Unternehmen doch eigentlich auch erkennen, wie wirtschaftsfeindlich die ständigen Forderungen der SVP nach härteren Restriktionen in der Einwanderungspolitik sind. Die Wirtschaft braucht mehr Fachkräfte aus dem Ausland und damit die Personenfreizügigkeit, die von der SVP bekämpft wird. In Basel hat diese Partei mit Lorenz Nägelin und Patrick Hafner zudem zwei Regierungsratsikandidaten nominiert, die bis jetzt keine grossen Stricke zerrissen haben. Die SP-Regierungsräte sind da schon andere Kaliber. Insofern habe ich nur sehr bedingt Verständnis für die Kritik von Novartis.
Und was ist von Baschi Dürr und Christophe Haller Ihrer Meinung nach zu halten? Figurieren diese beiden FDP-Kandidaten zu Recht auf der Liste der Handelskammer?
Meiner Ansicht nach nicht. Die Basler FDP hat zwar Politiker, die so ökologisch denken und handeln, wie das heute dringend nötig ist. Dürr und Haller gehören aber leider nicht dazu.
Bei den Grünliberalen wiederum weiss man teilweise überhaupt nicht, wofür sie stehen. Mal stimmen sie mit Linksgrün, dann machen sie wieder eine sehr rechte Politik – so wie jetzt in Zürich. Dort unterstützte Ihre Partei die Forderung der SVP, «Eingebürgerte» künftig – als Schweizer zweiter Klasse sozusagen – konsequent von «Schweizern seit Geburt» zu unterscheiden.
Mit dieser Geschichte waren wir in Basel gar nicht glücklich. Eine Katastrophe war vor allem die Kommunikation. Den Zürcher Grünliberalen ging es keinesfalls darum, die Eingebürgerten als zweitklassige Schweizer abzustempeln, auch wenn es in den Medien so rüberkam. Die Zürcher Grünliberalen wollen zu Recht möglichst genaue Statistiken und möglichst viele Fakten, damit die Debatte über Ausländer und Ausländerkriminalität versachlicht werden kann. Aber höchstwahrscheinlich war die Annäherung an die SVP in dieser Frage ein Fehler. Mit dieser Partei ist es in diesem Bereich leider fast nicht möglich, konstruktiv zusammenzuarbeiten.
Wo genau stehen Sie selbst denn politisch?
In Umwelt- und Verkehrsfragen stimme ich mit Linksgrün, in Finanz- und Steuerfragen mit den Bürgerlichen. Die Kritiker werfen uns darum eine Wischiwaschi-Politik vor. Ich selbst nenne es pragmatisch.
Wenn wir schon beim Thema der Widersprüche sind: Was halten Sie von der Basler SP?
Die SP-Regierungsräte machen eine gute, pragmatische und auch wirtschaftsfreundliche Politik. Die SP-Fraktion und die SP-Basis nehmen eine andere Rolle als die Exekutive ein, wobei sie manchmal auf der anderen Seite stehen. Darum wurde an der Urne vor Kurzem leider auch die Senkung der Unternehmenssteuer abgelehnt, nachdem die Vorlage im Grossen Rat nicht zuletzt dank der Grünliberalen noch durchgekommen war.
Aber es bleibt das grosse Problem der Basler Mitte- und Rechtspolitiker: dass sich die Linken – zumindest in der Regierung – als die besseren, die erfolgreicheren Bürgerlichen erwiesen haben.
(Lacht.) Die Regierung hat tatsächlich einen guten Leistungsausweis. Die Finanzen sind im Lot. Dennoch würde ich mir von der Regierung manchmal etwas mehr Mut, etwas mehr Entschlossenheit und ein höheres Tempo erwünschen – etwa bei der Sanierung der Pensionskasse, beim Ausbau der Tagesstrukturen oder bei der Zusammenarbeit mit unseren Nachbarkantonen und -ländern.
Ist Ihnen die rotgrüne Regierung manchmal vielleicht sogar etwas zu wirtschafts- und vor allem pharmafreundlich?
Da fehlt mir manchmal tatsächlich etwas die Distanz. Ich bin zwar auch sehr dafür, das der Forschungsstandort Schweiz geschützt wird. Dafür gibt es aber das Patentgesetz, das verhindert, das neue Entwicklungen schon nach ein paar wenigen Monaten oder Jahren kopiert werden können. Alle weiteren Protektionsmassnahmen lehne ich ab. Insofern halte ich den Widerstand gegen Parallelimporte und die Anpassung der Medikamentenpreise an den tiefen Eurokurs für falsch. Die Basler Regierung vertritt eine etwas andere Haltung, auch weil sie ganz offensichtlich in einem Dilemma ist. Einerseits wird zwar auch sie Verständnis für die Forderungen nach günstigeren Medikamentenpreise haben, andererseits will sie aber auch keinesfalls die besten Steuerzahler der Stadt vergraulen.
Bei solchen Voraussetzungen dürfte es auch für Sie als Mann der Mitte sehr, sehr schwierig werden, die linksgrüne Mehrheit aufzubrechen und in die Regierung einzuziehen.
Meine Chancen sind nicht gigantisch, aber intakt. Mein Szenario sieht so aus: Die Bisherigen werden im ersten Wahlgang gewählt; ich erziele bereits im ersten Durchgang ein gutes Ergebnis und gewinne im zweiten noch einige Stimmen aus dem linksgrünen Lager. Dann ist für mich alles möglich.