Pape Diop tanzt, Ronaldo trifft und Messi bleibt von den Schlagzeilen verschont: Der spanische Fussball hat ein denkwürdiges Wochenende erlebt. Im Fokus blieb trotz spannendem Titelrennen die Rassismus-Debatte.
Ein «schlechter Witz», befand der Fernsehkommentator von Canal Plus, «geschmacklos» und von «tollkühner Fahrlässigkeit». Im Estadio Ciutat de Valencia hatte UD Levante durch ein 2:0 über Tabellenführer Atlético Madrid soeben den Kampf um die Meisterschaft revolutioniert. Die letzte Aktion sollte ein Eckball für die Gastgeber sein. Bei dessen versuchter Ausführung wurde der Levante-Profi Pape Diop von den mitgereisten Atlético-Fans mit Affenlauten beleidigt. Aber der Fernsehkommentator meinte nicht die rassistischen Gesten. Er meinte die Reaktion des Spielers.
Pape Diop, französischer Profi mit senegalesischen Wurzeln, führte vor der Gästekurve einen kleinen Veitstanz auf. «Ich hörte die Affenlaute, also tanzte ich wie ein Affe», so der 28-Jährige.
Die ironische Aktion folgte der Linie, die Barcelonas Dani Alves vorigen Sonntag beim Spiel in Villarreal mit dem Verzehr einer auf ihn geworfenen Banane vorgab. Alves hat mit seiner inzwischen bereits ikonischen Vesper offenbar ein Tabu gebrochen: Die Spieler beginnen sich zu wehren.
Endlich, möchte man hinzufügen, denn die Affenlaute sind im spanischen Fussball leider allgegenwärtig. «In vielen Stadien» habe er sie schon erlebt, sagte auch Diop. «Es ist ein Thema, das mir sehr nahe geht. Es ist nur ein Teil der Anhänger, und ich weiss nicht, ob es Rassismus ist oder Respektlosigkeit. Aber es muss aufhören.»
«Ich weiss nicht, ob es Rassismus ist oder Respektlosigkeit. Aber es muss aufhören.»
Genau daran scheiden sich allerdings die Geister, denn wie der Fernsehkommentator im Ciutat de Valencia hat ein grosser Teil der Fussball-Öffentlichkeit immer noch so seine Probleme mit der Differenzierung von Ursache und Wirkung, von Tätern und Opfer.
Wikipedia-Eintrag von Diop gehackt
In Villarreal demonstrierten vorige Woche rund tausend Anhänger sowie Freunde und Nachbarn des als Bananenwerfer identifizierten und mit lebenslangem Stadionverbot belegten Jugendlichen gegen «Lynchjustiz» und «Respektlosigkeit» von Klub und Medien. David Campayo, so sein Name, wurde von ihnen als normaler Fan beschrieben, «weder gewalttätig noch rassistisch, nur sehr leidenschaftlich in seiner Liebe zu Villarreal.» Klar, die Leidenschaft – da wirft man schon mal eine Banane auf einen Menschen.
Gestern wurde vorübergehend der Wikipedia-Eintrag von Pape Diop gehackt – für einige Zeit fanden sich dort Bemerkungen wie jene, dass der Levante-Profi mit einer langen Sperre zu rechnen habe, weil er die Gästeanhänger provoziert und damit eine Störung der öffentlichen Ordnung heraufbeschwört habe. So sehen das nicht nur Einzelne. «Es gibt viel Rassismus gegen Ausländer hier», sagte Alves vor ein paar Tagen. «Spanien verkauft sich als Land der Ersten Welt, aber in manchen Dingen sind sie weit zurück.» Durch die grosse Resonanz auf seine Aktion hat der Barça-Verteidiger aber neuen Mut geschöpft: «Hoffentlich bleibt es nicht nur bei einer Banane.»
Unverschämt spannendes Titelrennen
Womöglich fände das Thema noch mehr Resonanz, wäre das Rennen um die Meisterschaft nicht so unverschämt spannend. Selbst die Nachricht, Lionel Messi müsse in seiner Steueraffäre insgesamt über 35 Millionen Euro an das Finanzamt nachzahlen, versickerte unter den irren Wendungen des drittletzten Spieltags. Bei Messis Barcelona etwa erklärten Trainer und Spieler am Samstag den Titel nach einem mickrigen 2:2 gegen Getafe schon für verloren und die Saison zum Desaster. Am Sonntagabend um 22.50 Uhr schien es dann plötzlich, als bräuchten sie bloss ihre letzten beiden Spiele zu gewonnen, um Meister zu werden.
Dann verwandelte Cristiano Ronaldo in der zweiten Minute der Nachspielzeit eine Flanke per Hacke für Real Madrid und glich ein spektakuläres Match gegen Valencia noch zum 2:2 aus. Er rettete seinen Klub damit vor dem Aus im Meisterrennen und machte die ganze Sache für Barcelona wieder etwas komplizierter. Die Katalanen (85 Punkte) haben drei Zähler Rückstand auf Atlético, das sie am letzten Spieltag in zwei Wochen empfangen und bei einem Sieg wegen des dann besseren direkten Vergleichs abfangen würden. Gewänne jedoch Real (83 Punkte bei einem Spiel weniger) parallel seine drei ausstehenden Partien, ginge der Titel an Ronaldo und Co.
Eventuell könnte Barcelona also Real zum Meister machen, was für die Katalanen ihre Horrorsaison aus Messi-Debatte, Präsidentenrücktritt, Transferverbot, Champions-League-Aus und dem Tod von Tito Vilanova im schlimmsten aller Alpträume enden lassen würde. Sollte sich dieser Ernstfall abzeichnen, das gilt in Spanien als sicher, würde Barça lieber freiwillig Atlético den Vortritt lassen, also nicht ähnlich engagiert zu Werke gehen wie am Sonntag die UD Levante. Deren Spieler wurden von den mitgereisten Atlético-Fans mit «Söldner, Söldner»-Rufen verabschiedet. Der dahinter stehende Vorwurf: Sie hätten sich von Atléticos Titelrivalen bestechen lassen anstatt brav die Punkte abzuschenken und also absichtlich gut gespielt. Auch das eine ziemlich verquere Sicht der Dinge.
Resultate:
Rayo Vallecano – Athletic Bilbao 0:3. FC Barcelona – Getafe 2:2. Malaga – Elche 0:1. Osasuna – Celta Vigo 0:2. Valladolid – Espanyol Barcelona 1:0. Almeria – Betis Sevilla 3:2. Levante – Atletico Madrid 2:0. Real Madrid – Valencia 2:2.
Rangliste:
1. Atletico Madrid 88.
2. FC Barcelona 85.
3. Real Madrid 83.
4. Athletic Bilbao 68.
5. FC Sevilla 60.
6. San Sebastian 57.
7. Villarreal 53.
8. Celta Vigo 46.
9. Valencia 46.
10. Levante 45.
11. Rayo Vallecano 43.
12. Espanyol Barcelona 41.
13. Malaga 41.
14. Elche 39.
15. Granada 37.
16. Almeria 36.
17. Getafe 36.
18. Valladolid 35.
19. Osasuna 35.
20. Betis Sevilla 22.