Ein Turm bringt alle aus dem Häuschen

Ein zorniger Stadtplaner, ein plötzlich schweigender Stararchitekt, ein verärgerter Regierungsrat und ein ausgeladener Moderator: Der Abstimmungskampf über den Basler Claraturm wird immer gehässiger.

Passt der «Klotz»? Modell des Claraturmes. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Ein zorniger Stadtplaner, ein plötzlich schweigender Stararchitekt, ein verärgerter Regierungsrat und ein ausgeladener Moderator: Der Abstimmungskampf über den Basler Claraturm wird immer gehässiger.

Diese Worte von Jacques Herzog! Wie Balsam fühlten sie sich für die Seelen von Denkmalpfleger Daniel Schneller und Roland Zaugg an. Zaugg, der von 1985 bis 2005 als Stadtplaner in der Basler Verwaltung gearbeitet und heute einen Lehrauftrag an der Universität Basel hat, zeigte sich an jenem Dienstag Anfang Februar «beeindruckt» von Herzog. Denn in einem Gespräch mit Schneller, das dieser Tage im Buch «Basel – gestern, heute, morgen» erscheint, spricht sich der Architekt für den Erhalt der Warteck-Häuser am Riehenring aus.

Herzog sagt, dass er nichts gegen ­einen Turm in der Nähe der Messe habe. «Nur finde ich, dass er an der ­falschen Stelle geplant ist. Dieses wunderbare Ensemble mit dem Restaurant dürfte meiner Meinung nach nicht ­verschwinden.» Es gebe in der Nähe andere Orte, die für den Bau eines Hochhauses geeigneter seien, so ­Herzog. Schneller pflichtete ihm bei. Er sei froh, diese Worte von Herzog zu hören. Auch er hoffe, dass diese Häuser mit Restaurant erhalten blieben.

Zaugg, der mit fünf Kapiteln am Buch des Verlages Martin+Schaub mitgewirkt hat, glaubt nicht, dass Herzog für den Erhalt der Warteck-Häuser ist, weil der Claraturm seinem eigenen Bauwerk, dem Messezentrum, die Show stehlen könnte. «Herzog ist ­offensichtlich noch einer der wenigen Architekten in Basel, der Städtebau im klassischen Sinne versteht – als sozialräumliche und geschichtliche Aufgabenstellung nämlich», sagt er.

Die Denkmalpflege scheitert

Der ehemalige Kantonsangestellte hat nichts gegen Hochhäuser, er wohnt selber in einem. Doch den geplanten Claraturm der UBS bezeichnet er als «Affront gegenüber dem Kleinbasel» und als einen «städtebaulichen Sündenfall». «Der Innenstadt-Bezug des Claraquartiers ist nur noch durch das Warteck-Ensemble erlebbar. Wenn der fast 100 Meter hohe Turm kommt, wird dieser historische Bezug zunichte gemacht und die Clarastrasse hat kein Flair und keine Substanz mehr.» Zudem würde der Turm nicht nur die umliegenden Häuser überschatten, sondern auch den ehemaligen Bahnhofplatz. Zaugg geht davon aus, dass der Platz dann dunkler und windiger wird als er ohnehin schon ist.

Gegen den geplanten Abriss der Warteck-Häuser leistete auch die Denkmalpflege Widerstand.

Gebaut wurden die Warteck-Häuser in den 1860er-Jahren vom Architekten Amadeus Merian, der auch das «Trois Rois» und das «Café Spitz» erstellt hatte. «Die Architektur von Merian hat eine hohe Qualität. Es gibt keinen Grund, die Warteck-Häuser abzu­reissen», sagt Zaugg.

Gegen den geplanten Abriss der Warteck-Häuser leistete auch die Denkmalpflege Widerstand. Wie Daniel Schneller sagt, hätten Denkmalpflege und Denkmalrat einen Unterschutzstellungsantrag an den Regierungsrat gestellt. Vergebens. Die Regierung räumte anderen Interessen (städtebaulichen Aspekten und Wohnungsbedarf) eine höhere Priorität ein. «Das Appellationsgericht bestätigte 2008 die Interessenabwägung des Regierungsrates. Grundsätzlich wurde nicht in Zweifel gezogen, dass die Häuser schutzwürdig sein können, es wurden aber andere öffentliche Interessen höher gewichtet. Damit ist die Sache für die Denkmalpflege abgeschlossen», so Schneller.

Kantonsangestellte fälschte Visualisierung

In vollem Gang und höchst emotional ist derweil der Abstimmungskampf zum Claraturm. So wurde der Chef des Stadtressorts der «Basler Zeitung» vom Präsidenten des Vereins «Referendum gegen das Projekt Claraturm», Andreas Bernauer, als Moderator für eine Podiumsdiskussion ausgeladen – weil er sich in einem Kommentar für den Claraturm aussprach. Auf der anderen Seite klagt das Pro-Komitee, dass falsche Visualisierungen in Umlauf gebracht wurden, die den Claraturm viel monströser als vorgesehen, darstellten. Laut BaZ stammen diese Bilder von einem Mitarbeiter der Denkmalpflege – sehr zum Unmut von Daniel Schneller und SP-Regierungsrat Hans-Peter Wessels.

Jacques Herzog will sich neun Monate nach diesem Gespräch mit Daniel Schneller in seinem Büro und rund zehn Tage vor der Abstimmung über den Bebauungsplan zum Claraturm nicht weiter zu den Warteck-Häusern äussern. Via Pressestelle lässt er ausrichten: «Jacques Herzog ist es derzeit nicht möglich, ausführlich auf Ihre Fragen zu reagieren. Wir danken für Ihr Verständnis.» Auf die Nachfrage, weshalb und ob dies allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt möglich wäre, antwortet er nicht mehr.

Der Architekt, der sich kürzlich gegen den Juryentscheid zum Unispital-Neubau gewehrt und sich auch vor der Abstimmung über den Central Park kritisch geäussert hatte, möchte sich dieses Mal im Hintergrund halten. Dabei teilten er und Pierre de Meuron vor einer Woche, als es um den Neubau des Klinikums 2 ging, noch mit: «Die Architekten wollen sich auch in Zukunft zu städtebaulichen und architektonischen Fragen äus­sern, dies als Konsequenz ihrer jahrelangen Auseinandersetzung mit planerischen Fragen zur Stadt Basel.» Die Claraturm-Abstimmung scheint eine Ausnahme zu sein. 

«Basel – gestern, heute, ­morgen»

Das Buch «Basel – gestern, heute, ­morgen» von Roland Zaugg, Michael ­Martin u.a. erscheint im November im ­Verlag Martin+Schaub Basel.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 15.11.13

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