Eine informierte Demokratie braucht mehr als Smartvote

Die direkte Demokratie braucht informierte Bürgerinnen und Bürger. Smartvote alleine reicht dafür nicht.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Die Bedeutung von Smartvote für die direkte Demokratie sollte nicht überschätzt werden. Andere Instrumente sind wichtiger.

Niemand kauft gerne die Katze im Sack. Wer wählt, möchte wissen, wem er seine Stimme gibt. In kleinen Wahlkreisen, etwa bei Gemeindewahlen in Dörfern, sind einem die Kandidierenden möglicherweise persönlich bekannt. Ab einer gewissen Grösse der Wahlkreise ist dies eher unwahrscheinlich. Eine erste Orientierung ermöglicht hier die Parteizugehörigkeit der Kandidierenden.

Den Parteien kommt sowohl in der repräsentativen wie auch in der direkten Demokratie eine wichtige Funktion zu. Zumindest in der Theorie sollten sie Ideen zu politischen Programmen bündeln, die für ihre Mitglieder und ihre Wählerinnen und Wähler einen Orientierungs- und Handlungsrahmen abgeben. In der Praxis nehmen die Parteien diese Aufgabe allerdings unterschiedlich gut wahr. Und bisweilen lässt auch die Kommunikation ihrer Positionen zu wünschen übrig, wofür die Gründe allerdings nicht nur bei den Parteien zu suchen sind.

In der Praxis nehmen die Parteien ihre Aufgabe allerdings unterschiedlich gut wahr.

Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass Christoph Meury («Nur ein blinder Wähler ist ein guter Wähler») aus erster Hand erfahren möchte, wo die Landratskandidatinnen und -kandidaten im Baselbiet politisch stehen. Seine Begeisterung für Smartvote kann ich allerdings nur bedingt teilen. Meine Vorbehalte betreffen zum einen die Funktionsweise von Smartvote. Zum andern betreffen sie das Verständnis von Politik, das durch Smartvote genährt wird.

Beschränkter prognostischer Wert

Smartvote funktioniert relativ simpel. Die Nutzer erstellen anhand von Aussagen zu politisch kontroversen Fragen eine Art Profil, dieses wird mit den Profilen der Kandidierenden verglichen, dabei wird der Grad der Gemeinsamkeiten festgestellt. Eine Garantie dafür, dass wir so die Kandidatinnen und Kandidaten finden, die unsere Anliegen am besten vertreten, haben wir damit allerdings nicht. Solche Profile sind Momentaufnahmen, die auf einer beschränkten Datenbasis beruhen. Ihren Aussagekraft bezüglich des künftigen Verhaltens von Kandidaten in konkreten Entscheidungssituationen ist beschränkt.

Als ich im Hinblick auf die in Baselland anstehenden Regierungsratswahlen die Probe aufs Exempel machte, fiel das Ergebnis einigermassen paradox aus: Zwischen meinen politischen Ansichten und jenen der einen Kandidatin gab es diverse Berührungspunkte. Ob das bei sechs weiteren Kandidierenden auch der Fall ist, blieb im Dunkeln, da sie den «Smartvote-Fragebogen noch nicht beantwortet haben» (Stand 9. Januar 2015). Dafür weiss ich von zwei weiteren, eher chancenlosen Kandidaten, dass wir das Heu nicht auf der gleichen Bühne haben.

In der Politik ändern sich Fragestellungen und Kompromisse müssen möglich sein.

Hinzu kommt: Die Aussagekraft solcher Profile bezüglich des künftigen Verhaltens von Kandidaten in konkreten Entscheidungssituationen ist beschränkt. Dies nicht zuletzt deshalb, weil Politik ein Prozess ist, in dem sich Fragestellungen verändern und Kompromisse möglich sein müssen. Das alles spricht nicht grundsätzlich dagegen, Smartvote zu nutzen. Wir sollten uns aber bewusst sein, dass Smartvote lediglich Resultate mit beschränkter Aussagekraft liefert, und wir sollten uns unbedingt auch mithilfe anderer «Instrumente» einen Überblick über das politische Geschehen verschaffen.

Keine moderne Demokratie ohne Medien

Die wichtigsten dieser Instrumente sind die Medien und die Parteien. Im Idealfall berichten die Medien über die Vorgänge in den politischen Gremien und damit über die Tätigkeit unserer Repräsentantinnen und Repräsentanten.

Damit können wir uns zumindest ein Bild über das Wirken der «Bisherigen» machen. Bei den restlichen Kandidierenden sind wir darauf angewiesen, dass die Parteien ihren Job gut machen und die richtigen Leute aufstellen.

Sachkenntnisse vonnöten

Im Übrigen beschränkt sich in der direkten Demokratie die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger nicht auf Personenwahlen. Dank Volksinitiative und Referendum sind wir immer wieder aufgerufen, uns zu Sachfragen zu äussern und als Gesetzgeber zu wirken. Das ist ein grosses Privileg, bedeutet aber auch eine grosse Verantwortung.

Um ihr gerecht zu werden, braucht es Bürgerinnen und Bürger, die sich informieren und sich eine fundierte Ansicht bilden. Dabei sind unterschiedlichste Sachkenntnisse gefragt. Das setzt einige Anstrengungen voraus, oder um es mit den Worten des Baselbieter Schulinspektors Johannes Kettiger (1802–1869) zu sagen: «Der Republikaner muss besser gebildet sein als der monarchische Unterthan, sonst kann eine Republik nicht bestehen.»

Diese Bildung kann nicht nur eine Aufgabe der Schule sein: Als mündige Bürgerinnen und Bürger haben wir selbst daran weiterzuarbeiten. Auch darum brauchen wir Medien, die fundiert informieren. Ebenso wichtig sind Orte, an denen wir mit andern zusammenkommen und gemeinsam Ideen entwickeln können. Parteien spielen in dieser Hinsicht nach wie vor eine wichtige Rolle.

Die direkte Demokratie eröffnet uns Bürgerinnen und Bürger mehr Möglichkeiten als die Monarchie. Es braucht aber mehr als ein paar Klicks, damit sie ihre Trümpfe ausspielen kann.

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