Der italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano hat die Einladung zum Staatbesuch in Bern vorerst ausgeschlagen. Ob der polnische Präsident im Herbst nach Bern kommt, ist auch eher unsicher.
Auf die Frage, wann eigentlich wer dieses Jahr zur derzeitigen Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) auf Staatsbesuch nach Bern komme, haben die offiziellen Sprecher sowohl im protokollarisch für derlei zuständigen Aussendepartement (EDA) als auch im derzeit präsidialen Finanzdepartement seit Anfang Jahr stets eigenartig ausweichend geantwortet. In der italienischen Zeitung «La Repubblica» konnte man nun diese Woche lesen warum: «Napolitano non andra in Swizzera», titelte das Blatt: «Napolitano reist nicht in die Schweiz.»
Harte Bandagen im Steuerstreit
Offiziell nimmt Bern auch zu dieser Meldung keine Stellung. Inoffiziell bestätigen jedoch informierte Diplomaten im Bundeshaus, da sei aus Rom «mal eine Absage gekommen». Die Repubblica und auch das Tessiner Fernsehen wollen wissen, dass die Absage aus Rom auf Wunsch des neuen italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti erfolgt sei. Und der Grund für den bisher geheim gehaltenen Affront sei der Steuerstreit zwischen den beiden Ländern.
Italien, das immer dezidierter gegen die Kapitalflucht reicher Steuerdelinquenten in Richtung Schweiz kämpft, hat sein nördliches Nachbarland schon mal auf eine «schwarze Liste» gesetzt. Und der Kanton Tessin, der sich im Rahmen der «Personenfreizügigkeit» mit einer immer grösseren Flut von Grenzgängern aus Italien auf seinem Arbeitsmarkt konfrontiert sieht, ergreift zusehends Massnahmen dagegen. Die Tessiner Regierung hat zudem 28 Millionen an Quellensteuern von diesen italienischen Beschäftigten blockiert, die sie gemäss einem Abkommen von 1974 eigentlich über die Grenze an deren Wohngemeinden überweisen sollte.
Ersatz-Besuch aus Polen?
Der Tessiner Staatsrat Marco Borradori sieht Napolitanos Absage an Bern in diesem Zusammenhang: Das sei «ein Druckmittel». Er verweist aber auch auf «positive Signale aus Italien». So habe Ministerpräsident Monti versprochen, die derzeit herrschende Funkstille zwischen Bern und Rom könnte aufgehoben werden, wenn die im Tessin einbehaltenen Gelder wieder flössen. Und die Tessiner Regierung werde «unter gewissen Bedingungen» dazu Hand bieten.
So oder so dürfte aus der Ehrengarde für Napolitano auf dem Bundesplatz kaum mehr etwas werden. «Wir werden bezüglich der Beziehungen zu Italien nächste Woche informieren», ist zu der ganzen Sache aus dem Bundeshaus offiziell nur zu hören. Inoffiziell hört man aber auch, Bundespräsidentin Widmer-Schlumpf habe für ihren grossen Staatsempfang schon einen Ersatz-Gast eingeladen: Den polnischen Staatspräsidenten Bronislaw Komorowski. Der sei per Oktober nach Bern eingeladen.
Seit der Bundesrat mit seinem Rückgriff auf die Ventilklausel im Vertrag über die Personenfreizügigkeit mit der EU jedoch auch Polen mit einem Personen-Kontingent belegt hat, herrscht auch in Verhältnis mit diesem östlichen Land nicht mehr Eitel Freude. Böse Zungen witzeln im Bundeshaus schon: Falls das Polen-Kontingent im Oktober bereits aufgebraucht sein sollte, könnte der geladene Gast mit seinem polnischen Pass leicht an der Schweizer Grenze hängen bleiben.