Ein Basler im syrischen Kampfgebiet

Der Basler Kurt Pelda ist freischaffender Journalist und Kriegsreporter. Zurzeit befindet er sich in der Nähe von Aleppo bei arabischen Rebellen, nur wenige Kilometer von den IS-Kämpfern entfernt. Tag und Nacht beschützen ihn Bewaffnete vor einer möglichen Entführung. Ein Interview mit plötzlichem Ende.

Kurt Pelda unterwegs in Syrien. Seine Unterkunft verlässt er nur noch mit bewaffneten Begleitern.

Der Basler Kurt Pelda ist freischaffender Journalist und Kriegsreporter. Zurzeit befindet er sich in der Nähe von Aleppo bei arabischen Rebellen, nur wenige Kilometer von den IS-Kämpfern entfernt. Tag und Nacht beschützen ihn Bewaffnete vor einer möglichen Entführung. Ein Interview mit plötzlichem Ende.

Kurt Pelda ist wieder im Kriegsgebiet. Wir wollen mit ihm über seine Eindrücke sprechen, seinen Alltag vor Ort, sein Leben als Kriegsreporter überhaupt. Dieses Mal wollte er in den Nordirak reisen, um die verfolgten Jesiden zu besuchen.

Tausende der religiösen Minderheit befinden sich seit Tagen auf der Flucht vor dem radikalislamischen IS (Islamischer Staat im Irak). Doch Pelda kam nicht so weit, die Türken verweigerten ihm die Ausreise in das syrisch-irakische Grenzgebiet. Jetzt befindet er sich im Nordwesten von Syrien bei den kurdischen und arabischen Rebellen. Nach mehrtägigen Versuchen erreichen wir ihn via Internet in einem sogenannten «Safe House». Wo genau er sich befindet, kann er aus Sicherheitsgründen nicht sagen.

Während das Alltagsleben der Einheimischen einigermassen seinen Lauf nimmt und auf der Strasse Kinder spielen, wagen sich der Schweizer und seine bewaffneten Begleiter nicht mehr aus dem Haus. Zu gross sei das Risiko einer Entführung, sagt der Basler.

Das von arabischen Rebellen kontrollierte Gebiet liegt nur knapp 15 Kilometer von den Stellungen des IS entfernt. «Ich schaue, dass mich möglichst wenig Leute sehen und gehe nur noch auf die Strasse, um ausgewählte Orte zu besuchen. Einkaufen oder im Restaurant etwas essen zu gehen, ist zu gefährlich.» Von den nahen Kämpfen höre er manchmal die Explosionen der Artillerie, es gebe kaum Strom und die Wasserversorgung ist zusammengebrochen. Während des Gesprächs bricht immer wieder die Verbindung ab.

Herr Pelda, vor ein paar Tagen sind Sie mit den arabischen Rebellen in das Kampfgebiet gefahren. Wie ist die Lage?

Hier ist die Offensive des IS vorerst zum Stillstand gekommen. Es gibt Dörfer, die gehören dem Islamischen Staat, andere den Rebellen. Dazwischen liegt offenes Gelände mit fruchtbaren Feldern. Gekämpft wird vor allem in der Nacht. Tagsüber ist es relativ ruhig. Da gibt es beispielsweise auch Bauern, die arbeiten. Es ist eigentlich eine absurde Situation.

Wie gut ausgerüstet sind die arabischen Rebellen?

Von der Bewaffnung her sind sie klar unterlegen. Der IS verfügt in dem kleinen Gebiet, das ich an der Front besucht habe, über mindestens sechs Panzer. Die Rebellen haben einige Pick-Ups mit Maschinengewehren und sogenannte Minenwerfer, das ist alles. Man munkelt auch, dass ein paar amerikanische TOW-Lenkwaffen zur Panzerabwehr vorhanden sind. Die Rebellen haben aber zu wenige Waffen und vor allem auch zu wenig Munition. Es ist trist zu sehen, wie wenig sie dem IS entgegensetzen können. Die Rebellen sagen, ohne Waffenlieferungen aus dem Westen würden sie die Schlacht verlieren. Und das hätte weitreichende Folgen. Dann geriete die Region zwischen der türkischen Grenze und Aleppo vollständig unter die Kontrolle der Islamisten.

Was für Leute kämpfen auf der Seite der Rebellen?

Die meisten sind mittlerweile kampferprobt und hauptberuflich Rebellen, was nicht heisst, dass sie sich auch professionell verhalten. Sie wurden kaum trainiert und es fehlt eine klare Hierarchie. Einige fahren auch nur wochenweise an die Front und kehren dann zu ihren Familien zurück.

Haben die arabischen Rebellen weiterhin Zuwachs?

Ich habe den Eindruck, dass die Kämpfer tendenziell jünger werden. Der Blutzoll ist sehr hoch, viele Männer sterben. In den letzten acht Monaten kamen mehrere tausend Rebellen im Kampf gegen den IS ums Leben. Es gibt hier Orte, wo bis zu tausend Männer bei Kämpfen umgekommen sind.

Was hat das für Folgen für den Alltag in den Ortschaften?

Die Leute haben gelernt, die friedlichen Zeiten zu nützen. Wenn es keine Kämpfe gibt, gehen sie ihren Beschäftigungen nach. Es ist, wie gesagt, eine enorm fruchtbare Region hier. Es wird sehr intensiv Landwirtschaft betrieben. Auch während den Kämpfen. Es wird bewässert, geerntet, gemahlen. Kinder spielen auf den Strassen. Viel zu viele Kinder, weil die Lehrer keinen Lohn mehr erhalten und die Schulen geschlossen bleiben. So lange das Risiko vertretbar ist, geht das Leben hier einfach weiter. Es ist beeindruckend, wie sich die Erwachsenen und die Kinder an die Situation angepasst haben. Obwohl der IS hier in der Nähe Massaker anrichtet.

Vor einigen Tagen sagten Sie gegenüber «SRF Online», der IS werde überschätzt und unter den Kämpfern befänden sich viele «verfettete Weichlinge». Haben Sie diesen Eindruck noch immer?

Der IS hatte es bisher – ausser mit den syrischen und türkischen Kurden – mit keinem ernsthaften Gegner zu tun. Die syrischen Rebellen sind, bis auf wenige Ausnahmen, keine geschulten Kämpfer. Es sind Leute, die den Abzug drücken, ohne zu zielen. Gegen eine solche Rebellentruppe Erfolge zu erringen, ist wirklich keine grosse Kunst. Und die irakische Armee hatte offenbar keine Lust, für sunnitische Städte wie Mossul zu kämpfen und zu sterben. Die meisten Soldaten sind ja auch Schiiten. Die syrische Armee ist enorm demoralisiert und auf ausländische Söldner angewiesen. Zudem sind wir alle Opfer der Propaganda des IS, mit der dieser Unbesiegbarkeit demonstrieren will. Wenn die Kämpfer einmal auf einen gut ausgebildeten und ausgerüsteten Gegner treffen würden, dann würde es schwer werden.

Hatten Sie je Kontakt zu IS-Kämpfern?

Bis vor einem Jahr traf ich immer wieder Dschihadisten, die später zum IS übergelaufen sind. Ich habe immer wieder solche Typen getroffen. Und viele von ihnen waren völlig untrainiert. Das ist nicht wie in Afghanistan, wo die Kämpfer sehr fit waren. Gerade unter den Männern aus dem Ausland gibt es viele, die keine Ausdauer haben und recht beleibt sind.

Das Gespräch bricht zum ersten Mal ab.

Herr Pelda, Sie haben wieder Empfang?

Der Generator funktioniert wieder.

Die Rebellen kämpften noch vor wenigen Monaten gegen die syrische Armee und jetzt gegen den IS. Ist die Angst vor den Extremisten grösser?

Ja, ganz klar. Natürlich haben auch die syrische Armee und ihre Milizen schreckliche Massaker angerichtet. Der IS ist aber brutaler und stärker. Die Dschihadisten glauben mit aller Kraft, dass sie ins Paradies kommen, wenn sie im Kampf fallen. Das glauben die Rebellen auch, aber irgendwie ist dieser Glaube bei den IS-Kämpfern grösser. Die Rebellen sind ausgeblutet, schlecht bewaffnet und müssen gleichzeitig gegen Assad kämpfen.

Es scheint eine aussichtslose Situation. Wofür kämpfen die Rebellen?

Das Gespräch bricht erneut ab.

Kurt Pelda bleibt noch einige Tage in Syrien. Das Interview wird nach seine Rückkehr fortgesetzt.

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Ein Bericht der Rundschau über Syrien und Kurt Pelda:

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