Ein Hoch auf die Langsamkeit: Mit dem Zug von Berlin nach Malmö

In einer Stunde per Billig-Airline von Berlin nach Malmö? Was für ein Quatsch! Mit dem «Snälltåget» dauert dieselbe Reise zwar dreizehn Stunden, aber diese Stunden haben es in sich.

Dieser Zug fährt Schiff: Geschmeidig gleitet er auf die Fähre.

(Bild: Steffen Haase)

In einer Stunde per Billig-Airline von Berlin nach Malmö? Was für ein Quatsch! Mit dem «Snälltåget» dauert dieselbe Reise zwar dreizehn Stunden, aber diese Stunden haben es in sich.

Freitag, 19.28 Uhr, Berlin Hauptbahnhof. Hier beginnt das Wochenende mit einem Hoch auf die Langsamkeit. Mit dem schwedischen Zug «Snälltåget» zelebrieren wir eine Reise-Tradition fern von Jetset und Flughafenhektik. Durch die Brandenburgische Wiesenlandschaft und über die mecklenburgische Seenplatte geht es in Richtung Norden in die schwedische Stadt Malmö. Die Fahrt ist aber alles andere als ödes Stillsitzen – Abwechslung ist im Preis inbegriffen.

Ein Relikt auf Schienen

Der «Snälltåget» ist die einzig direkte Zugverbindung zwischen Deutschland und Schweden. Angesichts des schwindenden Angebots an Nachtzügen ist diese nächtliche Überfahrt eine Rarität im europäischen Zugnetz. Dementsprechend begegnet man hier hauptsächlich Zugnostalgikern – aus praktischen Gründen wählt wohl kaum jemand diesen Reiseweg.

An alte Zeiten erinnert auch das Innere des Zuges: Die Abteile mit sechs Plätzen sind alt und eng. Wer sein Gepäck unter dem Sitz verstauen will, hat sich zu früh gefreut: kein Platz. Es bleibt nichts anderes übrig als es sich mit Koffer zwischen den Schenkeln und Rucksack auf dem Schoss gemütlich zu machen. Das ist durchaus möglich: Auf den rot gepolsterten Sitzen, ohne jeglichen Handy-Empfang und mit Blick auf die Abendsonne im norddeutschen Horizont, kann man gar nicht anders als sich zu entspannen.




Der «Snälltåget» ist schnell und nett. (Bild: Marco Andersson)

Fremde Mitbewohner und nette Preise

Wenn die ersten Passagiere anfangen zu gähnen, wird es Zeit, die Betten aufzuklappen. Peinlich berührt von der unfreiwilligen Nähe hat man sich bisher angeschwiegen, doch nun müssen sich sechs Fremde organisieren. Wie bringt man diesen Hebel nach unten? Wo befestigt man das Bett?

Die Bedeutung des schwedischen Ausdrucks «Snälltåget» ist übrigens zweideutig. Früher bedeutete er «Schnellzug». Doch heute bedeutet «snäll» auf Schwedisch hauptsächlich «nett». Es handelt sich also um einen «netten Zug»: Ein Hinweis auf den Nackenstützen muntert die Passagiere auf, Mitreisende freundlich zu begrüssen. Das «nett» bezieht sich aber auch auf die «netten Preise», wie es auf der Internetseite heisst.

Lichter im Dunkeln

Und wie kommt jetzt dieser Zug über das Meer nach Malmö? Das ist der Clou der ganzen Sache: Der Zug nimmt das Schiff. Um 23 Uhr kommt er in Sassnitz auf der Insel Rügen an, wo die Gleise nahtlos auf eine Fähre übergehen, sodass das gesamte Gefährt geschmeidig aufs Schiff rollen kann.

Wer jetzt einfach zu Bett geht, verpasst den absoluten Höhepunkt dieser Reise. Ein bisschen nordisches Koffein und eine Zimtschnecke aus der Schiffskantine und schon ist wieder genug Energie da, um auf dem Aussendeck die baltische Meeresluft einzuatmen. Mitten in der Nacht gleitet man durch die Ostsee und starrt ins Dunkle. Nur wenige Lichter sind in der Ferne sichtbar und der Wind bläst einem um die Ohren. Für dieses magisch-unheimliche Gefühl hat es sich absolut gelohnt, mühsam vom Bett herunterzukrakseln und sich aus dem Abteil zu schleichen.




Am Hauptbahnhof in Berlin beginnt die nostalgische Zugreise. (Bild: Marco Andersson)

Irgendwann wird es aber zu kalt und man sehnt sich nach dem warmen Zugabteil. Man kann nur hoffen, dass man sich die Decknummer gemerkt hat, denn in den unterirdischen Gängen verläuft man sich schnell, und wer sich ab und zu einen skandinavischen Krimi anschaut, weiss: Dies wäre die perfekte Location für einen kaltblütigen Killer.

Um 4 Uhr morgens kommt der Zug in Trelleborg an und wartet dort mehrere Stunden, bevor er in den nahe liegenden Bahnhof Malmö einfährt. Schlafende bekommen von diesem langweiligen Teil der Reise nichts mit, sondern werden um 7.25 Uhr in Malmö von der heiteren Stimme des Kondukteurs geweckt.

Noch schlaftrunken stellt man sich im Bahnhof Malmö mit den anderen Reisenden in die lange Schlange vor der Kaffeemaschine am Kiosk und wartet. Der Weg ist das Ziel – wortwörtlich, denn nach dreizehn Stunden Fahrt bleibt keine Zeit für einen langen Aufenthalt, bevor der Zug wieder zurückfährt und das Wochenende vorbei ist.

– Schlafen: Am besten gar nicht, lieber erlebt man die mystische Stimmung auf dem Schiff.

– Unternehmen: Aus dem Fenster schauen und über das Meer blicken.

– Essen: Käsesandwich oder Zimtrolle in der Schiffskantine. Gastronomische Meisterwerke gibt es hier nicht.

Nächster Artikel