Nach dem angekündigten Rücktritt von Hanspeter Gass (FDP) freut sich die Rechte auf eine harte Linie in der Sicherheitspolitik.
Es dauerte nicht lange, da machten die ersten Verschwörungstheorien die Runde. Während Hanspeter Gass in seinem grossen, weissen Büro im Spiegelhof am Mittwochnachmittag dem zehnten Journalisten zu erklären versuchte, dass sein vorzeitiger Rücktritt nichts, gar nichts, «nichts, hören Sie!» mit den Vorkommnissen vom Voltaplatz und der medialen Kritik an seiner Person zu tun habe, da formulierten die Kollegen vom «Infamy-Blog» bereits folgende griffige Schlagzeile: «Regierungsrat Gass weggeBazt».
Ist das tatsächlich so? Haben sich am Aeschenplatz die finsteren Mächte verschworen, um einen ungeliebten Regierungsrat zu eliminieren? Willfährig unterstützt von «Telebasel», dessen «Report» zur linksextremen Bedrohung die Lage erst so richtig aufheizte? Nein. Auf jeden Fall nicht nur. Bevor wir aber auf die mediale Begleitung der Causa Gass eingehen, halten wir uns kurz an die Dinge, die nach der Rücktrittsankündigung des Sicherheitsdirektors mit Bestimmtheit gesagt werden können.
Die Freude bei der SVP
Erstens: Die rechtsbürgerlichen Kräfte in dieser Stadt sind alles andere als unglücklich über den Rücktritt des Regierungsrats. «Ich wünsche mir einen Sicherheitsdirektor, der auch einmal durchgreift», sagt SVP-Präsident Sebastian Frehner, «einen, der vor seine Polizisten steht.» Damit trifft er sich mit André Auderset, langjährigem Mediensprecher im Sicherheitsdepartement und LDP-Grossrat. Durchgreifen müsse der Nachfolger, hart durchgreifen. Selbst der besonnene David Gelzer, Präsident des Polizeibeamtenverbandes Basel-Stadt, freut sich bereits jetzt auf einen Nachfolger von Gass. Er hofft auf mehr Solidarität. «Der neue Sicherheitsdirektor muss sich in der Öffentlichkeit stärker vor seine Mannschaft stellen.»
Die Parteifreunde
Zweitens: Seine Partei hat nicht mehr an ihn geglaubt. Auf alle anderen Fragen hatte Gass am Mittwoch eine (einstudierte) Antwort parat, auf diese nicht: «Herr Gass, fühlten Sie sich von der FDP gestützt?» Er warf den Kopf nach hinten, schaute im Zimmer umher, räusperte sich, räusperte sich nochmals und sagte dann doch nichts.
Äusseres Zeichen für das Misstrauen der Parteiführung gegenüber ihrem Regierungsrat war die Planung der Wahlen vom kommenden Jahr. Wie der «Sonntag» in seiner letzten Ausgabe berichtete, hatte die FDP-Parteispitze noch vor der Rücktrittsankündigung mit zwei Kandidaten geplant. Offizielles Ziel: die Mehrheit in der Basler Regierung wieder zurück in bürgerliche Hände zu bekommen. Inoffizieller Grund: eine Alternative für ein mögliches Versagen von Gass.
Wie zwei unabhängige Quellen der TagesWoche bestätigen, ging man in der FDP davon aus, dass es Hanspeter Gass – wie bei seiner ersten Wiederwahl – nicht im ersten Wahlgang in die Regierung schaffen würde. Darum habe man frühzeitig nach einem valablen Ersatz gesucht. Es sollen auch bereits Sitzungen zum Thema stattgefunden haben. «Die FDP wollte den Gass nicht mehr», sagt eine dem Freisinn nahestehende Quelle. Wie schlecht die Kommunikation zwischen Gass und der Parteispitze gewesen sein muss, lässt sich auch daran ablesen, dass der Regierungsrat seinen Parteipräsidenten am gleichen Tag wie alle anderen darüber informierte, dass er angeblich schon immer mit höchstens zwei Legislaturperioden geplant habe.
Der Gewinner
Drittens: Grosser Gewinner des Mittwochs ist Baschi Dürr. Der Grossrat hat noch nie ein Geheimnis aus seinen Ambitionen gemacht. Dürr ist karriereorientiert und seine Karriere hat am Mittwoch wohl die entscheidende Wende genommen. Die Rechnung ist einfach: Die erste und logische Wahl für die Nachfolge von Gass ist Nationalrat Peter Malama, der sich bis im Februar entscheiden will. Tritt Malama an, wird Dürr dessen Nationalratsmandat erben. Und falls nicht, ist Dürr selber in der besten Position, um in die Regierung gewählt zu werden. Er weiss das natürlich, sagt es aber nicht. Gegenüber der TagesWoche meinte er etwas kryptisch: «Ich muss nun prüfen, was das für mich bedeuten könnte.»
Die Erleichterung von Gass
Viertens: Egal, ob man Gass sein Mantra «Ich wollte schon immer nur für zwei Amtszeiten in der Regierung bleiben» abnimmt oder nicht: Für den Mann ist der Rücktritt im Januar 2013 eine Erleichterung. «Lustlos» habe er in der Regierung gewirkt, heisst es aus regierungsnahen Kreisen, etwas müde. Exemplarisch liess sich das während der Aufarbeitung der Geschehnisse rund um den Voltaplatz beobachten. Als im September eine Party aus dem Ruder lief und fünfzehn Chaoten Scheiben einschlugen, kommunizierte Gass erst widersprüchlich und dann gar nicht mehr. Statt sich am Montag nach den Vorfällen den Medien zu stellen, verschwand er zu einem Truppenbesuch in die Westschweiz. Tags darauf wurde der Druck zu gross und er gab – widerwillig – Auskunft.
Es war eine typische Situation für Hanspeter Gass, eine bezeichnende. Gass ist konfliktscheu. Er sucht den Konsens, nicht die Konfrontation. Und dafür möchte er, wenn nicht geliebt, so wenigstens ein bisschen gemocht werden. Und damit kommen wir zum letzten und gleichzeitig zum Ausgangspunkt dieser Geschichte. Zum Verhältnis von Gass zu den Medien dieser Stadt.
Die Medien
Darum fünftens: Hanspeter Gass war ein dankbares Opfer. Immer schon. Das begann gleich mit Amtsantritt, als Gass nach den FCB-Krawallen vom 13. Mai 2006 der BaZ ein Interview mit einer grotesken Fehleinschätzung der Lage gab und harsche Kritik dafür einstecken musste. Seither lässt er sich Interviews zum Gegenlesen schicken.
Besser gemacht hat das seine Lage nicht. Als Sicherheitsdirektor stehe man halt besonders im Rampenlicht der Öffentlichkeit, pflegte er nach solchen Auftritten jeweils zu sagen. Auch heute sagt er das noch, nach einem halben Jahr, das er so wohl lieber nicht erlebt hätte. Zuerst verbreitete die BaZ im Sommer eine Meinungsverschiedenheit zwischen ihm und dem Ersten Staatsanwalt Alberto Fabbri in allen Details. Und dann eben, der Voltaplatz. Die aufgeregte Berichterstattung der BaZ ergänzte «Telebasel» mit einem tendenziösen Report über linksextremistische Horden, die Basel angeblich in Schutt und Asche legen werden. «Und Gass macht nichts!», hiess es aus dem Off (und von entsprechend düsterer Musik begleitet). Er habe das schon als unfair empfunden, sagte Gass am Mittwoch, als eine Kampagne gegen seine Person. «Ich freue mich darauf, ab Januar 2013 nicht mehr jeden Morgen die Zeitung lesen zu müssen.»
Also doch eine Verschwörungstheorie? Ein minutiös geplanter Erfolg der rechtsbürgerlichen Kräfte? Nein. Wer das ernsthaft behauptet, überschätzt den Organisierungsgrad der Medien – und deren Boshaftigkeit. Die Sache mit Hanspeter Gass war wie so häufig ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren. Die harte, zuweilen zu harte Kritik war nur einer davon. Entscheidender war die Befindlichkeit, war der Mensch Gass. Und dieser war, das hat man in den letzten fünf Jahren immer wieder gesehen, vielleicht schlicht am falschen Ort.
Quellen
Der Report von Telebasel zur «linksextremen Bedrohung»
BaZ-Text zur Meinungsverschiedenheit zwischen Staatsanwalt Alberto Fabbri und Hanspeter Gass
Die Berichterstattung der BaZ zum Thema «Krawall beim Voltaplatz»
Der Eintrag im «Infamy-Blog» über Hanspeter Gass
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 02/12/11