Von Politik versteht Matthias Edel nichts. Gerade deshalb will er ins Parlament und dort als Handlanger seiner Community mitmischen.
Das Wort Interpellation ist ihm fremd. Erst nach einer Denkpause schafft Matthias Edel es, den Begriff Vorstoss über seine Lippen zu bringen – nur um dann gleich zu fragen, ob das tatsächlich ein politisches Instrument sei. Von Politik hat der 33-Jährige keine Ahnung. Dennoch oder gerade deswegen möchte er am 28. Oktober in den Grossen Rat gewählt werden. Als Stimme des Volkes. Ohne Parteiprogramm im Nacken. Ohne Selbstdarstellungsneurose. Ohne Ambitionen auf Höheres.
Matthias Edel kandidiert auf der neuen Liste «Deine Wahl» im Wahlkreis Grossbasel West. Allein. Eigentlich wäre noch ein weiterer Kandidat auf dieser Liste vorgesehen gewesen, doch dieser zog kurzfristig weg. Nun muss der Software-Entwickler sein Experiment alleine durchziehen. Er tut es mit Überzeugung, auch wenn er glaubt, dass seine Wahlchancen gering sind. «Aber ich möchte meine Idee bekannter machen», sagt Edel.
Reden in den Mund legen lassen
Die Idee hinter «Deine Wahl» ist, dass Matthias Edel, falls er den Sprung ins Basler Parlament doch schaffen sollte, dort nur eine ausführende Funktion einnimmt. Entscheiden will er im Grossratssaal nichts. Vielmehr bestimmt seine Community in einer Abstimmung, was er am Rednerpult sagt, welchen Vorstoss er einreicht und wie er bei einem Sachgeschäft abzustimmen hat. Edel wäre im Grossen Rat nur eine Marionette, der verlängerte Arm seiner Community. Ein Roboter.
Freiraum will er auf keinen Fall. Das würde ihn nur einengen. «Eine Rede selber schreiben, das wäre schon zu viel Selbstbestimmung für mich. Ich will mir Reden in den Mund legen lassen.» Thematische Grenzen gibt es für Edel, der in Böckten aufgewachsen ist, keine. Solange die Vorschläge seiner Community nicht beleidigend oder gesetzeswidrig sind, ist ihm nichts zu blöd. Nur etwas ist relevant: Die Masse. «Eine Furz-Idee einer einzelnen Person würde ich schon nicht umsetzen. Es müssen schon ein paar Menschen dahinterstehen.» Dass er sich im Parlament lächerlich machen könnte, ist ihm bewusst – und egal.
Matthias Edel wirkt verträumt, schüchtern und doch sehr überlegt. Die eigene Meinung ist dem Hobby-Feuerjongleur zuwider. Sein Erfolgsrezept ist eben, keine Meinung zu haben. Und deshalb will er an diesem regnerischen Morgen auch nicht verraten, wo er politisch eher einzuorden ist. Das würde das Konzept von «Deine Wahl» nur verfälschen, sagt er. Er wolle sich unter keinen Umständen von egoistischen Motiven zu etwas verleiten lassen.
Facebook sei einfacher als Politik
Die Idee, diese Liste ins Leben zu rufen, kam ihm nach den Nationalratswahlen vor einem Jahr. Damals ist ihm aufgefallen, wie viele Menschen sich im Internet bewegen, der politische Alltag aber nicht gross zur Kenntnis genommen wird. Es sei nun mal einfacher, auf Facebook den neusten Status seiner Freunde abzurufen, als sich mit der Politik auseinanderzusetzen (die Facebook-Gruppe «Deine Wahl» zählt derzeit rund 40 Mitglieder).
«Viele haben sowieso das Gefühl, dass die Politiker da oben machen, was sie wollen», sagt Edel. Seine Hoffnung ist deshalb, dass durch dieses Experiment die Politik wieder etwas näher zu den Leuten kommt – dass «man sich damit identifziert und sich wieder mehr beteiligt».
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 12.10.12