Das sagen hohe Politiker
Das Tessin ist selbstverständlich begeistert, dass der Kanton mit dem neugewählten Bundesrat Ignazio Cassis wieder in der Landesregierung vertreten ist. Kein Politiker da, der diesen Tag nicht als «wichtig» oder zum Feiern erachtet. Selbst der Tessiner Regierungspräsident Manuele Bertoli (SP) sieht das so, auch wenn er gegenüber der Nachrichtenagentur sda sagt: «Ich hoffe natürlich, dass sich Cassis nicht so stark nach rechts ausrichtet.»
Kritische Stimmen gab es nach der Wahl aber auch. SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann bemängelt, die FDP habe den Frauen keine echte Chance auf den zweiten Sitz eingeräumt. Grünen-Präsidentin Regula Rytz stellt auf Twitter trocken fest:
Die FDP hat ein Frauenproblem: Seit 1848 wurden 69 Männer und nur 1 Frau in den Bundesrat gewählt. Konservativer ist nur die SVP. @GrueneCH
— Regula Rytz (@RegulaRytz) 20. September 2017
Für die CVP habe das «Frauenproblem» zur Folge, dass der Druck steige, selber eine Nachfolgerin für Doris Leuthard zu finden, befindet Parteipräsident Gerhard Pfister. Denselben Druck verspürten aber alle Parteien, wenn sie ein Bundesratsticket vorzulegen hätten.
FDP-Präsidentin Petra Gössi relativiert das «Frauenproblem» insofern, als sie auf das «relativ knappe Wahlresultat» verweist: Isabelle Moret (55 Stimmen im ersten Wahlgang) und Pierre Maudet (66 Stimmen) seien demzufolge keine Alibi-Kandidaturen gewesen.
Das findet auch die FDP Genf: Maudet habe eine gute Kampagne gemacht, wichtige Themen angesprochen und ein gutes Ergebnis erzielt (90 Stimmen im 2. Wahlgang). Und auch die Waadtländer FDP bereut nicht, eine Kandidatin wie Isabelle Moret ins Rennen geschickt zu haben, auch wenn das Ergebnis weniger gut war (28 Stimmen im 2. Wahlgang). Die Bundesversammlung habe eben einen Tessiner gewollt.
SVP-Präsident Albert Rösti geht davon aus, mit Cassis würde der «nationale Zusammenhalt» gestärkt und das EU-Dossier neu aufgerollt, und auch für die Asylpolitik könnte seine Wahl Vorteile bringen. Für SP-Parteipräsident Christian Levrat bleibt dagegen mehr oder weniger alles beim Alten.
Das sagen Politologen
Politologe Louis Perron glaubt, Cassis werde versuchen, bei gewissen Themen für seinen Landesteil zu punkten, etwa in Fragen der Migration. An einen Kurswechsel des Gesamtbundesrats glaubt Perron dagegen nicht, auch nicht an einen nach rechts.
Das sieht Politikwissenschaftler Michael Hermann anders. Er sagt im Interview mit dem «Tamedia Newsnet», dass «die Waage vermehrt nach rechts» kippen könnte, zumal sich Cassis «seiner Tessiner Basis beweisen» müsse.
Das schreiben Deutschschweizer Zeitungen
Für die NZZ ist Cassis «eine kluge Wahl». Keinen Tessiner zu wählen «hätte zutage gefördert, welch bedenkliches Verständnis das Schweizer Parlament von Staatspolitik hat». Er sei qualifiziert, die Kritik am Abgeben des italienischen Passes sei eine hilflose Verzweiflungstat gewesen, und auch seine Verbandstätigkeit habe «nichts Verwerfliches» an sich.
Der «Tages-Anzeiger» erwartet durch Cassis keine «pointiert rechtsbürgerliche Dominanz im Bundesrat», sieht ihn als neuen Aussenminister und fordert da Führungsstärke: Er müsse «ein neues Verständnis für die Europapolitik wecken» und «darlegen, dass der bilaterale Weg aus Geben und Nehmen besteht und dass die direktdemokratische Mitbestimmung nicht zur Disposition steht.»
Das meint BLICK zur Bundesratswahl: Benvenuto Ticino! https://t.co/DFQgZXLb86pic.twitter.com/Yr4yQZQ3VI
— Blick (@Blickch) 20. September 2017
„@ignaziocassis ist die einzig richtige Wahl“, schreibt @p_holle in seinem Kommentar zur #BRWahl#brw17: https://t.co/KV3neH00cp
— Tagblatt Online (@tagblatt_ch) 20. September 2017
Kommentar: BZ-Chefredaktor @Peter_Jost zur Wahl von Ignazio Cassis als neuen Bundesrat. #brw17 (Abo+) https://t.co/mYd1QmKkcE
— bernerzeitung.ch (@BernerZeitung) 20. September 2017
Und was sagt der neue Bundesrat?
Bei seiner ersten Medienkonferenz als Bundesrat nahm Cassis zu verschiedenen Themen wie folgt Stellung:
- Gefühlslage: Stolz und glücklich.
- Wunschdepartement: Es sei ihm jedes recht.
- Rahmenabkommen mit der EU: Um den bilateralen Weg zu konsolidieren und auszubauen, sei ein Abkommen vielversprechender, wenn es zumindest anders heisse.
- Ein Bundesrat von Gnaden der Volkspartei: Er glaubt nicht, dass er der SVP etwas schuldig sei, nur weil sie ihn unterstützt habe. Grundsätzlich wolle er themenbezogene Allianzen mit links und rechts schmieden.
- «Der Tessiner» in der Landesregierung: Will er so nicht ewig sein. Was er aber sicher will – die Probleme der Grenzgebiete stärker einbringen.