Ein ganz knapper Entscheid gegen die Schweizerdeutsch-Quote

Sie wollte eine bessere Durchmischung in den Basler Schulen erreichen, scheiterte mit ihrem stark umstrittenen Vorstoss aber ganz knapp. Immerhin hat Sibylle Benz (SP) aber einiges ausgelöst – auch am Mittwoch im Grossen Rat.

Aus der Quote von mindestens 30-Prozent Schweizerdeutsch sprechenden Kinder in allen Basler Schulklassen wird nichts. Der Grosse Rat entschied sich dagegen. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Sie wollte eine bessere Durchmischung in den Basler Schulen erreichen, scheiterte mit ihrem stark umstrittenen Vorstoss aber ganz knapp. Immerhin hat Sibylle Benz (SP) aber einiges ausgelöst – auch am Mittwoch im Grossen Rat.

Dieser Anzug von Sibylle Benz (SP)  hatte es in sich. Es ist schon fast unglaublich, was der Anzug alles bewirkt hat. Erst die Aufregung, welche von den Medien bereits vor der Grossratsdebatte in die halbe Schweiz hinausgetragen wurde. Dann der Ausspruch von Erziehungsdirektor Christoph Eymann (LDP) heute Mittwoch im Grossen Rat: «Ich kann selbstkritisch sein, wenns sein muss auch gegen mich.»

Wann hat es das schon einmal gegeben? Einen Bildungsminister, der keine hochgeistigen Genies wie Goethe zitiert, sondern Lothar Matthäus, den ehemaligen Fussballer und ewigen Dampfplauderer?

«Gut gemeint»

Wahrscheinlich hätte sich Matthäus mit seinen Sprüchen aber sogar in der Grossrats-Debatte noch ganz wohl gefühlt, so häufig wie dort die Uralt-Weisheit bemüht wurde, wonach «gut gemeint das Gegenteil von gut» sei.

Die Erste, die das sagte, war Heidi Mück vom Grünen Bündnis. Danach wurde der Ausspruch von einer ganzen Reihe bürgerlicher Redner wiederholt, die es kaum glauben konnten, für einmal Mücks Meinung zu sein.

«Profitieren würden nur die Privatschulen und Baselland»

Die Position war aber tatsächlich die gleiche: Die Schulkinder müssen möglichst gut Deutsch lernen, damit sie in der Schule Erfolg haben. Darum wäre es wichtig, dass es in allen Klassen auch einige deutschsprachige Kinder hat, was in Basel aber nicht überall der Fall ist. Und darum sei die Forderung von Sibylle Benz (SP) nach einer besseren Durchmischung und mindestens 30 Prozent Schweizerdeutsch sprechenden Schülern in jeder Klasse tatsächlich «gut gemeint». Und doch auch nicht gut, weil sich in diesem Bereich nichts erzwingen lasse mit der Verschiebung von Schülern, unter Umständen auch von einem Quartier in ein anderes. 

«Das wäre ein Eingriff in die persönliche Freiheit, den wir Liberale nicht tolerieren können», sagte Christine Wirz (LDP). Und den nach Ansicht der Gegner ganz offensichtlich auch die Betroffenen nicht akzeptieren würden, wie Daniel Stolz (FDP) sagte. Jene Familien, die es sich leisten können, würden ihre Kinder in eine Privatschule schicken oder aufs Land ziehen. «Wirklich profitieren von dem Vorstoss würde darum neben den Privatschulen vor allem der Kanton Baselland – nicht aber die Kinder», sagte Stolz.

Das Gegenargument lieferte Sibel Arslan vom Grünen Bündnis. «Die jungen Familien ziehen ja heute schon weg. Wo also ist das Problem, wenn man dagegen etwas unternehmen will?», fragte sie.

Falsch verstanden?

Erstaunt über die Kritik gab sich auch Sibylle Benz, die Autorin des Anzuges. Ähnlich wie bereits vorher in der TagesWoche sprach sich auch in ihrem Votum im Grossen Rat davon, dass ihre Forderung von den Gegnern verzerrt wiedergegeben worden sei. Ihr Ziel sei es keineswegs, Kinder quer durch die ganze Stadt in eine andere Schule zu verfrachten. Sondern lediglich «eine Flexibilisierung der Quartiergrenzen», die eine «geschickte Zuteilung der Lernenden» auf die einzelnen Schulstandorte und damit eine bessere Durchmischung ermöglichen würde. «Mein Grundanliegen ist es, die Bildungschancen aller Kinder zu erhöhen. Und weil Bildung über Sprache erfolgt, liegt der Schlüssel in der Verbesserung der Sprachkompetenz», lautet ihre Überzeugung.

Damit war alles gesagt. Nun folgte die Abstimmung. Und schon wurde es wieder aufregend. 34 Ja zu 34 Nein bei 13 Enthaltungen lautete das Ergebnis. Jetzt lag der Stichentscheid bei Ratspräsident Conradin Cramer (LDP). Und der sagte: Nein, der Anzug wird nicht überwiesen, weil keine Mehrheit dahinter steht.

Höchststrafe für den Bildungsminister

Eine Freude wird er damit auch seinem Parteikollegen Erziehungsdirektor Christoph Eymann gemacht haben, der bereits am Wochenende in einem Interview mit der «Sonntagszeitung» angekündigt hatte, den Vorstoss im Falle einer Annahme «erst mal abhängen zu lassen». Es war für einen Regierungsrat eine überraschend saloppe Aussage (oder eher eine überhebliche?), was bei den Parlamentariern gar nicht gut ankam.

Darum auch das Matthäus-Zitat, wahrscheinlich die Höchstsstrafe für einen Bildungsminister.

Danach sagte Eymann noch, dass seine Äusserung keineswegs eine Geringschätzung des Parlaments ausdrücken sollte. Selbstverständlich wäre er auch bei einem Ja «sehr gerne» bereit gewesen, aufzuzeigen, was Basel-Stadt im Bereich der Früh- und Sprachförderung jetzt schon unternehme. Und wie das Problem der fehlenden Durchmischung noch besser gelöst werden könne.

Nun, das könnte er eigentlich auch nach dem heutigen Nein noch tun.

Fraktionen uneins. So spannend war die Abstimmung nur, weil auch die einzelnen Fraktionen gespalten waren. Das gilt insbesondere für das Grüne Bündnis. Abweichler gab es allerdings auch in den anderen Parteien – gerade bei der SVP und der SP, wo sich mehrere Politiker der Stimme enthielten oder anders als die Fraktionsmehrheit (SP dafür, SVP dagegen) stimmten. Entsprechend viele Enthaltungen gab es: 13.

 

 

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