Die Wirtschaftsoffensive ist schwer greifbar. Der Versuch eines Überblicks in Bild und Text.
Interessiert sich die Wirtschaft überhaupt für das Baselbiet?
Die Baselbieter Wirtschaftsförderung und -offensive ist schwer zu greifen. Bemühungen sind kaum messbar. Gespräche mit ansässigen Unternehmen sind genauso wichtig wie die Ausschau nach möglichen Firmen für die Ansiedlungen. Eine Zahl gibt es: Mehr als 100 Teilnehmer konnte Gastgeberin und Baudirektorin Sabine Pegoraro beim ersten Investorengespräch im Rahmen der Wirtschaftsoffensive im Transitlager auf dem Dreispitz begrüssen. Mit 30 gab es Folgekontakte, sagt Projektleiter Marc-André Giger. Neun Anträge sind bei der Wirtschaftsoffensive noch pendent. «Es sind Unternehmen mit einer gewissen Grösse», sagt Giger, aber nicht mehr. Es handelt sich also nicht um Zwei-Mann-Unternehmen aus dem Aargau, das sich beim neu eingerichteten «Welcome Desk» der Wirtschaftsoffensive nach einer Garage erkundigt. Aber auch das gibt es.
Was wünschen sich die Unternehmer?
Die Aufgabe der Wirtschaftsoffensive ist klar, sie soll Unternehmen ins Baselbiet holen. Aber was suchen interessierte Firmen? Und vor allem: Woran kann ein Projekt scheitern? Giger spricht von «verschiedenen Faktoren». Die Steuern sind wichtig, aber nicht unbedingt ausschlaggebend (siehe auch Steuererleichterung). Die Unternehmen interessieren sich unter anderem auch für die Grösse der Gewerbefläche, für die Lohnkosten, das Potenzial an Arbeitskräften, die Schulen und die Nähe zur Stadt. Letztlich sei das Gesamtpaket ausschlaggebend, sagt Giger. Gerade im Life-Sciences-Bereich, wo es um hochqualifizierte Angestellte geht, interessieren sich die Arbeitgeber ganz besonders für die Rahmenbedingungen, die sie beziehungsweise der Kanton den Arbeitnehmern bietet. Das neu geschaffene «Welcome Desk» stellt den Interessenten die entsprechenden Informationen zusammen. Gespräche können aber auch an ganz grundlegenden Fragen scheitern, etwa am Strombedarf.
Welche Wünsche kann das Baselbiet nicht erfüllen?
Ein amerikanisches Unternehmen zum Beispiel hat sich für einen Standort auf Salina Raurica interessiert. Die Baselbieter Wirtschaftsförderer hätten die Firma gerne hier willkommen geheissen, doch als es um die Details ging, wurde schnell klar: Das klappt nicht. Das Unternehmen gab einen Strombedarf an, der zwischen 15 und 20 Prozent der Jahresleistung des Atomkraftwerks Gösgen ausgemacht hätte. Verheissungsvoll klang auch die Anfrage eines Unternehmens, das einen Standort von 70 000 Quadratmetern für eine Produktionsstätte suchte. Platz dafür gäbe es. Doch dann stellte sich heraus: 70 000 Quadratmeter braucht es für den Testbetrieb, später wären 200 000 Quadtratmeter nötig gewesen – für nur 130 neue Arbeitsplätze. Fazit: Zu viel Platzbedarf für zu wenige Arbeitsplätze.
Und was ist mit Steuererleichterungen?
Früher oder später kommt die Frage nach den Steuern. Die Antwort ergibt sich aus dem Gesetz: Steuererleichterungen sind möglich. Die Regierung kann einem Unternehmen maximal zehn Jahre lang eine Steuererleichterung gewähren. Beim Entscheid berücksichtigt der Regierungsrat gemäss dem neugeschaffenen «Tax Guide» der Wirtschaftsoffensive vier Punkte: die erwarteten steuerbaren Gewinne während der Steuererleichterungsdauer, die Anzahl der zu schaffenden Arbeitsplätze, die direkten und indirekten Investitionen sowie die Auswirkungen auf die Konkurrenzsituation durch die neuen Firma. Zwischen fünf und acht Anträge werden pro Jahr eingereicht, sagt Peter Nefzger, Vorsteher der Steuerverwaltung. Gewährt werden etwa gleich viele pro Jahr. Wie hoch die Steuererleichterung ist und wie lange sie gewährt wird, unterliegt dem Steuergeheimnis. Auch Details zu den Entscheidungskriterien bleiben unter Verschluss. Fest steht, dass der Entscheidungsspielraum erheblich ist. Es gibt zum Beispiel keine klare Definition, ab welcher Zahl von Arbeitsplätzen ein Unternehmen von «volkswirtschaftlichem Interesse» ist. Ein Schreinermeister mit fünf Mitarbeitern hat dabei sicher weniger Chancen auf Unterstützung als ein Start-up mit ebenfalls fünf Mitarbeitern, aber einem Businessplan, der in fünf Jahren 50 oder 100 Arbeitsplätze verspricht. «Eine allgemeine Aussage», sagt Nefzger, «lässt sich nicht machen. Die Fälle müssen im Einzelnen geprüft werden.»
Auf Salina Raurica baut Coop auf 80?000 Quadratmetern eine Produktionsstätte, über 600 Arbeitsplätze entstehen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 28.02.14