Ein Schiff bringt Politiker auf Schlingerkurs

Etwas haben die jüngsten Diskussionen rund ums Basler Asylschiff schon verändert: Wo vorher rechts stand, ist nun plötzlich links – und umgekehrt.

Die «Hispania» ankert derzeit noch im Ausland, soll aber bald Asylsuchenden in Basel ein Zuhause bieten. (Bild: Jürgen Fabian/Schiffbilder.de)

Etwas haben die jüngsten Diskussionen rund ums Basler Asylschiff schon verändert: Wo vorher rechts stand, ist nun plötzlich links – und umgekehrt.

Die «Bedenken» auf der linken Seite waren gross, als Eduard Rutschmann von der SVP vor einem Jahr im Grossen Rat die Idee vorbrachte, den Asylbewerbern ein Schiff als Unterkunft bereitzustellen. Ausgerechnet Menschen, die eventuell eine lebens­gefährliche Flucht per Schiff hinter sich hätten und dadurch traumatisiert seien, wolle man wieder auf ein Schiff bringen, hiess es. Unmenschlich sei das. Seekrankheit, Ertrinkungsgefahr, mangelhafte Lüftung und Heizung sowie zu viel Feuchtigkeit auf einem Schiff wurden ins Feld geführt. Von Abschieben war auch die Rede.

Ist das Asylschiff am richtigen Ort?
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Es war klar: Dem als rechter Hard­liner bekannten Rutschmann konnten aufrechte Linke nicht zustimmen. Sein Vorstoss wurde zwar knapp, aber erwartungsgemäss abgelehnt.

Inzwischen hat sich die Situation verändert. Mitte April gab die Regierung des Kantons Basel-Stadt bekannt, dass sie ein ehemaliges Hotelschiff als Unterkunft für Asylsuchende bereitstellen wolle. Damit könnten künftige Engpässe kurzfristig gemeistert werden. Zur Mitteilung des Regierungsrats gab es Bilder dieses Schiffs mit dem schönen Namen «Hispania», Bilder wie aus ­einem Ferienprospekt – und niemand muckte auf. Keine Empörung von links, keine von rechts.

Die wurde erst laut, nachdem im Kantonsblatt der geplante Standort des Schiffs, nämlich die Anlegestelle beim St.-Johanns-Park, veröffentlicht wurde. Und damit kam auch das übliche Rollenspiel wieder zum Zug, diesmal allerdings anders verteilt als im ­Grossen Rat: von rechts die Vorbehalte gegen das Schiff, von links dessen ­Verteidigung.

Das Fass am Überlaufen

Die erste Einsprache gegen das Asylschiff stammt vom Wohnbaugenossenschaftsverband Nordwest, die gegenüber der Anlegestelle eine Überbauung besitzt. Zwar sind Genossenschaften traditionell eher im linken Lager verankert – doch die Argumente gegen das Schiff sind die der Rechten: Das Asylschiff beeinträchtige die Lebensqualität der Mieter, sie hätten schon die Nachtruhestörungen wegen der Voltahalle, Drögeler und Prostitution vor der Haustüre – und nun kämen noch die Asylbewerber.

Dieses Schiff sei der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringe, sagte Genossenschaftspräsident Theo Meyer der «Basler Zeitung». Ins gleiche Horn blies ein paar Tage später der Präsident des Neutralen Quartiervereins St. Johann, Mario C. Ress. Er wollte über eine sogenannte Konsultativabstimmung herausfinden, ob die Bewohner weitere «Asylanten» im Quartier akzeptierten oder nicht. Er, das sagte er im Voraus un­missverständlich, wollte nicht. Und er gewann die Abstimmung.

Menschenunwürdig und abgeschoben

Mario C. Ress steht nicht im Verdacht, ein Linker zu sein. Er ist Mitglied der BDP. Insofern überrascht sein Engagement gegen das Asylschiff nicht. Ebensowenig, dass sich ihm von linker Seite, vom Kommitee Offenes St. Johann, Widerstand entgegenstellt.
Doch was sagt nun zum Beispiel BastA!-Grossrätin Sibel Arslan, die vor einem Jahr das Asylschiff noch als menschenunwürdige Unterkunft bezeichnet hatte?

Nein, sagt sie, sie befinde sich nicht in einem Dilemma. «Ich war nicht grundsätzlich gegen das Schiff, weil der Vorschlag von rechts kam. Es ging mir damals vor allem um den von Eduard Rutschmann vorgeschlagenen Standort am Hafen.» Dass man so die Leute an den Rand ab­geschoben hätte. Aber jetzt, im St. Johann, sagt Arslan, ent­falle ja dieser Punkt.

Praktisch und effizient

Rutschmann, dessen potenzielle Wählerschaft alles andere als begeistert ist über die Umsetzung seiner Idee, findet das Schiff immer noch eine gute Sache. Grundsätzlich.

«Es hat den grossen Vorteil, dass es schnell zurückgebaut werden kann, wenn es nicht mehr gebraucht wird.» Zudem seien so alle Asylsuchenden beisammen, man habe Platz, ein Büro einzurichten und «kann die Asylverfahren effizienter ­erledigen». Rutschmann will jedoch darauf hingewiesen haben, dass er gros­ses Verständnis für die Bedenken im Quartier habe. «Wenn 70 Prozent der Anwohner Nein dazu sagen, ist das ein Problem.»

Nicht vor dem «Les Trois Rois»

Über den Standort müsse man wohl nochmals diskutieren. Es gäbe ja schon noch andere Möglichkeiten, meint Rutschmann. Nicht gerade vor dem Hotel Les Trois Rois, das eher nicht.Aber vielleicht beim Novartis Campus oder eben beim Hafen, wie er ursprünglich vorgeschlagen habe.

Doch das kommt gemäss Renata ­Gäumann, beim Kanton zuständig für Asylkoordination, nicht in Frage: ­Kleinhüningen trage mit dem Empfangszentrum des Bundes und diversen anderen Asyleinrichtungen schon genug. «Das Quartier hat unsere Zusicherung, dass dort vorerst keine neuen Asylstrukturen eingerichtet werden.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 29.06.12

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