Hisham Kandil, ein 50-jähriger, unabhängiger Technokrat, hat vom ägyptischen Präsidenten Mohammed Morsi den Auftrag erhalten, eine neue Regierung zu bilden.
Den Namen vom Hisham Kandil hatte niemand auf der Liste möglicher Anwärter für den Posten des neuen ägyptischen Regierungschefs. Sie war vor allem bestückt mit Wirtschafts- und Finanzfachleuten. Morsi überrascht mit andern Überlegungen. Er setzt auf einen nur in Insider-Kreisen bekannten Experten für Wasser, der sich insbesondere in der Nil-Bassin-Initiative engagiert hat.
Mit seinen erst 50 Jahren steht Kandil für einen Generationenwechsel, wie er vor allem von der Revolutionsjugend gefordert wurde. Der designierte Regierungschef hat 1984 in Kairo sein Ingenieursstudium abgeschlossen und 1993 in den USA an der Universität von North Carolina promoviert. In den vergangenen Jahren bekleidete er mehrere Funktion in der ägyptischen Bürokratie und in der Afrikanischen Entwicklungsbank, bevor er im Juni 2011 in der ersten nach-revolutionären Regierung zum Minister für Bewässerung ernannt wurde. Er fiel damals als erstes ägyptisches Kabinettsmitglied mit Bart auf. Kandil behielt diesen Posten auch in der Regierung von Kamal el-Ganzouri, der nach der Vereidigung Morsis vor drei Wochen seinen Rücktritt einreichte.
Morsi hat mit der Nominierung Kandils sein Wahlversprechen eingelöst, einen Regierungschef von ausserhalb der Muslimbrüder zu suchen. Kandil bezeichnet sich selbst als religiös, hat aber nie einer islamitischen Gruppierung angehört. Die Muslimbrüder hatten als Eigenschaften für alle Regierungsmitglieder Integrität, Effizienz und Kompetenz gefordert. Morsis Sprecher beschrieb Kandil, als unabhängige und patriotische Persönlichkeit. Politische Erfahrungen bringt er keine mit.
Muslimbrüder wollen Service-Ministerien
Der Präsident führt weitere Konsultationen mit den verschiedensten gesellschaftlichen Kräften, um die übrigen Kabinettsposten zu besetzen. Die Muslimbrüder erheben Anspruch auf etwa zehn Ressorts, also weniger als die Hälfte. Sie wollen sich hauptsächlich auf die sogenannten Service-Ministerien wie Gesundheit, Erziehung und Soziales konzentrieren. Der Präsident will sein Renaissance-Programm umsetzen, das eine Verbesserung der Dienstleistungen für die Bürger vorsieht. So hofft er Wähler und Wählerinnen bei der Stange zu behalten. In diese Richtung geht auch Kandils Verpflichtung. Wasser- und Strommangel gehören in diesen heissen Sommertagen zu den grössten Sorgen der Menschen.
Dagegen zeigen die Muslimbrüder weniger Interesse an den politisch heiklen Ressorts wie Inneres, Äusseres und Verteidigung. Das sind die Ministerien, bei deren Besetzung die Generäle des obersten Militärrates, auch wenn sie das immer verneinen, ein Wort mitreden werden. Vieles deutet etwa daraufhin, dass Feldmarschall Tantawi Verteidigungsminister bleiben wird. Dem Prinzip aus der Mubarak-Zeit, dass der Präsident die Strategien vorgibt und die Regierung nur ausführt, scheint Morsi mit der Ernennung Kandils treu zu bleiben.