Das Jugendrotkreuz Basel veranstaltet im Empfangszentrum für Asylsuchende regelmässige Spielabende für Kinder: Singen, malen und basteln als willkommene Abwechslung zum tristen Baracken-Alltag.
Ein kalter Montagabend, kurz vor sieben, Bushaltestelle Otterbach-Grenze: Ein Bus hält an. Heraus steigt eine Gruppe fröhlich quasselnder Jugendlicher – vorbei ist es mit der Winter-Tristesse an der Freiburgerstrasse. Die Jugendlichen machen sich auf zum Empfangs- und Verfahrenszentrum für Asylsuchende (EVZ) beim Zoll Otterbach. Unterwegs stösst per Velo noch die eine oder andere junge Frau hinzu, bis schliesslich eine stolze Gruppe von zwölf jungen Erwachsenen (zwei Männer, zehn Frauen) das Areal des Empfangszentrums betritt.
«Heute basteln wir mit den Kindern farbige Eulen», sagt die 19-jährige Bettina Roska. Sie hat heute das Programm des Spielabends zusammengestellt. Und kramt sogleich ihr Modell hervor: eine Comic-Eule, zusammengeklebt aus farbigem Bastelpapier und Ahornblättern. «Das kommt sicher gut an», kommentiert eine Kollegin Bettinas Bastelidee. Aus der Ferne schallt das Bellen der Diensthunde.
Zwei Stunden Ausgelassenheit: 25 Kinder haben an diesem Abend den Weg ins Spielzimmer des Flüchtlings-Empfangszentrums gefunden. (Bild: Lukas Tschopp)
Mittlerweile ist man im Eingangsbereich des Zentrums angelangt, wo eine der Freiwilligen ihre ID abgibt und dafür einen Schlüssel erhält. Weiter gehts durch die Gänge des Empfangszentrum, vorbei an Ping-Pong spielenden jungen Männern, teetrinkenden älteren Herren, kreischenden Kindern und umsorgenden Müttern.
«Zurzeit stammt ein Grossteil der Asylsuchenden aus Eritrea und Syrien», erzählt Roger Lang, Leiter des Empfangszentrums, der die Jugendlichen durchs Zentrum begleitet.
Singend die Kultur vermitteln
Durchschnittlich bleiben die Asylsuchenden rund 20 Tage im Empfangszentrum. Während dieser Zeit entscheidet sich, wie sich ihr weiterer Aufenthalt gestaltet. Gerade bei Familien sei man darum besorgt, diese so schnell wie möglich in kantonalen Strukturen unterzubringen, sagt Roger Lang. Währenddessen bereiten die Jugendlichen in einem Kellerabteil das Programm des Spielabends vor. Zu Beginn will man mit den Kindern ein, zwei Lieder singen, dann werden farbige Eulen gebastelt.
Diese Jugendlichen sind allesamt Freiwillige vom Jugendrotkreuz Basel. Zweimal im Monat kommen sie ins Empfangszentrum, um mit Kindern aus asylsuchenden Familien einen Abend lang zu spielen, zu singen und zu basteln. «Spielabend für Kinder aus verschiedenen Kulturen» nennt sich dieses Angebot, das unter anderem darauf abzielt, den Kindern die hiesige Sprache und Kultur etwas näher zu bringen.
«Hier im Empfangszentrum hat es sehr viele Kinder. Sie können hier wohnen, essen und mit ihrer Familie Zeit verbringen. Was fehlt, sind organisierte Spiel- oder Lernmöglichkeiten», sagt Anna Greub vom Jugendrotkreuz Basel, die diese Spielabende koordiniert.
Gemäss Kinderrecht hat jedes Kind ein Recht auf Bildung. Auch darum hat man 2009 dieses Angebot eingeführt, dass den Kindern eine willkommene Abwechslung bieten soll.
«If you’re happy and you know it clap your hands!»
Die Freiwilligen haben sich inzwischen aufgeteilt: Die einen laufen durchs Zentrum und trommeln die Kinder zusammen, die anderen bereiten das Spielzimmer vor. Nach und nach füllt sich der Raum mit neugierigen Kindern, oft in Begleitung der Eltern. Schliesslich haben rund 25 Kinder den Weg ins Spielzimmer gefunden.
Gemeinsam bildet man einen Kreis und fängt an zu singen: «If you’re happy and you know it clap your hands!» Es wird gesungen, geklatscht und gehüpft; eine fröhliche, lockere Atmosphäre breitet sich aus.
«Die Kinder sprechen ganz unterschiedliche Sprachen. Wir kommunizieren untereinander darum meist auf nonverbaler Ebene», sagt Greub. Musik eigne sich besonders gut, um diese Sprachbarrieren zu überwinden. «Musik verbindet, auch ohne gemeinsame Sprache.»
Nach dem Begrüssungsritual wird das Bastelmaterial ausgeteilt. Die einen versuchen sich eifrig im Eulen-Basteln, andere malen ein Mandala aus, spielen mit Bauklötzchen oder stecken ihre Nase in ein Kinderbuch.
Mit Händen und mit Füssen
Einer der wenigen männlichen Betreuer ist der 21-jährige Lukas Biedermann. Er studiert Jus an der Universität Basel und möchte später einmal im humanitären Bereich arbeiten. So wurde er auf das Freiwilligenangebot vom Jugendrotkreuz aufmerksam. Die Kinderbetreuung macht ihm grossen Spass, «obwohl es zuweilen ziemlich chaotisch zu und her geht». Mit den Kindern kommuniziert er mit Händen und Füssen, manchmal streut er ein paar Fetzen Englisch ein.
Zum Abschluss wird nochmals ein Lied gesungen: «Autumn leaves are falling down.» (Bild: Lukas Tschopp)
Auch der Zielgruppe scheint das Spielangebot zu passen. Der sechsjährige Azad aus Syrien freut sich insbesondere darüber, dass er seine Eule behalten darf. Um neun Uhr trifft man sich nochmals im Kreis und singt gemeinsam ein Abschiedslied: «Autumn leaves are falling down.» Während Bettina und Lukas schon mal Besen und Wischmop hervorholen, verabschieden sich die Kinder und kehren in ihre Schlafgemächer zurück.
Die Freiwilligen treffen sich nach dem Zimmerputz zu einer Feedback-Runde, wo sie den Spielabend nochmals Revue passieren lassen. Dann geht es zurück zur Bushaltestelle, vorbei am Sicherheitspersonal, den umzäunten Holzbaracken und dem Gemäuer des benachbarten Ausschaffungsgefängnisses Bässlergut. «Das nächste Mal basteln wir Weihnachtssterne», informiert eine der Freiwilligen ihre Kolleginnen und Kollegen.