Bei den französischen Parlamentswahlen von Sonntag schickt Präsident Macron zahllose Politneulinge ins Rennen. In der Camargue ist für Stimmung gesorgt: Dort tritt eine bekannte Stierkämpferin gegen den eingesessenen Front-National-Abgeordneten an.
Das ist also die Frau, die hunderte von Stieren getötet hat. Im Gespräch mit Besuchern eines Volksfestes in Grau-du-Roi wirkt Marie Sara mit ihren langen Haaren und einer schlichten Bluse in Türkis nicht grausam, sondern grazil und feminin.
Ja, Emmanuel Macron habe sie persönlich angerufen und gebeten, bei den Parlamentswahlen im hiesigen Département Gard für seine Bewegung En Marche anzutreten. Nach ein paar Stunden Bedenkzeit habe sie zugesagt, erzählt die 53-jährige Mutter zweier Kinder, die wie so viele Kandidaten des Macron-Lagers noch nie Politik betrieben hat.
Als 19-Jährige war sie gegen den Willen ihrer Künstlereltern von Paris in die 600 Kilometer und geistig noch viel entferntere Camargue gezogen – um Stierkämpferin zu werden. Marie Sara schaffte es, sich in der Männerwelt der Matadore einen Namen zu machen. Mehr als 15 Jahre lang betätigte sie sich in den Arenen Südfrankreichs und bald darüber hinaus als Torera zu Pferde (in der Fachsprache: Rejoneadora).
Die Stierkämpferin wurde bis in die Klatschspalten bekannt, zeigte sich am Filmfestival in Cannes und heiratete der Reihe nach einen Stierkampf-Produzenten, einen Tennisstar und zuletzt einen Werbemagnaten, der sie mit Macron bekannt machte.
Zum Ärger der Tierschützer
Dass Marie Sara jetzt in die Politik einsteigt, gefällt nicht allen. In Nîmes, der Hauptstadt des Gard, mobilisierten Corrida-Gegner an Pfingsten wie üblich gegen die weitherum bekannte Stierkampf-Feria; diesmal aber forderten sie zudem Macron in mehreren Petitionen mit insgesamt 200’000 Unterschriften auf, Saras Kandidatur zurückzuziehen. Die Torera habe bis 2007 «hunderte von Stieren abgeschlachtet», heisst es zur Begründung, begleitet von Bildern, in denen Sara einem blutüberströmten Camargue-Taureau den Degen in den Nacken treibt.
Marie Sara geht den militanten «No Corridas» in Nîmes aus dem Weg. An diesem Pfingstsamstag verlagert sie ihre Wahlkampagne nach Grau-du-Roi an der Küste, wo gerade ein Volksbrauch gefeiert wird. Mit Holzstangen und –schilden stossen sich Jugendliche im Camargue-Kanal gegenseitig von ihren Ruderbarken. Jedes Mal, wenn einer ins Wasser fällt, johlt die Menge zu Trompetenstössen.
Mann gegen Mann, ohne dass einer das Leben lässt: Ist das nicht fairer, ja humaner als ein Stierkampf? «Das ist nicht dasselbe», antwortet Marie Sara dezidiert. «Man kann auch nicht Pétanque mit Schach vergleichen. Stierkampf ist kein Volkssport, das ist Kunst.» Aber doch eine morbide Kunst? «Ich züchte Stiere und Pferde, das ist voller Leben», meint die heutige Leiterin der Arena von Saintes-Marie-de-la-Mer. Auf ihrer Wahlkampfbroschüre, auf der sie neben Macron abgebildet ist, verlangt Sara die Einschreibung der «courses camarguaises» – der Camargue-Stierrennen, die nicht tödlich enden – in das Unesco-Welterbe.
Collard verspricht, sich dieser Themen anzunehmen, wenn sie ihn wiederwählen. «Wenn ich durchkomme, folgt mir; wenn ich zurückweiche, tötet mich», imitiert er voller Verve das bekannte Bonmot eines französischen Monarchisten aus der antirevolutionären Vendée. «Und wenn ich getötet werde, rächt mich!» Szenenapplaus für den Advokaten, dann endlich gibt es den Apéro.
Beim Stopfen seiner Tabakpfeife betont Collard gegenüber dem ausländischen Journalisten, hier in der ländlichen Camargue töte man den Stier nicht – anders als in der römischen Arena von Nîmes oder in Spanien. «Und Sie werden sehen, am nächsten Sonntag wird der Stier sogar gegen die Matadora gewinnen.»
Sicher ist das mitnichten. In den Umfragen liegen Collard (32 Prozent) und Sara (31 Prozent) gleichauf; die Kandidatinnen der Konservativen und der Linksfront schaffen es möglicherweise nicht einmal in die Stichwahl eine Woche später. Dort wird Sara als Siegerin mit 56 Prozent gehandelt. Macrons riskante Personalwahl im Gard – und nicht nur dort – hätte sich damit ausbezahlt. Alle Umfragen sagen ihm mittlerweile eine klare Regierungsmehrheit in der Nationalversammlung voraus.